Wahres weibliches Wesen
Was aber ist dieses „wahre weibliche Wesen“, früher und heute, dessen sich die moderne Frau bewusst geworden ist?
Das Mütterlich-Weibliche
Wenn wir uns dem eigentlichen Wesen der Frau von den Urgründen des Seins nähern wollen, so müssen wir zurückgehen auf die Urbilder, den Archetypus der Ur-Mutter oder der Großen Mutter. Dieses archetypische Bild findet seinen symbolhaften Ausdruck in den Mutterdarstellungen und Muttergöttinnen der verschiedensten Kulturen, früherer und heutiger Zeiten und Völker. Es beinhaltet bereits zwei Aspekte, zum einen das Gütige, Hegende, Tragende, Wachstum-, Fruchtbarkeit- und Nahrungsspendende, zum anderen aber das Geheimnisvolle, Verborgene, Finstere, Verschlingende und Angsterregende. Dies sind die beiden Gesichter der liebenden und zugleich dämonischen Ur-Mutter, des Urbildes der aus ihrem Schoße Gebärenden, allem Leben Schenkenden und im Tode wieder in sich Verschlingenden. In der Tiefenpsychologie nennt man diese Urform der Großen Mutter den Elementarcharakter des Weiblichen.
Elementarcharakter
Das Grundmotiv dieses Elementarcharakters ist, aus einer Überfülle Leben zu schenken, aus sich heraus zu gebären, Leben zu erhalten und ein am Ende wieder in sich Festhalten und Heimholen. Es ist ein schutzgebendes Wahren, Wärmen und Nähren, aber auch ein Behalten-, Nicht-mehr-hergeben-wollen.
Das Mädchenhaft-Frauliche
Bis in unsere Zeit herrschte allgemein die Vorstellung, dass allein Muttertum und Frauentum miteinander identisch seien und dass es darüber hinaus kein frauliches Charakterbild gäbe. In Wirklichkeit aber beinhaltet das weibliche Wesen schon seit der Antike zwei einander bedingende Pole: Das urtümlich mütterlich Weibliche und das mädchenhaft Frauliche. Den schönsten und besten Ausdruck für diese beiden weiblichen Wesensseiten finden wir in den griechischen Göttergestalten von Demeter und ihrer Tochter Persephone. Da die griechischen Göttergestalten zeitlose geistige Ideen darstellen, sind ihre Gestaltungen der Ausdruck innerer, seelischer Wirklichkeiten. Demeter ist die Mutter Erde, die Göttin der Fruchtbarkeit, Persephone aber erscheint in der Gestalt der Kore als mädchenhafte Gattin. So werden in diesen beiden Frauengestalten die beiden großen Pole des Weiblichen lebendig, Ur-Mutter und mädchenhafte Frau und Gattin.
Emanzipation
Erst im Zuge der Emanzipation erkannte die Frau mit steigendem Bewusstwerden ihrer Individualität, dass sie diesen mädchenhaften Teil ihrer eigenen weiblichen, seelischen und geistigen Entwicklungsmöglichkeiten hatte brach liegen lassen. Diese Wesensseite harrte noch der bewussten Erweckung. Erst im Typus der modernen mädchenhaften Frau und Partnerin des Mannes beginnt diese zweite Seite lebendig zu werden. Es vollzieht sich dabei eine innere Wandlung der Lebensauffassung, der Welteinstellung und vor allem der Begegnung mit dem Mann.
Wandlungscharakter
Darum nennt man in der Tiefenpsychologie diese Seite auch den Wandlungscharakter der Frau. Worin bestehen die Charakteristika dieses auferweckten weiblichen Wesens? Im Gegensatz zum Elementarcharakter ist es nicht konservativ, sondern dynamisch. Es fasziniert und provoziert, es will verändern, bewegen und wandeln, aber nicht nur unmittelbar sich selbst, durch sich selbst, sondern insbesondere in der Begegnung mit dem Mann. Er soll durch dieses Wesen und seine Faszination zur Tat angeregt und begeistert werden. Schönheit und Anmut sind daher seine dynamischen Attribute. Denn Anmut bedeutet anmuten, das heißt den Mut, das Gemüt anzusprechen, anzuregen und damit zum Wirken, zum Werk zu führen. Dieser Wandlungscharakter wirkt drängend und zur Entwicklung treibend; er bringt Bewegung und Unruhe. Diese Wesensseite des Weiblichen tritt mit zunehmender Differenzierung der Persönlichkeit und mit wachsendem Bewusstsein des eigenen Selbst mehr und mehr zutage.
