Das Verhältnis zwischen der VernunftVernunft und dem Glauben oder der Philosophie und der ReligionReligion hat darüber hinaus noch andere wesentliche Merkmale. Damit ist in erster Linie auf die Gegenstände Bezug genommen, die zugleich KorrelateKorrelateobjektive des Glaubens wie der rationalen ErkenntnisErkenntnis sind, bei denen die philosophische Erkenntnis die Wahrheitsansprüche des Glaubens stützen kann. Dann aber zeichnet sich das Verhältnis zwischen Vernunft und GlaubeGlaube auch dadurch aus, dass die Religion die philosophischen Grundwahrheiten voraussetzt. Etwa die Verschiedenheit von Körper und GeistGeist, die menschliche FreiheitFreiheit, die Verschiedenheit von gut und böse oder die Realität des personalen im Unterschied zum apersonalen Sein usw. Die religiösen Wahrheiten liegen dabei aber nicht abseits der philosophischen Grundwahrheiten, sondern über ihnen.6 Ein erhellendes Beispiel dafür ist etwa die Würde des Menschen, die zweifelsohne ein Gegenstand philosophischen Forschens ist, die durch den Glauben an die Menschwerdung Gottes aber in einer ganz anderen TiefeTiefe durchdacht werden kann. Auch die darin gründenden Sachverhalte erscheinen dann in einer wesentlich gesteigerten IntelligibilitätIntelligibilität, als wenn der MenschMensch als ein höher entwickeltes Tier postuliert wird. Das erklärt zumindest ansatzweise, warum und inwiefern von HildebrandHildebrandDietrich von die Philosophie eine Wegbereiterin der Religion (praeambulum fidei) nennt.7 Weil der Glaube auf den philosophischen Grundwahrheiten aufbaut und sie durch die ZustimmungZustimmung zu einer religiösen WahrheitWahrheit übersteigt.8
Doch muss beim Vergleich einer vernünftigen ErkenntnisErkenntnis mit einem Akt des Glaubens eine klärende Unterscheidung gemacht werden: „Es schliesst keine ‚doppelte WahrheitWahrheit‘ ein, sondern ist von entscheidender Bedeutung innerhalb des Glaubens. Es ist der Unterschied zwischen GlaubeGlaube an, und Glaube dass, der u.a. von Martin BuberBuberMartin und Gabriel MarcelMarcelGabriel gemacht wurde.“9 Aber nicht als ob BuberBuberMartin und MarcelMarcelGabriel die ersten gewesen wären, die diesen Unterschied machten, vielmehr – worauf von HildebrandHildebrandDietrich von aufmerksam macht10 – ist schon bei AugustinusAugustinus vom Unterschied zwischen credere in Deum und credere Deo zu lesen.11 Jedenfalls ist der Glaube an, der Glaube an den persönlichen GottGott. „Dieser Akt ist nicht eine Überzeugung, sondern eine spezifische Hingabe an eine PersonPerson. Ja, noch mehr, es muss die Hingabe an die absolute Person sein“12. Der Glaube an ist jedenfalls keine theoretische AntwortAntworttheoretische, wie z.B. der Glaube an die ExistenzExistenz des expandierenden Universums. Im Unterschied zu einem Glauben, der sich auf einen SachverhaltSachverhalt bezieht, ist der Glaube an „ein allumfassender Akt“13. Was aber meint: ein allumfassender Akt? Damit ist der religiöse Akt als solcher bezeichnet, d.h. der „Akt, in dem die Person Gott nachfolgt, ihm anhängt, sich selbst mit VerstandVerstand, Wille und Herz an die absolute Person Gottes hingibt“14.
