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Weder im nationalen noch im europäischen Recht dürfen die Anteilsschwellen losgelöst von der allgemeinen Marktstruktur gesehen werden. So spielt bei der Untersuchung der Marktstellung eines Unternehmens neben dem absoluten Marktanteil, immer auch der relative Marktanteil eine entscheidende Rolle. Dabei ergibt sich die relative Größe des Marktanteils aus dem Abstand des betreffenden Unternehmens zu den übrigen auf dem relevanten Markt tätigen Unternehmen.[51] Insbesondere sind auch Stärke und Zahl der Wettbewerber auf dem Markt sowie die Verteilung der Marktanteile zwischen den übrigen Wettbewerbern zu berücksichtigen.[52] In diesem Zusammenhang kann entscheidend sein, wie der auf die übrigen Marktteilnehmer entfallende Marktanteil zersplittert ist. Auf dieser Grundlage kann auch einem Unternehmen mit geringeren Marktanteilen durchaus eine marktbeherrschende Stellung zukommen, wenn eine starke Zersplitterung der übrigen Marktteilnehmer mit nur sehr geringen Marktanteilen gegeben ist. Bei der Marktanteilsbestimmung muss die Entwicklung über einen längeren Zeitraum berücksichtigt werden.[53]
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Neben dem Kriterium des Marktanteils werden auch weitere Kriterien bei der Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung einbezogen. Dafür hat der Gesetzgeber in § 18 Abs. 3 GWB versucht, durch eine beispielhafte Aufzählung von unterschiedlichen Merkmalen die überragende Marktstellung zu umreißen. Zu diesen Merkmalen zählen neben dem Marktanteil die Finanzkraft, der Zugang zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten, die Verflechtung mit anderen Unternehmen sowie rechtliche oder tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen, der tatsächliche oder potenzielle Wettbewerb, die Fähigkeit, sein Angebot oder seine Nachfrage auf andere Waren oder gewerbliche Leistungen umzustellen, sowie die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen.[54]
b) Kollektive Marktbeherrschung
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Sowohl das nationale Kartellrecht (§ 18 Abs. 5 GWB) als auch das EU-Kartellrecht (Art. 102 AEUV) kennt neben der Einzelmarktbeherrschung die kollektive Marktbeherrschung durch mehrere Unternehmen. Dafür ist Voraussetzung, dass zwei oder mehr Unternehmen gemeinsam eine marktbeherrschende Stellung einnehmen und zwischen ihnen tatsächlich kein wesentlicher Wettbewerb besteht. In einem ersten Schritt ist dafür zu ermitteln, ob die betreffenden Unternehmen zusammen gegenüber den anderen Marktteilnehmern auf einem bestimmten Markt eine kollektive Einheit bilden. Das ist dann der Fall, wenn es zwischen den Unternehmen „wirtschaftliche Bindungen gibt, die es ihnen erlauben, gemeinsam unabhängig von ihren Konkurrenten, ihren Abnehmern und den Verbrauchern zu handeln“.[55] In einem zweiten Schritt ist dann anhand der üblichen Kriterien zu prüfen, ob die Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung innehaben.[56]
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Fälle, in denen mehreren Unternehmen eine solche Stellung zukommt, sind unter anderem beteiligte Unternehmen, die durch ein Kartell verbunden sind,[57] sowie solche in einem Oligopolverhältnis. Dabei wird letztlich jedes Unternehmen, das dem marktbeherrschenden Oligopol angehört, als alleiniger Marktbeherrscher eingestuft bzw. als solcher behandelt.[58] Nicht ausreichend zur Annahme einer oligopolistischen Marktbeherrschung ist hingegen, dass mehrere Unternehmen auf einem Markt nebeneinander und mit der Möglichkeit unabhängiger Verhaltensweisen tätig sind, ohne in wirtschaftlicher Hinsicht gemeinsam als Kollektiv aufzutreten oder zu handeln.[59]
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Trotz der rechtlichen Normierung wird die deutsche Rechtsprechung zunehmend durch die Oligopol-Rechtsprechung der europäischen Rechtsprechung beeinflusst.[60] Für die Annahme eines Oligopols i.S.d. Rechtsprechung muss eine hinreichende Markttransparenz bestehen und eine hohe Reaktionsverbundenheit muss sicherstellen, dass abweichendes Verhalten sanktioniert wird. Diese beiden Voraussetzungen müssen letztlich dazu führen, dass kein nennenswerter Wettbewerb – sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis – stattfindet.[61] Für die Feststellung müssen die Kriterien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gesehen werden. Sie können je nach Marktbedingungen unterschiedliches Gewicht haben. Insbesondere soll es nicht zu einer schematischen Durchprüfung kommen.[62]
