Das Seelische als prozessuale Potenz, die sich in Dispositionen, in ganz bestimmten Tendenzen zu äußern vermag, ist nicht absolut statischer Natur. Zumindest müssen wir dem seelischen Grundcharakter eines Menschen, der ihm von Natur seit Geburt mitgegeben worden ist, etwas Veränderbares, zur Dynamik Fähiges zuerkennen. Denn sonst wäre jegliche Erziehung und Menschenformung von vornherein zum Scheitern verurteilt. Das gleiche gilt auch für den nur scheinbar statischen Leib, der ständig eine Regeneration vollzieht, wobei das neu Entstehende dem Vorangegangenen wohl analog und ähnlich, aber nicht mit ihm identisch ist. Insofern können wir feste Formen des Körpers, welche auf der architektonischen Eigenart eines Menschen beruhen, mit Seelischem im Verhältnis eines koexistenten Bedeutungszusammenhanges sehen, wie etwa die Disposition zu bestimmten Empfindungs- oder Antriebserlebnissen. Denn diese Bedeutungszusammenhänge zwischen körperlicher Erscheinung und seelischem Wesen spielen in der Diagnose eine grundlegende Rolle.
Die mimische Spur
Das ursprüngliche, statische Gepräge eines Gesichtes wird überformt von den Spuren sich wiederholender mimischer Ausdrucksgeschehnisse, die sich im Laufe der Jahre verfestigen. Je häufiger und intensiver, insbesondere aber je einseitiger die Betätigung bestimmter Muskeln erfolgt, umso eher und umso stärker hinterlassen sie an der Oberfläche der Haut bleibende Spuren, Einkerbungen und Falten, die man Engramme nennt. Durch das Nachlassen der Haut-Elastizität im Verlauf des Alterns kommt es, dass die Ausprägung mimischer Spuren mit zunehmendem Alter steigt. Beim jungen Menschen glätten sich die Muskeln und die Haut nach einer aktuellen Innovation schnell wieder, im Alter aber hinterlässt das aktuelle mimische Geschehen eine festgeprägte Spur und zeigt dadurch nicht nur für den unmittelbaren Augenblick des mimischen Geschehens seinen seelischen Charakter, sondern auch auf die Dauer, im positiven oder im negativen Sinne. Es kommt dadurch zu einem langsamen Bildungs- und Umbildungsprozess des Gesichtsausdruckes. Es gibt ein Sprichwort, welches besagt, „Bis 30 Jahre hat der Mensch das Gesicht, das ihm die Natur von Geburt aus gab; ab 30 formt er es sich durch das, was er aus sich gemacht hat“. Dieses statische Gepräge eines Gesichtes, welches sich als feste Spur mimischer Geschehnisse herausgebildet hat, ist eindeutig ausdruckswertig und weist auf die seelischen Vorgänge hin. Wir lassen jedoch unbedingt die Möglichkeit offen, dass auch eine Korrelation zwischen der architektonischen Eigenart eines Menschen und bestimmten Regelmäßigkeiten seines seelischen Verhaltens besteht, wie dies beispielsweise die Kretschmersche Typenlehre in ihrer Zuordnung von Körperbau und Charakter wiedergibt und somit Grundlage sein kann für eine entsprechende Diagnostik.
Bei allen Völkern, gebildet wie ungebildet, wurde mit Recht großer Wert auf die Schönheit der Frau gelegt, „und ein schönes Gesicht, eine schöne Hand, ein schöner Fuß, wenn sie bei diesem Geschlecht sich im Verein finden, gaben daher fast überall die sicherste Bürgschaft, dass hier eine im allgemeinen wohl ausgestattete, geistige Individualität in der Anlage vorhanden sei“.
Solche Analogieschlüsse von der körperlichen Wohlgestalt auf die seelische Wohlgeratenheit, vom ästhetischen Wert des Äußeren auf den ethischen Wert des Inneren vollziehen wir täglich; insbesondere beurteilen wir – mehr oder weniger bewusst – die Differenziertheit, Geistesart und soziale Stellung einer Persönlichkeit nach dem Stil ihrer Gesichtsbildung: Dem groben oder feinen Schnitt, der guten oder schlechten Modellierung der Züge. Solche Schlüsse haben oft etwas unmittelbar Einleuchtendes, solange sie sich auf den Gesamteindruck von einem Menschen beschränken und nicht zu sehr ins – dann naive – Einzelne gehen.
