Der leise Ruf des Schmetterlings. Hardy Krüger jr.. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hardy Krüger jr.
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783906872711
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David! Wenn du weißt, was ich meine«, dabei zwinkerte er.

      Danielle gehörte zu den Italienern, die nicht nur mehr redeten als alle anderen, die David kannte. Danielle sprach sogar noch schneller als alle anderen. Vor allem hatte David keine Chance zu antworten. Es war unmöglich. David versuchte es zwar, aber bevor er auch nur einen Ton von sich geben konnte, hatte Danielle David gepackt und in ein kleines Auto gezwängt, zusammen mit vier Leuten, die er nicht kannte. Das ist nichts Ungewöhnliches in Rom.

      Sie rasten durch die kleinen Straßen. Die Musik dröhnte aus der Anlage des »Topolino«. So nannte man den Fiat 500 in alten Zeiten. Alle sangen mit und bei jeder Kurve saß das Mädchen links neben David auf seinem Schoß und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Die Fahrt dauerte nicht lange, so wie Danielle fuhr. Sie hätte ruhig noch ein wenig länger dauern können, wenn es nach David gegangen wäre. Bevor sie ausstiegen, drehte sich Danielle zu ihm um und lachte: »Denk dir nichts dabei, David, Stella verliebt sich jede Sekunde neu!« »Ach ja«, sagte der und schaute Stella an. Sie war wirklich sehr hübsch. Nun ja, jetzt kannte er zumindest ihren Namen. Man sagte, die Gegenwart dauere gerade einmal drei Sekunden. Stella lebte also immer im Hier und Jetzt. Großartig! Vielleicht hatte das auch mit ihrem Namen zu tun. Stella heißt übersetzt Stern. Bevor sie ausstiegen, schenkte sie David noch ein süßes Lächeln, das sie sicher in diesem Moment schon wieder vergessen hatte. Es lag ja bereits in der Vergangenheit.

      Manuelles neues Haus lag in einem schönen Viertel Roms, Ponte Milvio. David hatte Manuelle bei seinem letzten Aufenthalt hier in Rom kennengelernt. Er war damals noch sehr jung und versuchte gerade, im Filmgeschäft Fuß zu fassen. Damals war er Fahrer und fuhr Schauspieler an die Drehorte. Heute war er selbst Produzent. ›Er hat etwas aus seinen Träumen gemacht‹, dachte David, als er vor diesem wirklich schönen Haus stand. David freute sich für ihn. Er hatte ihm damals gesagt: »Es macht mich sehr glücklich, wenn ich sehe, dass Menschen an ihren Träumen festhalten und sich nicht von ihrem Weg abbringen lassen.« Manuelles Weg war nicht leicht. Nicht weil die Industrie im Allgemeinen eine sehr schwierige war. Die Steine, die auf seinem Weg lagen, waren für eine zarte Seele wie Manuelle sehr schwer und groß. David konnte sich noch an viele Gespräche erinnern und an Manuelles Zweifel und Ängste.

      Er war Manuelle in einer Zeit begegnet, als der spürte, dass er sich eher zu Männern hingezogen fühlte als zu Frauen. David war der Erste, dem er es anvertraut hatte. Damals konnte er mit dem Gefühl noch nichts anfangen, dazu misstraute er seinen Emotionen viel zu sehr. Die Ängste und Gedanken, die er hatte, waren noch viel zu verwirrend für ihn. Er hatte vor allem Angst davor, was die Freunde von ihm denken könnten. Vielleicht würde er sogar seinen Job verlieren.

      David hatte ihm damals gesagt, dass die Antwort in ihm läge und er auf das hören solle, was er instinktiv fühle. »Folge deiner Intuition und sie wird dich dort hinbringen, wo du glücklich sein wirst. Wenn du deiner Intuition folgst, dann wirst du nie einen Fehler machen. In den Augen anderer vielleicht, aber du lebst nicht das Leben anderer, sondern dein eigenes. All das, was du in deinem Leben gelebt hast, also jede Erkenntnis, jeder Fehler, jeder Erfolg, jede Idee, die du gedacht hast, und jede Lösung ist das, was Intuition für dich bedeutet. Das Leben ist bereits in dir und somit auch die Antwort. Viele Menschen entscheiden Dinge rational. Doch Rationalität erzeugt Distanz. Distanz zu dir selbst. So kannst du aber keine Entscheidungen treffen. Die Logik der anderen Menschen kann deine Fragen nicht beantworten, weil sie für dich nicht zutreffen. Nur du kennst die Antwort. Ich kann dir die Antwort nicht geben, nur einen Rat als Freund: Höre auf deine Intuition.

      Den Weg der Ehrlichkeit zu gehen, erfordert Mut und viel Kraft. Dieser Weg ist nicht leicht, denn du wirst sehen, wie wenig Menschen in deinem Umfeld mit Ehrlichkeit umgehen können. Du wirst Dinge hören, die wehtun und eigentlich keine Berechtigung haben, denn deine Ehrlichkeit wird bei manchen Menschen Wut erzeugen, Missgunst und Unverständnis. Doch das sind keine wirklichen Freunde oder Menschen, die ohne eine Lüge leben können. Wenn man anfängt, seiner Intuition zu folgen und nur das zuzulassen, was die innere Stimme einem sagt und danach lebt, so wird man absurderweise oft als Egomane beschimpft. Er ist ein verdammter Egoist, werden sie sagen. Ich kann dir nur sagen: Sei lieber ein glücklicher Egoist als ein unglücklicher, von allen gemochter Idiot.

