In keinem Fall dürfen Sicherheitszuschläge strafrechtlich vorgeworfen werden, obgleich sie steuerrechtlich zulässig sind. Mit Blick auf die Anforderungen der Rspr. an verurteilende Entscheidungen müssen Schätzungen der BP im Steuerstrafverfahren besonders überprüft und oftmals mit Abschlägen überarbeitet werden (vgl. Nr. 127 Abs. 2 S. 4 AStBV). Denn letztendlich muss es dem Gericht ermöglicht werden, neben der Steuerpflicht und den sonstigen Tatbestandsmerkmalen des Steuerdelikts, sowohl die Summe der vorsätzlich verkürzten Steuern so genau wie möglich festzustellen als auch den Berechnungsweg in einem Urteil revisionssicher darlegen zu können.[9] Dies ist auch für den Fall, dass der Angeklagte den Vorwurf einer Steuerhinterziehung dem Grunde und der Höhe nach vollständig einräumt.[10]
Trotz der Parallelität des Besteuerungs- und Strafverfahren stehen beide in einer gewissen Abhängigkeit zueinander. I.d.R. wird die FinB das Steuerstrafverfahren erst abschließen, wenn das Besteuerungs- bzw. Veranlagungsfinanzamt aufgrund des vorliegenden Betriebsprüfungs- oder Steuerberichts Änderungsbescheide erlassen und bekannt gegeben hat. Ab diesem Zeitpunkt wendet sich erfahrungsgemäß der Blick des Veranlagungsfinanzamtes nach einem Einspruch gegen die Änderungsbescheide i.d.R. wieder dem Strafverfahren zu, sofern es nicht um die Festsetzung der Steuer dem Grunde nach geht. Im Strafverfahren wird eine rechtskräftige Entscheidung – von Ausnahmen abgesehen – erfahrungsgemäß früher zu erzielen sein als im finanzgerichtlichen Verfahren.
Anmerkungen
Franzen/Gast/Joecks § 393 Rn. 6.
BFH 19.1.2006 – VIII B 114/05.
BGH NStZ 2016, 728; BGH 1 StR 505/16 bei juris.
Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 393 Rn. 68; Teske wistra 1988, 207, 214; Franzen/Gast/Joecks § 393 Rn. 36.
Die Richtsatzsammlung ist für das jeweilige Kalenderjahr auf der Internetseite www.bundesfinanzministerium.de abrufbar.
BGH NStZ 2016, 728.
BGH NStZ 2014, 337.
BGH NStZ 2016, 728.
BGH wistra 2006, 66 f.; BGH wistra 1986, 23.
BGH wistra 2017, 445
4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › VII. Besonderheiten bei Steuerstrafverfahren › 2. Durchsichtsrecht der Papiere
2. Durchsichtsrecht der Papiere
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Durch die Vorschrift des § 404 S. 2 2. Alt. AO i.V.m. § 110 Abs. 1 StPO erhält die Steuerfahndungsstelle das Recht auf Durchsicht der Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen (vgl. Nr. 69 Abs. 1 AStBV). Dieses Sonderrecht erhielt die Steuerfahndungsstelle erstmalig durch das 1. Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts (StVRG) vom 9.12.1974.[1] Hintergrund war, den besonderen Sachverstand der Steuerfahndung zur effektiven Bekämpfung der Steuerkriminalität optimal nutzbar zu machen.[2] Für die Durchsichtsbefugnis ist es gleichgültig, ob die FinB selbst oder die StA die Verfahrensherrschaft hat. Die Befugnis der Steuerfahndung geht damit über die Befugnis der FinB im staatsanwaltschaftlichen Verfahren hinaus. Da das Gesetz die Befugnis der Durchsicht lediglich der Steuerfahndungsstelle einräumt, wird dem einzelnen Beamten die Ausübung des Rechts durch Auftrag übertragen.[3] In der Praxis findet sich diese Übertragung in Form eines Vermerks auf der Rückseite des Dienstausweises. Das Durchsichtsrecht erstreckt sich nicht nur auf die sichergestellten Geschäftspapiere wie z.B. Bilanzen, Buchführungsunterlagen, Belege, Quittungen und Grundaufzeichnungen, sondern auch auf Briefe, Fotos, Kalender sowie private Aufzeichnungen u.Ä. Auch verschlossene Briefe dürfen geöffnet und gelesen werden, soweit dies für den Untersuchungszweck erforderlich erscheint (vgl. Nr. 69 Abs. 1 AStBV). Voraussetzung ist, dass sich sämtliche der Durchsicht zugänglichen Gegenstände im Gewahrsam des von der Durchsuchung Betroffenen befinden. Auf das Eigentum kommt es nicht an.[4] Private Unterlagen und Papiere, wie z.B. Tagebücher oder Briefe, dürfen nur insoweit durchgesehen werden, als sie Aufschluss über den Tatvorwurf der Steuerhinterziehung geben können.[5] § 110 Abs. 3 StPO ermächtigt die Steuerfahndung auch zur Durchsicht elektronischer Speichermedien (PC, Notebooks, USB-Sticks, Tonträger, Filme etc). Auf räumlich getrennte Speichermedien darf jedoch nur zugegriffen werden, wenn der Verlust der gesuchten Dateien zu besorgen ist. Die Durchsicht dient der Feststellung, ob einem Papier bzw. einer elektronischen Datei Beweisbedeutung zukommt. Ist dies der Fall, wird hinsichtlich des in Betracht kommenden konkreten Gegenstandes eine Beschlagnahmeanordnung beim zuständigen Ermittlungsrichter erfolgen. Im Übrigen sind die vorläufig sichergestellten Gegenstände zurückzugeben. Solange die Durchsicht der sichergestellten Papiere und elektronischen Speichermedien nicht beendet ist, ist auch die Durchsuchung nicht beendet. Das BVerfG hat in einem Beschluss vom 30.1.2002 klargestellt, dass eine zeitliche Grenze, vergleichbar