Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 6: Irwin MacOsborn. Legende. J. H. Praßl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. H. Praßl
Издательство: Bookwire
Серия: Chroniken von Chaos und Ordnung
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783948695712
Скачать книгу
…“ Charas Blick wechselte kommentarlos zu Brigadier Ragna MacGythrun. „… sie sind verletzbar. Die Assassinen entdeckten Blutspuren nicht-menschlichen Ursprungs.“

      MacGythrun nickte. „Die Späher haben außerdem berichtet, dass ihre Spuren außerhalb des Stützpunktes auffächern und sich danach in allen Richtungen verlieren.“

      Jetzt meldete sich der Brigadiersanwärter Agawen O’Hara zu Wort: „Es wäre unklug, dem Gegner in die Wüste zu folgen und sich auf sein Territorium zu wagen. Unsere Soldaten sind nur zum Teil darauf trainiert, in Hitze und Sand zu kämpfen, und niemand von uns weiß, wie genau das Gelände da draußen beschaffen ist.“

      „Genau das ist auch mein Standpunkt“, pflichtete Siralen dem Soldaten bei, und Irwin erhaschte einen Blick auf MacGythruns finsteres Gesicht. Der Brigradier war mit diesem Standpunkt anscheinend nicht ganz glücklich. Wie Irwin Ragna kannte, und das war, nebenbei bemerkt, ziemlich gut, hielt er nichts davon, sich hier zu verkriechen.

      „Bleibt die Frage, wie es zu einer Kontaktaufnahme kommen soll, wenn weder sie noch wir Kontakt suchen“, lautete Charas Gegenargument.

      „Sie haben bereits Kontakt hergestellt, Chara. Und zwar tödlichen.“

      „Und sind ohne Worte wieder abgezogen. Was ist die Conclusio daraus? Etwa einpacken und abhauen? Wird dir der Boden zu heiß, Siralen? Wenn ja, haben wir ein Problem.“

      „Ich werde unsere Leute nicht ins Verderben schicken, nur weil wir im Augenblick die Alternative nicht sehen. Es gibt andere Möglichkeiten der Kontaktaufnahme. Erst mal abzuwarten erscheint mir hier am vernünftigsten.“

      „Aber sicher nicht am erfolgversprechendsten.“ Die Flottenoberkommandantin schlug Feuerstein und Eisen aneinander, als müsse sie mit einem Steinhammer ein schmiedeeisernes Tor aufbrechen.

      „Wir gehen davon aus, dass sie wiederkehren werden“, setzte Siralen fort. „Bieten wir ihnen doch Geschenke als Zeichen unserer Friedfertigkeit und unseres Respekts dar.“

      Ein Schnauben erklang zwischen den Klickgeräuschen des Feuersteins. „Warum wohl werden sie zurückkommen? Weil wir ohne Erlaubnis Fuß auf ihr Land gesetzt haben und sie in der Lage sind, uns ohne Risiko zu dezimieren. Das sind Kämpfer, Siralen. Sie tauchen auf, töten und ziehen wieder ab. Wir haben es hier nicht mit einem Volk der Diplomatie zu tun, sondern mit einem, das den widrigen Verhältnissen der Wüste angepasst ist. Wie, denkst du, wird ein Volk des Kampfes es aufnehmen, wenn wir vor ihm auf die Knie fallen und ihm mit Geschenken zu gefallen versuchen?“

      „Und wie, denkst du, können wir sie dann überzeugen?“

      „Einen Kämpfer überzeugen genau zwei Dinge – Angst oder Respekt.“

      Endlich bezog auch Brigadier Ragna MacGythrun Stellung: „Ich sage, wir treten ihnen im Kampf gegenüber. Wenn nicht hier, dann in der Wüste. Bleiben wir am Stützpunkt, werden sie uns weiterhin mit Hilfe ihrer überraschenden Attacken zu Leibe rücken. Hier sind wir ihnen nicht nur ausgeliefert, es wäre auch ein Zeichen der Schwäche, sich hinter diesen Palisaden zu verkriechen. Besser, wir machen Jagd auf sie.“

      Ein kurzer, heißer Windstoß fegte durch das Sonnensegel und mehrere Hände glitten nach oben, um Sandkörner von den Augen fernzuhalten. Dann wurde es still, und die Blicke schweiften zum Obersten der Lichtjäger, der gerade hinter die Flottenoberkommandantin getreten war.

      „Das ist es, was sie wollen“, bemerkte er gelassen. Eine seiner vom Hals abwärts geflochtenen Strähnen fiel ihm über das linke Auge. Mit dem anderen fixierte er Charas Nacken. „Sie wollen, dass wir ihnen folgen.“

      „Mag sein“, erwiderte Chara, ohne sich zu ihm umzudrehen. „Kommen wir ihnen doch ein wenig entgegen. Das, was sie wollen, ist nicht zwangsläufig das, was ihnen Erfolg beschert.“

      Siralens Blick zuckte zwischen Lindawen, Brigadier MacGythrun und Brigadiersanwärter O’Hara hin und her, als suche sie nach einem Ausweg aus einem Dilemma. Gerade als ein Hauch von Unschlüssigkeit ihre Züge überschattete, trat ein Mann in Schwarz an Lindawens Seite.