Mimische Diagnostik
Wenn wir eine subjektive Eindrucksqualität, das heißt, eine von uns sinnlich erfasste Wahrnehmung, auf ihre seelische, objektive Grundlage deutend zurückführen wollen, dann müssen wir drei Bedingungen voraussetzen:
1 Wir müssen die möglichen Ausdruckserscheinungen möglichst umfassend kennen.
2 Wir müssen sie objektiv genau bestimmen.
3 Wir müssen deren diagnostische Bedeutung, eventuell auch Mehrdeutigkeit, formulieren und festlegen.
Wir wollen damit ergründen, welche Erscheinungen des Ausdrucks an einem anderen Menschen die Grundlage für die Erkennung seines seelischen Wesens sein können. Das heißt, wir wollen die verschiedenen mimischen Ausdruckserscheinungen kennen lernen und auf ihrer Basis die Grundzüge einer mimischen Diagnostik aufstellen. Lersch hat dazu die einzelnen Ausdrucksgeschehnisse des menschlichen Gesichtes in verschiedener Hinsicht bestimmt:
1 Mimisch. Dabei wird eine ganz bestimmte Eigenart eines Gesichtes als phänomenale Gegebenheit bezeichnet, wie zum Beispiel das abgedeckte Auge, der seitliche Blick oder ein aufgelockertes Lachen.
2 Anatomisch-physiologisch. Hierbei wird jede mimische Form bei ihrem Erscheinen danach bestimmt, welche Vorgänge sich dabei in der mimischen Muskulatur abspielen, zum Beispiel das mimische Bild der horizontalen Stirnfalten.
3 Die Zuordnung der jeweils besonderen mimischen Form entsprechend ihres spezifischen psychischen Ausdruckssinns und ihrer psychologischen Bedeutung.
4 Die genetische Betrachtungsweise. Sie sucht die mimische Form aus Geschehenszusammenhängen abzuleiten.
5 Die phänomenologische Betrachtung, welche aus der unmittelbar gegebenen Form der Mimik ihre (spontane) Bedeutung bestimmt.
Damit leiten wir über zu den vielfältigen psychosomatischen Fragen in der BioKosmetik.
Psychosomatische Fragen in der Kosmetik
Zusammenhang zwischen Leiblichem und Seelischem
Eine der aktuellsten und interessantesten Fragen der heutigen Medizin und der Anthropologie – und daher auch für uns in der Kosmetologie – ist das eigentlich uralte menschliche Problem des Zusammenhanges zwischen Leib und Seele, zwischen körperlichen Erscheinungen und seelischen Ursachen. Durch die immer weiter voranschreitende psychosomatische Forschung wird ein neuer Schwerpunkt des psychophysischen Aspektes gebildet. Er erkennt das Seelische als grundlegende und bedeutungsvolle Lebenssphäre an, welche von ihren leiblichen Erscheinungen nicht zu trennen ist; so wie man weiß, dass angeborene, vererbte oder erworbene Körperschäden oder -mängel sich häufig in Form von psychosomatischer Depression, vermindertem Selbstwertgefühl, Resignation oder Kontaktscheue auszuwirken vermögen. Das grundlegende Problem besteht in der Frage, wie es denn überhaupt möglich ist, dass zum Beispiel eine seelische Depression Krankheiten und umgekehrt körperliche Erkrankungen oder Missbildungen, psychische Umstimmungen, Lebensunlust, Mattigkeit oder auch ein Gefühl der Unzufriedenheit hervorzurufen vermögen. Selbstverständlich interessiert uns im Rahmen unseres Behandlungsgebietes vor allem die Frage, inwieweit psychische Ursachen ästhetisch störende Hautsymptome entstehen lassen und andererseits, inwiefern diese Hautsymptome dann wiederum einen negativen Einfluss auf das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein eines Menschen ausüben können. Das heißt, wir fragen uns:
1 Welche grundlegenden kosmetischen Symptome sind möglicherweise psychogen verursacht?
2 Welche Ursachen können ihnen zugrunde liegen?
3 Wie sind sie im Rahmen der kosmetischen Praxis zu behandeln?
Psychogene Ursachen
Zunächst möchte ich die Fälle nennen, bei denen eine psychogene Ursache möglich ist und die in der Praxis tatsächlich auch häufig vorkommen:
1 Ein schubartiges, anfallartiges Auftreten von Hautunreinheiten.
2 Vorzeitig auftretende Alterserscheinungen der Haut.
3 Überempfindlichkeit, übersteigerte Reizreaktionen, Neigung zu Irritationen auf der Basis einer psychogen bedingten Disposition.
Akne-Anfall
Junge Menschen mit einem labilen Selbstwertgefühl reagieren oft in einer unbewusst psychischen Abwehr auf eine ungerechte Behandlung, auf Ärger oder eine Beleidigung mit einem spontan auftretenden Akneanfall. Häufig