Der GlaubeGlaube dass ist dagegen eine ausgesprochen theoretische AntwortAntworttheoretische. Seine Gegenstände sind Sachverhalte und nur Sachverhalte, nicht aber Personen. Mit der theoretischen AntwortAntworttheoretische des Glaubens dass verhält es sich im Grunde wie mit der theoretischen AntwortAntworttheoretische der ErkenntnisErkenntnis, dass … z.B. dass die menschliche PersonPerson eine EinheitEinheit aus Materiellem und Geistigem, aus Kontingentem und Notwendigem ist. Doch während bei der Erkenntnis, gerade im Falle eines in einer wesensnotwendigen Einheit gründenden Sachverhalts, das objektive Korrelat selbst mit absoluter GewissheitGewissheit erkannt werden kann, ohne BedürfnisBedürfnis nach weiteren Gewissheitskriterien, ist im Falle des Glaubens die eine AntwortAntworttheoretische gleichsam die Stütze der anderen. Oder mit den Worten von Hildebrands: „Der Glaube an ist gerade die Grundlage für den Glauben dass.“15 Sie sind so miteinander verwoben, dass jeder MenschMensch, der einen Glauben an hat, immer auch einen Glauben dass haben wird.16 Die Untersuchung der religionskritischen TheseThese Wittgensteins, dass die religiösen Aussagen UnsinnUnsinn, weil ohne wirklichen Gegenstand seien, auf den die Aussagen sich bezögen, sei mit einem Ausschnitt aus einem Werk beschlossen, das von Hildebrands letztem Lebensjahrzehnt entstammt:
Jedem Glauben an entspricht also nicht nur ein GlaubeGlaube dass, der sich auf die von GottGott geoffenbarten Wahrheiten bezieht, sondern auch ein anderer, der sich auf die PersonPerson selbst bezieht, an die wir glauben. Wenn wir z.B. schöne Musik hören und tief davon bewegt sind, so ist unser Erlebnis sicher nicht ein UrteilUrteil, dass diese Musik schön ist. Es ist vielmehr der direkte Kontakt mit der SchönheitSchönheit der Musik, ein Ergriffensein von ihr und eine AntwortAntworttheoretische der Begeisterung. Aber ohne jeden ZweifelZweifel halten wir dabei das Urteil ‚diese Musik ist schön‘ implizit für wahr. Das ist nur ein schwacher Vergleich, aber er mag genügen um zu zeigen, in welcher Weise jeder Glaube an implizit einen Glauben einschliesst, dass der Gegenstand unseres Glaubens, die Person, an die wir glauben, existiert und dass sie in allem so ist, dass ihr der Glaube an gebührt.17
5.3 Richard DawkinsDawkinsRichard und der „Neue Atheismus“
5.3.1 Thesen und BegründungBegründung
Vor dem Hintergrund des Aufweises der Erkennbarkeit Gottes und der Widerlegung der Thesen Ludwig Wittgensteins sei der Stimme von Richard DawkinsDawkinsRichard (1941-) Gehör geschenkt, der sich mit seiner im Jahre 2006 erstmals im englischen Original erschienen Monografie The God Delusion (Der Gotteswahn) gegen die theistischen Religionen und insbesondere gegen die drei abrahamitischen Religionen gewandt hat. Sein Buch gilt seither als einer der Haupttexte des „Neuen Atheismus“. DawkinsDawkinsRichard’ zentrale TheseThese, die im Rahmen dieser Untersuchung relevant ist, lautet, dass die ReligionReligion „ein unglückliches Nebenprodukt einer grundlegenden psychologischen Neigung“ sei, „die unter anderen Umständen nützlich sein kann oder früher einmal nützlich war“.1 Wie aber begründet er diese Behauptung, die der auf den vergangenen Seiten dargelegten und philosophisch wohlbegründeten Lehre diametral entgegengesetzt ist?
DawkinsDawkinsRichard Schrift ist in zehn Kapitel gegliedert, von denen in diesem Abschnitt die Kapitel drei bis sieben thematisiert werden. Im dritten Kapitel beschäftigt er sich unter anderem mit den klassischen Argumenten für die ExistenzExistenz Gottes, und kritisiert an den bekannten fünf Wegen des Thomas von AquinThomas von Aquin, „dass GottGott selbst gegen die Regression immun ist“2. Dabei geht es ihm um die in die unendliche Regression verlaufende Frage nach dem Ursprung Gottes, nach dem Gestalter des Gestalters. „Die Lösung ‚Gott‘ beendet also nicht die unendliche Regression, sondern verstärkt sie ganz gewaltig.“3 Das ontologische ArgumentArgument bezeichnet er sodann als das „kindische Argument“, aus dem „aus trickreichen Wortverdrehungen grossartige Schlussfolgerungen hervorgehen sollen“.4 Er bekundet „ein automatisches, tiefes Misstrauen gegenüber jedem Gedankengang, der zu einer derart bedeutsamen SchlussfolgerungSchlussfolgerung gelangt, ohne dass auch nur eine einzige ErkenntnisErkenntnis aus der WirklichkeitWirklichkeit dazu beigetragen hätte“5. Vielleicht, wie er eingestehen muss, „zeigt das einfach nur, dass ich kein Philosoph bin, sondern NaturwissenschaftlerNaturwissenschaftler“6, womit er gerade da positioniert ist, wo auch GauniloGaunilo stand. Hatte DawkinsDawkinsRichard die Argumente des Thomas von Aquin immerhin noch dahingehend kritisieren können, dass doch auch Gott einer AntwortAntworttheoretische auf das Woher bedarf, so bringt er keinerlei Verständnis mehr auf dafür, dass „Existenz […] ein Zeichen für VollkommenheitVollkommenheit“7 ist.
Auch weiss er mit der EinfachheitEinfachheit Gottes nichts anzufangen. „Ein GottGott, der