Doch im Grossen und Ganzen ist es um den ForschungsstandForschungsstand in Bezug auf die ReligionsphilosophieReligionsphilosophie bei Dietrich von HildebrandHildebrandDietrich von schlecht bestellt. Was sich etwa an der fehlenden Auseinandersetzung mit der Erkennbarkeit des Wesens Gottes vor dem Hintergrund der ErkenntnistheorieErkenntnistheorie von Hildebrands und dem fehlenden Vergleich mit dem Zugang anderer Philosophen zeigt. Ausstehend ist auch eine unterscheidende Inblicknahme der gegenwärtig gleichsam in der Luft liegenden Kritiken an der ReligionReligion im Lichte der philosophischen Beiträge von Hildebrands. Zur Behebung dieser und weiterer Mängel will die vorliegende Untersuchung einen Beitrag leisten. Aufgrund des Fehlens umfassender oder auch nur einer gewissen Anzahl an Studien zur Religionsphilosophie bei Dietrich von HildebrandHildebrandDietrich von, ist das Forschen in dieser Untersuchung grösstenteils auf die Beschäftigung mit den Quellen verwiesen.
9 Zusammenfassung
Durch den mit Francis BaconBaconFrancis anhebenden Paradigmenwechsel von einem Selbstzweck des Wissens zu einem Mittel zum ZweckZweck, und zwar einem Zweck, der in der Beherrschung der quantifizierbaren NaturNatur liegt, geriet die menschliche ExistenzExistenz in eine Schieflage. Im Rahmen einer immanenten WeltanschauungWeltanschauung und einer wissenschaftlichen MethodeMethode, in der der MenschMensch auf ein Konglomerat von berechenbaren Teilen reduziert wurde, gerieten viele Menschen in eine LebenskriseLebenskrise. Nachfolgend hat sich in empirischen Studien wiederholt gezeigt, dass das eigene Dasein häufig als sinnlossinnlos empfunden wird. Beim Versuch, dieses existentielle Problem zu lösen, sind sowohl HusserlHusserlEdmund als auch MaslowMaslowAbraham und vor allem FranklFranklViktor E. darauf aufmerksam geworden, dass die immanentistische Grenze durch die TranszendenzTranszendenz des eigenen Selbst überstiegen werden muss. Nur auf diesem Wege kann der Mensch zu sich selber finden, denn „die Transzendenz ihrer selbst ist die Essenz menschlicher Existenz“1. Was PlatonPlaton schon wusste, das hat der moderne Mensch zumindest theoretisch verstanden. Praktisch ist er aufgerufen, die Grenze des eigenen Selbst immer wieder oder sogar bleibend zu übersteigen, was sich durch die Hingabe an eine andere PersonPerson ebenso realisiert wie durch die Hingabe an eine Aufgabe.
Dies alles ist und bleibt jedoch relativ auf bestimmte Menschen oder Aufgaben. Absolut dagegen ist das transzendente Gegenüber der ReligionReligion. MaslowMaslowAbraham hatte bereits behauptet, dass die Religion den Menschen zum grösstmöglichen Wachstum motiviere und seine gleichgearteten Bedürfnisse zu befriedigen vermöge. Wie es darum bestellt ist, d.h. ob der MenschMensch den Bereich der ImmanenzImmanenz zu transzendieren und mit GottGott in einen beglückenden und sinnstiftenden Dialog zu treten vermag, wird im Rahmen dieser Arbeit unter Zugrundelegung der Beiträge Dietrich von Hildebrands untersucht. Neben bzw. von HildebrandHildebrandDietrich von in einem gewissen Sinne vorgeordnet wird die Untersuchung auf AugustinusAugustinus’ Lehre von der Dreieinheit des menschlichen Geistes als Grundlage der Religion im Menschen sowie auf Newmans DefinitioDefinitionn der ReligionsphilosophieReligionsphilosophie als erfahrungsgestütztem Aufweis der (Un-)Vernünftigkeit religiöser Überzeugungen basieren.
