Mord im Gewächshaus. Elizabeth C. Bunce. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elizabeth C. Bunce
Издательство: Bookwire
Серия: Myrtle Hardcastle
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783957286055
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fing im letzten Moment seinen Toast auf, kurz bevor die Marmelade auf sein Affidavit3 tropfen konnte. »Warum stattet ihr mir keinen Besuch ab? Danach gehen wir gemeinsam Mittagessen. Macht doch einen Tagesausflug daraus.« Er schenkte mir ein warmes Lächeln.

      »Darf ich von der Galerie aus zuschauen?« Vater erlaubte mir äußerst selten, ihn im Gericht zu besuchen, weil die meisten Richter und anderen Anwälte der Meinung waren, dass Kinder nur störten. Dafür hatte ich bisher jedes Wort über seine Fälle gelesen, das je im Swinburne Boten erschienen war, und mir natürlich im Selbststudium seine Rechtsbücher vorgenommen, damit ich die Feinheiten der Rechtslehre mit ihm diskutieren konnte. Zwar hatte sich die Gelegenheit dazu noch nicht ergeben, doch ich war bereit.

      »Myrtle hätte gewiss ihre Freude daran«, warf Miss Judson ein. Mit geübter und effizienter Hand trug sie gerade Butter auf ihren Toast auf, sodass auch nicht der kleinste Klecks Gefahr lief, zu entkommen.

      »Hmm?« Während er Miss Judson zusah, schien Vater das Gespräch von eben bereits vergessen zu haben. »Dann ist es also abgemacht.« Er stand auf, sammelte seine Papiere zusammen und drückte mir einen schnellen Kuss auf den Kopf. »Deine Haare sind nass. Warst du etwa im Regen?«

      Ich warf Miss Judson einen Blick zu, doch Vater war schon verschwunden, bevor eine von uns antworten konnte. Sollte Miss Judson erleichtert aufgeatmet haben, dann kaum wahrnehmbar.

      Lieber Leser, wenn ich es mir erlauben darf, möchte ich an dieser Stelle gern eine der Hauptfiguren dieser Geschichte vorstellen, meine Gouvernante und Vertraute Miss Ada Eugénie Judson. Gewiss haben Sie bereits feststellen können, verehrter Leser, dass Miss Judson eine bemerkenswert beherrschte Person war, die in Krisen4 einen kühlen Kopf bewahrte – Qualitäten, die für die Gouvernante einer angehenden Ermittlerin äußerst nützlich sind. Als Tochter einer französisch-guayanischen Krankenschwester und eines schottischen Pastors war sie überdurchschnittlich groß, kleidete sich ordentlich und praktisch und hatte die dunkle Haarfarbe ihrer karibischen Herkunft. Aus Angst, ihre Tochter könnte einer schrecklichen tropischen Krankheit zum Opfer fallen, hatten ihre Eltern die junge Ada auf ein Internat in England geschickt. (Vermutlich hatte niemand Mr und Mrs Judson je von Typhus, Pocken, Tuberkulose oder Cholera erzählt, die hier um sich griffen. Ganz abgesehen von gelegentlichen Ausbrüchen der Pest und nicht zu sprechen von gewissen, ebenso unaussprechlichen Gebrechen, von denen ich eigentlich nichts wissen sollte. Als »junge Dame aus gutem Hause«.)

      Sobald Vater in seine Kanzlei aufgebrochen war, blieben uns fast zwei Stunden, um uns an die Arbeit zu machen, bevor wir im Gericht erscheinen mussten. Während Miss Judson noch immer mit ihrem extrem präzise bestrichenen Toast beschäftigt war, sprang ich bereits von meinem Platz auf und räumte meinen Teller ab. Obwohl ich schon jahrelang versuchte, Miss Judson nachzuahmen, schlug ich leider ganz nach Vater. Auf meinem Platz herrschte ein Chaos aus Krümeln und irgendwie war es mir sogar gelungen, Spiegelei in meine Socken zu befördern.

      »Wohin so eilig?«, fragte Miss Judson. »So viel Begeisterung für Geografie hast du ja noch nie an den Tag gelegt.«

      »Wir müssen Peony finden«, sagte ich. »Sie hat gesehen, was letzte Nacht passiert ist.«

      »Aha.« Miss Judson stand auf, obwohl ihre Hand nahe ihrer Teetasse verweilte, als würde sie in Erwägung ziehen, sich noch einmal nachzuschenken. Ich sah sie ungeduldig an. »Ich kann es nicht erwarten zu erfahren, welche Methode du erfunden hast, um an die Zeugenaussage einer Katze zu gelangen.«

      »Machen Sie sich nicht über mich lustig.«

      »Würde mir im Traum nicht einfallen«, sagte sie. »Trotzdem musst du zugeben, Myrtle, dass eine Katze als Zeugin heranzuziehen, selbst für dich etwas unrealistisch ist.«

      Ich zögerte. Erwachsene nannten mich vieles, als Nettestes »frühreif«, »neugierig« und »unbändig« (wobei ich ja den Verdacht hegte, dass nichts davon wirklich als Kompliment gemeint war, auch wenn sie so taten als ob), doch im Vergleich zu anderen Kindern in meinem Alter galt ich im Allgemeinen nicht als »unrealistisch«. Miss Judson verfügte jedoch über exzellente Menschenkenntnis, wenn sie also der Meinung war, ich wäre etwas anderes als durch und durch vernünftig, dann machte es mich stutzig.

