»Was verbrennen Sie da eigentlich?«, fragte ich und versuchte, durch den Rauch zu spähen. Im August Laub zu verbrennen, war eher unüblich.
Mr Hamm war daran gewöhnt, dass ich ihn über seine Arbeit ausfragte, doch an diesem Morgen war er nicht so auskunftsfreudig wie sonst. »Abfall«, war alles, was er sagte.
»Hat das Gewitter letzte Nacht viel abgebrochen?«, hakte ich nach, obwohl es nur ganz leicht geregnet hatte.
Noch einmal zuckte er mit den Schultern und wedelte die Schwaden mit dem Hut beiseite.
Ich verdeckte meine Augen mit der Hand, um mein Stirnrunzeln zu verbergen, und spähte zu Miss Judson. »Wissen Sie, was mit Miss Wodehouse geschehen ist?«, fragte ich schließlich, nach einer Pause, die mir respektvoll erschien.
»Irgendwas mit der Wanne, heißt es. Hab die Neuigkeit erfahren, als ich heut Morgen zur Arbeit gekommen bin.«
»Heute Morgen? Aber ich habe Sie gar nicht gesehen.«
»Hab an den Beeten auf der Nordseite gearbeitet.«
Diese Beete hatte ich vom Unterrichtsraum aus bestens im Blick – Mr Hamm war nicht dort gewesen. Nicht an diesem Morgen. »Und letzte Nacht?«
»Myrtle«, mischte Miss Judson sich mit strengem Tonfall ein. »Mr Hamm, Myrtle macht sich Sorgen um die Katze.«
Sein Gesichtsausdruck wurde augenblicklich sanfter. »Heut hab ich sie noch nich’ gesehen«, sagte er. »Armes kleines Ding. Wird die Herrin sicher vermissen, aye?«
Ich kaute auf meinem Finger herum, um nichts Unverschämtes zu sagen. »Darf ich nach ihr suchen?«
Sein Gesicht verknitterte zu so etwas wie einem Lächeln. »Versuchen Se’s beim Goldregen – Sie wissen ja, wie sehr sie die Schmetterlinge da mag. Aber passen Se auf den jungen Burschen auf, den Neffen der Herrin. Falls der Ihnen dumm kommt, dann sagen Se ihm, wer Sie sind und wer Ihr Pa is. Und dass ich Ihnen erlaubt hab, im Garten zu sein. Und basta.« Energisch stach er mit dem Rechen in den Haufen, sodass Funken in die Luft stoben.
»Das werden wir gewiss tun. Danke für die Warnung, Mr Hamm.« Bevor ich weitere Fragen stellen konnte, schubste Miss Judson mich Richtung Garten, vorbei an dem Feuer und durch die Hecke.
»Au! Wozu die Eile?«, beschwerte ich mich.
»Der Rauch roch übel«, erklärte sie. »Irgendwie toxisch.«
»Rauch ist toxisch.« Stirnrunzelnd schaute ich noch einmal zurück. »Glauben Sie, er verbrennt etwas Giftiges?«
Miss Judson scheuchte mich weiter. »Oh nein, Myrtle Hardcastle! Ich lasse nicht zu, dass du gegen diesen armen Mann irgendwelche Verdächtigungen zusammenfantasierst.«
»Er hat gelogen, als er uns erzählt hat, wo er heute Morgen war«, sagte ich.
Sie zog ein düsteres Gesicht. »Das ist mir aufgefallen.«
»Aber«, räumte ich ein, »natürlich macht ihn das nicht automatisch verdächtig. Er könnte schon lange vorgehabt haben, diesen Abfall zu verbrennen.«
»Jedenfalls waren es keine abgeknickten Äste. Was das angeht, hat er ebenfalls gelogen.«
Ich rümpfte die Nase. »Das stimmt so nicht. Ich war diejenige, die ein Gewitter und abgebrochene Pflanzen ins Spiel gebracht hat. Er hat mich nur nicht korrigiert.« Erwachsene machten sich oft nicht die Mühe, mich zu verbessern, wegen der hohen Wahrscheinlichkeit, dass ich eine Diskussion anfangen würde. Was allerdings nur passierte, wenn ich wusste, dass sie sich irrten! Nicht etwa weil ich Spaß am Streiten hatte.
Miss Judson glättete ihre Röcke und richtete den Sitz ihrer Handschuhe. Sie sah immer gefasst, ordentlich und klug aus – und bereit, als ginge sie jederzeit davon aus, gleich in Aktion treten zu müssen, etwa Rad zu fahren, Tennis zu spielen oder einen davonrollenden Kinderwagen zu retten.
Oder Katzen zu bändigen!
