Standardsprache zwischen Norm und Praxis. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783772000249
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York: de Gruyter, 1951–1957.

      McLelland, Nicola (2011): J.G. Schottelius’s Ausführliche Arbeit von der Teutschen HauptSprache (1663) and its Place in Early Modern European Vernacular Language Study. Chichester, Malden MA: Wiley-Blackwell.

      Meinecke, Friedrich (1908): Weltbürgertum und Nationalstaat: Studien zur Genesis des deutschen Nationalstaates. München: Oldenbourg.

      Milroy, James & Lesley Milroy (1999): Authority in Language. Investigating Language Prescription and Standardisation. 3. Aufl. London: Routledge & Kegan Paul.

      Polenz, Peter von (2013): Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. 2. Aufl. bearb. von Moulin, Claudine. Berlin, Boston: de Gruyter.

      Sanders, Willy (1982): Sachsensprache, Hansesprache, Plattdeutsch. Sprachgeschichtliche Grundzüge des Niederdeutschen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

      Schmidt, Georg (1999): Geschichte des alten Reiches. Staat und Nation in der frühen Neuzeit 14951806. München: Beck.

      Sheehan, James J. (1989): German History 17701866. Oxford: Oxford University Press.

      Treitschke, Heinrich von (1879–1894): Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. 5 Bände. Leipzig: S. Hirzel.

      Watts, Richard J. (2011): Language Myths and the History of English. Oxford: Oxford University Press.

      Watts, Richard J. (2012): Language myths. In: Hernández-Campoy, Juan M. & J. Camilo Conde-Silvestre (Hrsg.): The Handbook of Historical Sociolinguistics. Malden MA, Oxford: Wiley-Blackwell, 585–606.

      Whaley, Joachim (2012): Germany and the Holy Roman Empire (14931806). 2 Bde. Oxford: Oxford University Press.

      Wiesinger, Peter (2000): Nation und Sprache in Österreich. In: Gardt, Andreas (Hrsg.): Nation und Sprache. Die Diskussion ihres Verhältnisses in Geschichte und Gegenwart. Berlin, New York: de Gruyter, 525–562.

      Wilson, Peter H. (2016): The Holy Roman Empire. A Thousand Years of Europe’s History. London: Allen Lane, The Penguin Press.

      Normwidrigkeit oder Variationsspielraum? Die Varianten des Standarddeutschen als sprachliche Zweifelsfälle

      Regula Schmidlin

      1 Einleitung

      2 Varianten als Zweifelsfälle

      3 Zur linguistischen Konzeptualisierung standardsprachlicher Variation

      4 Zur Einschätzung standardsprachlicher Variation

      5 Standardsprachliche Variation im Kräftefeld der Norminstanzen

      6 Literatur

      1. Einleitung

      Sprachliche Varianten werden dort besonders deutlich wahrgenommen, wo es ein erhöhtes Bedürfnis gibt, sprachlichen Normen gerecht zu werden. Dies ist beim Gebrauch der Standardsprache, ganz besonders in ihrer schriftlichen Form, sicherlich der Fall. Dass die Standardsprache kein homogenes Gebilde ist, sondern über unterschiedlich verbreitete, aber gleichermassen korrekte Varianten verfügt, deren Angemessenheit kontextuell bedingt sein kann, ist hinlänglich bekannt. Auf welche Weise wird die standardsprachliche Variation in der (germanistischen) Linguistik konzeptualisiert (Kap. 3)? Wie gehen Sprecherinnen und Schreiber damit um und wodurch werden ihre Auffassungen von Korrektheit und Standardsprachlichkeit geprägt (Kap. 4)? Wie stellen sich Normautoritäten dazu (Kap. 5)? Diesen Fragen geht der vorliegende Beitrag nach und knüpft teilweise an die Beiträge von Gatta, Davies und Wyss in diesem Band an. Zunächst wird jedoch dafür argumentiert, dass die Varianten des Standarddeutschen als Zweifelsfälle betrachtet werden können. Dabei wird auf Kleins theoretisches Modell zur Erfassung sprachlicher Zweifelsfälle zurückgegriffen (Klein 2003), das insofern modifiziert wird, als unterschiedliche Sprecherperspektiven berücksichtigt werden (Kap. 2).