Wagnis des selbsteigenen Lebens
In der Möglichkeit des Wagnisses, das eigene Leben selbst zu gestalten – mit oder gegen die Haltung und Einstellung der Mitwelt – liegt der heutige Aspekt der weiblichen Daseinsthematik über das Urtümliche-Biologische, über das Nur-Mütterlich-Weibliche hinaus. Daraus aber entspringt eine der Wurzeln der Krisis, dass die Frau gefühlsmäßig empfindet oder klar bewusst weiß, dass die Erfüllung des Urbildes der Großen Mutter ihr innerlich nicht mehr allein zu genügen und sie zu erfüllen vermag. Ihr schwebt ein Bild der eigenen Selbstverwirklichung vor, sie ist voller Sehnsucht nach einem selbstständigen Darleben ihres eigenen Ichs. In der Welt draußen, in der heutigen Um- und Mitwelt kann die Frau aber nicht den Weg zur Lösung ihrer menschlichen Krisis finden. Die Freiheit, die Selbstständigkeit und Emanzipation der Frau ist daher weder in einer Überwindung des Männlichen in ihr selbst, ihres animus, zu suchen, noch in einem Kampfe gegen den Mann außerhalb ihrer selbst.
Innere Einung
Der einzige mögliche Weg ist die Verbindung ihres Elementarcharakters mit ihrem Wandlungscharakter, ist die Vereinigung von urtümlich Mütterlich-Weiblichem mit Mädchenhaft-Fraulichem in ihr und an sich selbst. Das menschliche Ziel ist daher heute die aus den Kräften des Unbewussten, des Intuitiven schöpfende und dennoch sich selbst bewusste mädchenhafte Frau, die es wagt, ihre ganze Weiblichkeit aus innerstem Vertrauen heraus zu bejahen und darzuleben, in all ihrem Wesen, Wirken und Sein.
Leibliche Erscheinung und Selbstgefühl
Nichts aber offenbart die naturhafte Bestimmung der Frau mehr als die Erscheinung ihres Körpers. Die ganze Lebenssituation der Frau wird durch das Schicksal ihres Geschlechtes getragen und geprägt; durch ihren eigenen Körper ist sie in Verbindung mit der Natur und ihren Lebensprozessen, indem sie die Urphänomene des Daseins, Empfängnis, Schwangerschaft, Geburt und damit das Leben und auch den Tod näher und unmittelbarer erleben muss als der Mann. So ist die Frau in einem viel innigeren Sinne an ihre Leiblichkeit gebunden, so dass man von einem persönlichen, unmittelbar empfundenen und erlebbaren Verhältnis zu ihrem eigenen Körper sprechen kann. Die Frau identifiziert sich mit ihrem Körper und sie achtet ihren Leib wie ihr Selbst.
Schönheit als weiblicher Wesenssinn
Es ist daher Gesetz und Sinn fraulichen Lebens, sich nach der Schönheit des eigenen Körpers zu sehnen. Denn dies schenkt ebenso Erfüllung weiblichen Daseins, wie dem Manne das Gelingen eines schöpferischen Werkes. Schön zu sein und die Empfindung der Schönheit an sich selbst bewusst zu machen, darin liegt ein naturgegebener Schlüssel für die Erfüllung der heutigen Aufgabe, Elementarcharakter und Wandlungscharakter in der individuellen Persönlichkeit zu vereinen. Denn allein aus der Harmonie ihrer Persönlichkeit wird die Frau Trägerin und Interpretin der Schönheit und nur sie vermag es zu werden. Schönheit des eigenen Ichs ist somit ein so vollkommenes Attribut weiblichen Wesens, dass ihre Empfindung und Pflege einer der zur Selbstverwirklichung naturgegebenen Wege der heutigen, mitten im Leben und Daseinskampf stehenden Frau sein kann.
Sinnerfüllung durch Kosmetik
Aus der weiblichen Identifikation von Leib und Ich bedeutet eine Pflege des Körpers zugleich eine Pflege, ein Sichbefassen, ein Sichbetreuenlassen des ganzen persönlichen individuellen Ichs. Kosmetik meint und fördert daher eine