      Die Menschen, die sich von dir abwenden, hätten sich früher oder später auch wegen anderen Dingen von dir getrennt. Das sind nicht die wahren Freunde, auf die man zählen kann. Die wahren Freunde werden eher großen Respekt vor dem haben, wenn du bereit bist, dazu zu stehen und dich zu outen. Das wird auch deine Seele befreien. Es ist dein Leben. Lebe es! Mit allen Konsequenzen.« David erinnerte sich, dass das die letzten Worte waren, die er Manuelle mit auf den Weg gab, als er damals Rom verließ. Das war nun zwölf Jahre her. ›Eine ganz schön lange Zeit‹, dachte er. Damals fuhr Manuelle noch eine weiße Vespa und lebte in einem kleinen Appartement, das er sich kaum leisten konnte. Heute lebte er in einem schönen Haus mit Garten. Das war sein Traum!

      Da hörte er eine Stimme rufen: »David! Non è possibile!« Manuelle rannte in seine Arme. »Ich kann es nicht glauben, dass du hier bist. Gerade heute habe ich von dir gesprochen. Ich sagte zu Steve, meinem Freund: ›Schade, dass David nicht hier sein kann.‹ Und da bist du! Das ist verrückt.«

      »Ich schätze, das ist Rom«, sagte David spontan. »Komm rein, ich muss dir Steve vorstellen.« »Du bist also meinem Rat gefolgt?«, fragte David. Er blieb stehen und schaute Manuelle in die Augen. »David, ich danke dir für deinen Rat und all die Gespräche, die wir hatten. Schau, was aus all dem geworden ist. Du hattest recht! Lebe dein Leben mit allen Konsequenzen! Aber jetzt komm.« Er zerrte David mit ins Haus. »Wow, das Haus ist wirklich schön«, sagte der. Manuelle packte David an der Hand und zog ihn durch die tanzenden Gäste im Wohnzimmer hinaus in den Garten. Da saß Steve mit ein paar Leuten an einem Gartentisch, mit Stella, die natürlich auf dem Schoß eines anderen saß.

      »Steve, ich muss dir jemanden vorstellen. Du wirst es nicht glauben. Weißt du noch, dass wir heute davon gesprochen haben, wie schade es ist, dass David heute nicht mit uns feiern kann. Und hier ist er! David, darf ich dir Steve vorstellen!« Steve schaute David in die Augen, nickte lächelnd. »I guess, this is Rome«, lachte er und umarmte David. »Welcome to our new home.« Es war eine unglaubliche Begegnung nach so vielen Jahren. Sie saßen da und lachten, philosophierten und erzählten sich Geschichten aus der Zeit vor zwölf Jahren. Es dauerte nicht lange, da saß Stella wieder auf Davids Schoß.

      Für einen kurzen Augenblick verfiel er in eine seltsame Melancholie. Eine Sehnsucht nach Nähe packte ihn. Er dachte wieder an sie. An seine große Liebe und wie unbeschreiblich glücklich er gewesen war. Das Gefühl, jemanden im Arm zu halten, die Wärme zu spüren, versetzte ihn in einen Moment des Glücks. Unmerklich für die anderen sicher, denn dieses Gefühl kam aus seinem Inneren. Lange hatte er dieses Gefühl nicht mehr gehabt. Jetzt sah er sie wieder vor sich. Wie schön sie war und wie sie ihn zum Lachen brachte. Er erinnerte sich, wie er an seinem Schreibtisch saß und schrieb, während sie im Bett lag und schlief. David erinnerte sich daran, dass ihm die Tränen gekommen waren, weil er so glücklich gewesen war, als er ihr beim Schlafen zusah. Es kam ihm jetzt so vor, als wäre es ein anderes Leben gewesen. ›Wo sie wohl ist?‹, fragte er sich.

      Die Nacht war typisch für Rom. Man wusste nie, was passieren würde. David spürte eine gewisse Wehmut in sich. Er wusste nicht, was sie zu bedeuten hatte. Kam sie, weil er spürte, dass er Rom in naher Zukunft wieder verlassen musste, oder weil das Gefühl von Glückseligkeit oft mit einer Spur von Wehmut verbunden ist, denn auch diese ist nicht von Dauer.

      »Hast du deine alte Vespa noch?«, fragte David seinen Freund Manuelle. »Na klar. Die steht in der Garage. Ist ja jetzt schon fast ein Youngtimer. Was hältst du davon, wenn wir zur Piazza fahren?« »Was ist mit deinen Gästen?«, fragte David. »Die merken gar nicht, wenn wir weg sind. Steve passt auf Stella auf. Steve lachte: »I don’t move, in three seconds, she is sitting on me anyway!« Es dauerte nicht mal eine Sekunde. Also setzten sie sich auf die Vespa und fuhren durch die Straßen Roms. Für David war es wie in alten Zeiten. Damals fuhr er, Alessia saß hinten drauf und schmiegte sich an ihn.

      Wenn David damals nachts nicht schlafen konnte, weil die Stimmen in seinem Kopf zu laut waren, dann setzte er sich auf sein Motorrad und fuhr durch die leeren Straßen. Es dauerte nicht lange, da hörten die Stimmen auf