      2. Varianten als Zweifelsfälle

      Varianten mit dem Potenzial, sprachliche Zweifelsfälle zu sein, können auf allen sprachlichen Systemebenen vorkommen und haben verschiedene Ursachen. Manchmal sind sie ein Begleitphänomen des sich durch den Sprachgebrauch allmählich ergebenden Sprachwandels. Wenn eine ältere Variante, z.B. sie gebiert, von der neueren Variante, sie gebärt, dabei ist, abgelöst zu werden, kommt es zu einer Überlappung der Geltung einer älteren und einer neueren Form. Dies fordert entsprechende metasprachliche Erklärungen in den Kodices. Neue oder alternative Formen lösen aber nicht nur Zweifel und Fragen aus – Was ist richtig? Wie soll es heissen? –, sondern unterliegen auch Wertungen, wenn auch zuweilen nur individuellen ästhetischen Präferenzen. Dies zeigen zahlreiche, aus der jüngsten Rechtschreibreform des Deutschen hervorgegangene Formen, die gleichermassen korrekt sind (Albtraum, Alptraum). Zudem kommt es bei jeder Form synchroner Variation innerhalb der Standardsprache, die teils subsistenter, teils aber statuierter und lexikographisch kodifizierter Normierung unterliegt, zu Wertungen. So kann man das Graphem <ß>, das im Schweizerhochdeutschen (ausser in der Schreibung von Eigennamen mit originärem <ß>) nicht praktiziert wird, schöner finden als <ss> und es in einem Text mit Deutschschweizer Autorschaft vermissen; oder man kann in Deutschland und Österreich bedauern, dass die ß-Schreibung neu geregelt worden ist. Mit genau demselben Recht kann man hingegen das <ß> umständlich finden, ja sogar störend beim elektronischen Datenaustausch.

      Sprachliche Varianten und somit potenzielle Zweifelsfälle entstehen nicht nur durch Sprach(normen)wandel und Sprachkontakt, sondern auch durch fachsprachliche Prägungen, unterschiedliche Stillagen und regionale sowie – vgl. das soeben erwähnte Beispiel des Graphems <ß> – nationale Variation. Gerade in Produktionssituationen mit hohen Normerwartungen, also in formellen beruflichen und schulischen Kontexten, im öffentlichen Sprachgebrauch und generell bei der schriftlichen Textproduktion, hat man auch als kompetente(r) L1-Sprecher(in) immer wieder Zweifel an der Korrektheit und Angemessenheit bestimmter sprachlicher Formen. Da in der gesprochenen Sprache eine höhere Normtoleranz und Variantenakzeptanz vorliegen, kommen Zweifelsfälle oft erst in der schriftlichen Sprachproduktion auf. Bereits die historische Betrachtung von Zweifelsfällen zeigt die Stigmatisierung sprachlicher Varianz auf. Die Herausbildung der deutschen Schriftsprache vom 18. Jahrhundert an bestand unter anderem gerade darin, Zweifelsfälle, die sich durch Doppelformen ergaben, zu beseitigen. Die Vorstellung, dass Kulturräume durch eine einheitliche Standardsprache zusammengehalten respektive gegeneinander abgegrenzt werden müssen, kulminierte in der Zeit der Herausbildung der Nationalstaaten zudem in der Überzeugung, dass ein Staat im Idealfall durch eine Sprachnation gebildet werden soll, die von einer einheitlichen, „reinen“ Hochsprache umklammert wird. Konsequenterweise wird hier sprachliche Variation als Störfaktor empfunden. Dass nicht nur die Mundarten, sondern auch Standardsprachen dynamische Systeme sind, die keine vollständige Einheitlichkeit aufweisen und ebenfalls räumlich strukturiert sind, wurde unter dem Einfluss der (zunächst anglophon geprägten) Sozio- und Variationslinguistik von der Mitte des 20. Jahrhunderts an zunehmend thematisiert und erforscht.

      Was nun die sprachlichen Zweifelsfälle anbelangt, zu welchen die Dynamik von Sprachsystemen führt, so rückt damit der Sprecher selbst in den Fokus, d.h. der Prozess, den die Zweifelsfälle auslösen, nämlich das Zweifeln als Begleitprozess der Sprachproduktion oder der (bewertenden) Sprachrezeption.

      Gemäss Klein wurde die Erforschung von sprachlichen Zweifelsfällen lange marginalisiert (Klein 2009: 141). Er spricht dann von Zweifelsfällen, wenn eine Unsicherheit nicht partikulär ist, sondern ein kollektives Problem darstellt. Ein sprachlicher Zweifelsfall liege dann vor,

      wenn (kompetente) Sprecher kommunizieren, im Blick auf die eigene Sprachproduktion (plötzlich) über verschiedene sprachliche Möglichkeiten (Varianten) nachdenken und sich nicht (einfach) für eine der bewusst werdenden Möglichkeiten entscheiden können (Klein 2009: 142).

      An anderer Stelle sagt er:

      Ein