      »Nun gut«, sagte ich vorsichtig. »Vielleicht sollten wir zuerst mit Mr Hamm reden. Wir müssen ohnehin fragen, wie es nun mit meinem Botanikunterricht weitergeht.« Der Gärtner von Redgraves hatte mir seit zwei Jahren Stunden gegeben. Er kannte sich extrem gut aus und Vater hatte es abgesegnet, da er fand, es »täte mir gut, hin und wieder an der frischen Luft zu spielen«.

      »Das wiederum«, sagte Miss Judson, »ist eine hervorragende Idee.«

      Fünfzehn Minuten später waren wir wieder auf Redgraves, diesmal passend gekleidet für einen Spaziergang im Garten. Redgraves’ Außenanlagen einen »Garten« zu nennen, tut ihnen allerdings großes Unrecht. Sie waren größer als das Gravesend-Grün, der öffentliche Park im Herzen unserer Nachbarschaft. Bevor man all die Wohnhäuser errichtet hatte, war er ein Friedhof gewesen5 und hatte mitsamt dem anderen Land einmal zum Privatbesitz der Familie Wodehouse gehört. Redgraves, der Familiensitz der Wodehouses, war ein düsterer roter Backsteinbau, dessen Schieferdach mit Giebeln, Türmen und Schornsteinen versehen war und vor dessen Haupteingang eine Treppe stand, die einem mürrischen Mund ähnelte und zum Eingang führte. Verglichen mit berühmten Schlössern wie Windsor oder Highclere, war Redgraves nur ein Landhaus – lächerliche vier Stockwerke hoch, mit nur dreiundzwanzig Zimmern, einschließlich einer landesweit berühmten Bibliothek und einem regional berühmten Badezimmer. Doch nach Swinburne-Maßstäben war es ein Palast.

      Diesmal näherten wir uns Redgraves auf die übliche Art, nämlich durch die Hecke, die zwischen unseren Grundstücken verlief. Doch schon konnten wir sehen, oder vielmehr riechen, dass etwas nicht stimmte.

      »Brennt da etwas?«, fragte Miss Judson. »Hoffentlich ist es nicht das Haus!«

      Diese Vorstellung warf ein noch dramatischeres und düstereres Licht auf die Ereignisse des Morgens, allerdings stellte sich heraus, dass es nur Mr Hamm war, der sich endlich an die Arbeit gemacht hatte. Obwohl Redgraves’ Garten so enorm groß und so angesehen war, war er der einzige Gärtner. Mit ihrer exzentrischen Art hatte Miss Wodehouse im Laufe der Jahre die Anzahl ihrer Bediensteten reduziert, bis außer ihm und Trudy keiner mehr übrig geblieben war. Gerade schürte Mr Hamm außerhalb der Gartenmauern ein Feuer. Was genau dabei verbrannt wurde, ließ sich nicht sagen, da die Flammen ihr Futter bereits zu Asche verkohlt hatten.

      »Hallo, Mr Hamm«, begrüßte ich ihn, da mir »Guten Morgen« wenig angemessen erschien, hatte er doch gerade seine Arbeitgeberin und damit womöglich seinen Lebensunterhalt verloren.

      Er lupfte vor uns seinen Schlapphut, wobei ein rot verschwitztes Gesicht und feuchte schwarze Haare zum Vorschein kamen. »Aye, meine Kleine, Miss Ada. Se haben’s schon gehört?«

      »Ja, schreckliche Sache.« Ich merkte Miss Judson an, dass sie meine Antwort guthieß, weil ich den Mann nicht einfach so ausfragte, sondern höfliche Etikette wahrte.

      »Nich’ mehr lang bis zur Blumenschau«, sagte er mit knarrender Stimme. »Wir wollten ihre Schwarzer-Tiger-Kreuzung zeigen, ’ne wahre Schönheit. Hat sie vier Jahre gekostet, die zu züchten.«

      Ich nickte mitfühlend, obwohl ich die Blume nie mit eigenen Augen gesehen hatte. Miss Wodehouse hatte verboten, dass unsere Unterrichtsstunden in ihrem Liliengarten stattfanden, und ich hatte lediglich einmal im Vorbeihasten einen kurzen Blick darauf erhascht. Doch Mr Hamm redete oft davon und diese Lilien waren vielleicht das Einzige auf ganz Redgraves gewesen, das Miss Wodehouse tatsächlich liebevoll behandelt hatte. Etwas anderes hat sie bestimmt nicht geliebt.

      »Aber sicherlich können Sie das doch noch immer, oder?«, schlug Miss Judson vor. »Posthum, gewissermaßen ihr zu Ehren?« Bei jeder Blumenschau gab es ein Preisgeld zu gewinnen, und sollten Miss Wodehouses Lilien als Sieger hervorgehen, könnte es Mr Hamm zustehen.

      Mr Hamm zuckte nur mit den Schultern. Er trug eine weite braune Jacke und einen gewachsten Arbeitsoverall. Ich erkannte seine Stiefel – die mit den hufeisenförmigen Beschlägen auf dem Absatz, womit man gut über rutschige,