Methodisch leitet diese Arbeit die Realistische PhänomenologiePhänomenologie, wie sie oben in ihren grundlegenden Zügen dargestellt wurde.2 Weitere notwendige Elemente dieser MethodeMethode, die die ErkenntnistheorieErkenntnistheorie zwar voraussetzen, sie in gewissem Sinne aber übersteigen, werden mit der WertethikWertethik im III. Abschnitt erörtert.3
I DAS WISSEN UM DAS TRANSZENDENTE
Bezugspunkt der ReligionReligion ist das Transzendente. Doch kann der MenschMensch überhaupt wissen, wie es um das Transzendente bestellt ist, sind seine Wissensmöglichkeiten nicht auf den immanenten Bereich des sinnlich Erfahrbaren beschränkt? Die religiösen Aussagen und Überzeugungen können jedenfalls nur unter der Bedingung als vernünftig erwiesen und gerechtfertigt werden, dass metaphysische Erkenntnissemetaphysische Erkenntnisse erlangt werden können und das Transzendente ein Objekt des Wissens sein kann. Immanuel KantKantImmanuel verneinte das Bestehen der Möglichkeit, Erkenntnisse über Objekte zu erlangen, die den Bereich des sinnlich Erfahrbaren übersteigen. Seine Behauptung sei in der Folge mitsamt den von ihm angeführten Begründungen auseinandergelegt. Was in diesem Rahmen vor allem deswegen unternommen wird, weil von Hildebrands ErkenntnistheorieErkenntnistheorie in ihren wesentlichen Stücken als AntwortAntworttheoretische auf Kants Position zu verstehen ist. KantKantImmanuel bereitete den sachlichen und terminologischen Boden, auf dem von HildebrandHildebrandDietrich von seine eigene Erkenntnistheorie entwickelte.
1 Immanuel KantKantImmanuel und der Schritt von der TranszendenzTranszendenz zum transzendentalen ImmanentismusImmanentismus
In seiner vorkritischen Periode – bis etwa 1769/1770 – ging Immanuel KantKantImmanuel (1724–1804) von der Möglichkeit eines vernunftgemässen Überstiegs der Grenze aus, die die Bereiche der ImmanenzImmanenz und der TranszendenzTranszendenz voneinander trennt. In seiner kritischen Periode, d.h. ab der Kritik der reinen VernunftVernunft (1. Aufl. 1781) und dann auch den Prolegomena zu einer jeden künftigen MetaphysikMetaphysik, die als WissenschaftWissenschaft wird auftreten können (1783), welche er als Nachschrift zu seiner kritischen Hauptschrift konzipierte, verfolgt er das vielsagende ZielZiel der Sicherung der Grundlagen und Grenzen der menschlichen Vernunft. Wie er dieses Projekt versteht, wird sich im Verlauf der folgenden Seiten erweisen.
1.1 Humes Kritik am KausalprinzipKausalprinzip und Kants kopernikanische Wendekopernikanische Wende
Den Anlass zu einer neuen und spezifisch kritischen Grundlegung der Erkenntnismöglichkeiten des menschlichen Geistes gab die Kritik David HumesHumeDavid (1711–1776) an der Verknüpfung der UrsacheUrsache-WirkungWirkung-Relation. Entgegen der Annahme der bisherigen MetaphysikMetaphysik (μετά τά φύσικα – philosophische Disziplin, die das Hinter-der-Grenze-Liegende behandelt), die mit ihrem KausalprinzipKausalprinzip immer angenommen hatte, dass eine NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive der Verknüpfung einzusehen sei, vertrat HumeHumeDavid die Auffassung, a prioria priori, d.h. rein aus dem BegriffBegriff einer bestimmten Ursache, könne die zugehörige Wirkung nicht abgeleitet werden, weil die Dinge grundsätzlich zusammenhanglos nebeneinander lägen.1 Die Beziehungen, die man zwischen einzelnen Seienden auszumachen vermeine, seien blosse AssoziationenAssoziationen.2
Wenn sich uns ein Gegenstand oder Ereignis in der NaturNatur darbietet, so ist es uns ohne Erfahrung unmöglich, mit noch so eindringlichem Scharfsinn zu entdecken, ja auch nur zu erdenken, was für ein Ereignis aus ihm folgen wird, oder mit unserer Voraussicht über den Gegenstand hinauszugelangen, der unmittelbar dem GedächtnisGedächtnis oder den Sinnen vorliegt. Selbst wenn ein Beispiel oder eine Erfahrungstatsache uns beobachten liess, dass ein bestimmtes Ereignis einem anderen folgte, so sind wir nicht berechtigt, eine allgemeine Regel zu bilden oder vorauszusagen, was in gleichen Fällen eintreten wird; denn mit Recht gilt es als unverzeihlicher Vorwitz, aus einer einzelnen, auch noch so genauen und gewissen Erfahrungstatsache, ein UrteilUrteil über den gesamten Naturverlauf abzugeben.3
Diese Infragestellung des Kausalprinzips hatte die Potenz, Kants „dogmatischen Schlummer“ zu unterbrechen.4 Ist das Band an den Dingen selbst zu sehen, in der unmittelbaren Wahrnehmung, oder kann die Verknüpfung deduziert werden? Wenn nicht, woher stammt die Verknüpfung? KantKantImmanuel ging mit HumeHumeDavid insoweit einig, als die Erfahrung keine NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive habe, doch an der NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive des Kausalsatzes hielt er unabrückbar fest. Wenn der Kausalsatz aber notwendig ist und dabei nicht aus der Erfahrung stammen kann, dann muss für ihn wie auch für die anderen Erfahrungssätze