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Während im europäischen Recht zur Bestimmung einer kollektiven marktbeherrschenden Stellung mangels gesetzlicher Marktbeherrschungsvermutungen sehr einzelfallspezifisch vorgegangen wird, kann im nationalen Recht auf die Vermutungsregelungen des § 18 Abs. 6 und 7 GWB zurückgegriffen werden. Danach ist Voraussetzung für die Vermutung einer kollektiven Marktbeherrschung ein Marktanteil von zusammen 50 % (bei zwei oder drei Unternehmen) bzw. zwei Dritteln (bei vier oder fünf Unternehmen).[63] Anders als die Vermutungsregelungen für einzelmarktbeherrschende Unternehmen ist die Vermutungsregelung für Oligopol-Marktbeherrschungen als echte Beweislastumkehr ausgestaltet. Diese Rechtsnatur – die gleichermaßen in Verwaltungs- und Kartellzivilverfahren gilt – führt dazu, dass die Unternehmen bereits dann als marktbeherrschend gelten, wenn sie nicht den Widerlegungstatbestand des § 18 Abs. 7 GWB nachweisen. Dabei tragen die beteiligten Unternehmen die volle formelle und materielle Beweislast. Eine Vermutung aufgrund von Marktanteilen kann durch den Nachweis des strukturell gesicherten Fortbestands wesentlichen Wettbewerbs im Innenverhältnis (Nr. 1) oder des Fehlens einer überragenden Marktstellung im Außenverhältnis (Nr. 2) widerlegt werden. Dies führt allerdings nicht dazu, dass das Bundeskartellamt etwa von seiner Aufklärungs- und Ermittlungspflicht vollständig befreit wäre. So haben die beteiligten Unternehmen insbesondere nur die zur Widerlegung geeigneten Tatsachen vorzutragen, soweit sie ihnen zugänglich sind und demnach keine Umstände, von denen sie keine genaue Kenntnis haben können. Im Bußgeldverfahren gilt die Vermutung nicht.[64]
c) Erweiterung auf Unternehmen nach § 19 Abs. 3 GWB im nationalen Recht
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Im nationalen Kartellrecht bestimmt § 19 Abs. 3 GWB, dass die Missbrauchstatbestände der § 19 Abs. 2 Nr. 1 (Behinderungs- und Diskriminierungsverbot) auch für bestimmte Vereinigungen von Unternehmen bzw. Unternehmen gelten. Gemeint sind damit zum einen die sog. „legalisierten Kartelle“ i.S.d. § 19 Abs. 3 S. 1 GWB (für diese gilt zusätzlich auch das Anzapfverbot des § 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB) sowie Unternehmen, die i.S.d. § 19 Abs. 3 S. 2 GWB zulässig Preise binden. Hintergrund dieser Ausnahmevorschrift ist die Überlegung des Gesetzgebers, dass die Freistellung der Kartellvereinbarung und die Zulassung der Preisbindung den beteiligten Unternehmen zusätzliche Macht verleihen, die dann auch Beschränkungen dieser Art rechtfertigen.[65] Damit wird im Wesentlichen die Rechtslage vor Neuordnung der §§ 18 ff. GWB durch die 8. GWB-Novelle fortgeführt, die im bisherigen § 20 Abs. 1 a.F. diese beiden Kategorien neben den marktbeherrschenden Unternehmen als Normadressaten stellte. Allerdings wurde in diesem Zusammenhang der Anwendungsbereich des § 19 Abs. 3 GWB gegenüber § 20 Abs. 1 GWB a.F. insoweit erweitert, als nunmehr neu im GWB geregelte Fälle der zugelassenen Kartelle und Preisbindung aufgenommen wurden (Branchenvereinbarungen für den Vertrieb preisgebundener Presseerzeugnisse nach § 30 Abs. 2a GWB sowie Kartellvereinbarungen in der Wasserwirtschaft nach § 31 GWB).[66] Eine vergleichbare Regelung kennt das EU-Kartellrecht nicht.
d) Marktbeherrschung auf mehrseitigen Märkten und in Netzwerken
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Wurde ein mehrseitiger Markt definiert, stellt sich im zweiten Schritt das Problem der Feststellung von Marktmacht. Allerdings sind die klassischen Marktmachtkriterien nicht vollumfänglich dazu geeignet, die Marktmacht der Unternehmen der digitalen Wirtschaft zu analysieren. Zum Beispiel kann das Kriterium der Reaktion auf Preiserhöhungen auf Märkten, auf denen Leistungen unentgeltlich angeboten werden, keine Anwendung finden. Auch wird man beim Vorliegen unentgeltlicher Leistungen die Marktmacht eines Unternehmens nicht anhand von umsatzbezogenen Marktanteilen beurteilen können. Hier können alternative Maßstäbe wie beispielsweise die Kundenzahl herangezogen werden.[67]
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