      „Wenn ihr mich fraget, was wahrschainelich nicht ist die beste aller Ideen, würde ich antworten, was wahrschainelich nicht ist die beste aller Antworten, dass es ist egal, ob wir folgen ihnen in die Wüste oder ob wir blaiben ħier.“ Kerrim Ben Yussef, seines Zeichens Sprecher der Assassinen und, was mittlerweile unbestritten war, Rechte Hand von Chara Pasiphae-Opoulos, zog sich seinen Schal vors Gesicht und seine sich viel zu schnell bewegenden Lippen verschwanden hinter schwarzem Stoff. „So oder so sie ħaben den Ħaimvortail.“

      „Und was genau wollt Ihr uns damit sagen, Kerrim?“, fragte Siralen.

      „Na ja, wie main Schwesterchen schon ħat ausgedrücket es recht aindringelich: Wir brauchen Verbündete. Wir ħaben gefunden solche, die kħönnten werden es. Blaiben wir ħier, verlieren wir Żait, die wir nicht ħaben.“

      „Also gehen wir in die Wüste“, beschloss Chara die Rede ihres Blutsbruders in knappen Worten und klemmte sich den Pfeifenholm zwischen die Zähne.

      „Oh nein … nein, nein, nein!“, wimmerte Irwin und presste die Knie zusammen.

      „Niemand verlangt, dass Ihr mitkommt, MacOsborn“, antwortete Chara trocken.

      „Ich dachte, die besten Heldenlieder komponierten jene Barden, die persönlich an den Kämpfen der Helden beteiligt waren“, fügte Siralen ironisch hinzu. „Oder etwa nicht, MacOsborn?“

      „Oh ja. Ja, ja ja …“

      „Dann schlage ich vor, Ihr packt Eure Laute ein und schließt Euch dem Todesmarsch an.“ Sie spähte zu Chara. „Ich fürchte nämlich, genau das wird unser Zug in die Wüste sein.“

      Ragna MacGythrun bedachte seine Vorgesetzte mit einem prüfenden Blick, woraufhin Siralen ihre Lider senkte. Dann wandte sie sich ab und griff nach dem Umhang, den sie über eins der Seile zur Fixierung des Sonnensegels geworfen hatte. „Aber meinetwegen, folgen wir ihrer Spur – wer oder was auch immer sie sein mögen. Brigadier, sollen wir uns heute Abend besprechen, um Truppenstärke und -zusammensetzung festzulegen?“

      „War das eine Frage oder ein Befehl?“

      „Eine Frage. Habt Ihr eine Antwort für mich?“

      Ragna MacGythruns Griff um den Schwertgriff war ein bisschen zu fest, um seinen Ärger tatsächlich kaschieren zu können. Er war anscheinend nicht zufrieden mit dem Gesprächsverlauf. „Ja, wir besprechen uns am Abend.“

      Der Pfeifenholm klackerte leise zwischen den Zähnen der Flok. „Ich nehme an der Besprechung teil, wenn’s keinen stört.“

      „Einwände?“, fragte Siralen den Brigadier. Als Antwort bekam sie ein stummes Kopfschütteln.

      Ein Zauberkundiger in bunter Robe näherte sich zielstrebig, trat unter das Sonnensegel und schickte einen Blick aus zusammengekniffenen Augen in die Runde. „Frau Pasiphae-Opoulos“, begann er mit einer Stimme, deren nasaler Klang sogar Irwin an die Nieren ging. „Wie ich sehe, nähert sich diese Besprechung bereits ihrem Ende, was zu erwarten gewesen war.“ Das war erst der Anfang seiner Rede, wie Irwin nur zu gut wusste. Der Magier hatte einen Hang zur Übertreibung und Akribie.

      „Nun, Tatsache ist, dass ich als Oberster der Zauberkundigen in jede Entscheidungsfindung miteingebunden werden muss, und zwar spätestens, seit mein geschätzter Kollege Darcean Dahoccu den dazugehörigen Passus in unseren Gesetzestext integrierte. Ihr erinnert Euch gewisslich, dass es darin heißt, jedwede Vorabsprache unter Ausschluss eines Kommandomitglieds sei unzulässig. Ich bin ein solches Kommandomitglied, wurde aber zu meinem Leidwesen nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass eine Besprechung stattfinden soll. Und wenn Ihr Euch bitte auch daran erinnern wollt, wie die Konsequenzen auf einen Gesetzesbruch der erwähnten Art aussehen könnten …“

      „Bedanke mich, Ahrsa“, unterbrach ihn Chara. „Ihr habt die Konsequenzen hinreichend erörtert.“

      Magus Primus Major Ahrsa Kasai hob das Kinn gerade soweit, dass sein leicht ergrautes, schulterlanges Haar