»Da ist sie!«, rief ich, als ich den verräterischen Fleck schwarz-weißes Fell entdeckte, der sich durch das hohe Gras an der Westhecke schob.
»Bist du sicher?« Miss Judson war dicht hinter mir, wobei ihre Stiefel über den Rasen huschten, als wären sie zum Rennen gemacht, nicht nur, um im Unterrichtsraum Autorität zu verströmen. Meine Stiefel quatschten lustig, als ich über eine Stelle lief, die vom Regen noch nass war. Als wir um die Hecke wirbelten, landeten wir geradewegs auf verbotenem Terrain. Miss Judson packte mich am Arm, obwohl ich längst selbst abbremste, wenn auch wenig elegant. Es gab kein Tor, keinen prächtigen Durchgang oder irgendeinen Hinweis darauf, dass man heiligen Boden betrat, dennoch spürte ich Miss Judsons Fingernägel, die sich in meine Ärmel gruben und mich zurückhielten. Diesen Ort hatte ich immer nur aus respektvoller Entfernung gesehen, selbst mein Teleskop wagte ich kaum darauf auszurichten, so sehr hatte man uns eingeschärft, ihn mit Ehrfurcht zu behandeln.
Dies war Miss Wodehouses Liliengarten.
Zumindest war er es gewesen. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Obwohl mir wohl bewusst war, dass ich in diesem Teil des Gartens nichts zu suchen hatte, schüttelte ich Miss Judsons Hand ab und machte einen Schritt hinein, und noch einen, dorthin wo die weltberühmten Lilien wachsen sollten. Doch die Beete rings um mich herum waren leer, so karg wie im Winter.
Die Lilien waren fort.
3ein wichtiges gerichtliches Dokument, das man keinesfalls mit Frühstück bekleckern sollte
4Die alarmierende Schneckenaffäre von 1890 war ein hervorragendes Beispiel und würde eines Tages den Stoff für ein faszinierendes Einzelwerk hergeben, da es eine Reihe von bislang verkannten wissenschaftlichen Prinzipien demonstrierte. Jedoch hat es keinerlei direkten Zusammenhang mit diesem Fall, weshalb an dieser Stelle kein weiteres Wort darüber fallen soll.
5Ich war sicher, dass man zuerst sämtliche Gräber entfernt hatte. Vater meinte, es gab damals eine gerichtliche Anweisung und ungeheuer viel Papierkram. In einem kleinen Museum, das man in einem umgebauten Mausoleum untergebracht hatte, waren Fotografien der Exhumierungen ausgestellt. Doch Caroline Munjal, ein Mädchen aus der Nachbarschaft, beharrte darauf, dass einige der Leichen noch immer dort vergraben lagen und ihre Geister nun in den neuen Häusern spukten. So viel zu »unrealistisch« (s. o.).
3
Geschworenengericht
Das Leben eines Detektivs ist kein leichtes. Man muss sich auf hinderliche Ermittlerkollegen, widerwillige Zeugen, alle Arten von kriminellen Individuen und fantasielose Familienmitglieder gefasst machen. H. M. Hardcastle: Die Grundlagen der Detektion — Ein Handbuch für Amateur- und Berufsermittler, 1893.
»Was ist denn hier geschehen?« Miss Judson klang atemlos, als sie zu mir aufholte. »Moment, ich glaube, wir dürfen gar nicht hier sein.«
»Was spielt das jetzt noch für eine Rolle?« Miss Wodehouse war tot und ihre geliebten Lilien ebenso. Dennoch hatte Miss Judson nicht unrecht. Dies hier konnte ein Tatort sein und wir sollten darauf achtgeben, nichts zu verändern. Ich legte meine Werkzeuge (Lupe, Notizbuch, Detektivset) bereit und ging auf Zehenspitzen behutsam durch den Liliengarten – ehemaligen Liliengarten, meine ich. Es sah aus, als wäre Napoleons Armee hindurchgefegt, hätte die Beete bis an die Erde abrasiert, alles niedergebrannt, was nicht abgemäht war, und den Rest verscharrt.
Ich näherte mich einem der schlichten, mit Holz eingefassten Beete. Anders als die verschiedenen Teile des Hauptgartens mit ihren Schmuckurnen und hübschen Zäunen aus gedrehten Weidenzweigen, war der Liliengarten einfach und praktisch angelegt – ein Raum zum Experimentieren, nicht zum Dekorieren. Mir fiel eine aufgewühlte Rinne im Kies auf. »Sehen Sie!«, rief ich Miss Judson zu, die wie vom Blitz getroffen am Rand verharrte. »Hier sind Spuren, als hätte jemand einen Karren hindurchgeschoben.«
»Vielleicht eine Schubkarre?« Sie schüttelte ihre Starre ab und durchquerte