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(2) Besonderheiten beim Geschäfts- oder Firmenwert: Dass der Begriff des Wirtschaftsguts in der praktischen Handhabung aber dennoch weiter gehen kann als der Begriff des Vermögensgegenstands, wird insbesondere beim Geschäfts- oder Firmenwert deutlich. Der Geschäfts- oder Firmenwert ist definiert als die Differenz zwischen dem Gesamtunternehmenswert und der Summe der Zeitwerte der einzelnen Aktiva und Passiva. Der Geschäfts- oder Firmenwert repräsentiert die Gewinnchancen eines Unternehmens, soweit diese nicht aus einzelnen (materiellen und immateriellen) Wirtschaftsgütern oder der Person des Unternehmers hervorgehen, sondern aus dem Betrieb des Unternehmens in seiner Gesamtheit.[2] Seine Höhe wird entscheidend durch nicht oder nur schwer greifbare Faktoren bestimmt, wie Ruf der Firma, Kundenstamm, Organisationsstruktur, Produktionsverfahren, Absatzmärkte, Standortbedingungen, Kreditwürdigkeit, technische und kaufmännische Erfahrungen sowie Fähigkeiten der Belegschaft. Der Geschäfts- oder Firmenwert besteht im Wesentlichen aus dem Kapitalisierungsmehrwert, der daraus resultiert, dass die aus der Kombination der eingesetzten Wirtschaftsgüter resultierende Ertragsfähigkeit des Unternehmens den Reproduktionswert der einzelnen (materiellen und immateriellen) Wirtschaftsgüter übersteigt (Synergieeffekte).
Der Geschäfts- oder Firmenwert stellt aus steuerrechtlicher Sicht ein Wirtschaftsgut dar, weil es bei der Prüfung des Kriteriums der selbständigen Bewertbarkeit als ausreichend angesehen wird, wenn sich für den Geschäfts- oder Firmenwert im Rahmen der Gesamtunternehmensbewertung ein Wert ermitteln lässt. Da im Handelsrecht auf das Kriterium „selbständige Verwertbarkeit“ abgestellt wird, dürfte es sich bei dem Geschäfts- oder Firmenwert nicht um einen Vermögensgegenstand handeln, da er nicht losgelöst vom Unternehmen verkauft oder zur Nutzung überlassen werden kann. In § 246 Abs. 1 S. 4 HGB wird allerdings fingiert, dass es sich beim Geschäfts- oder Firmenwert um einen Vermögensgegenstand handelt. Damit ist der Geschäfts- oder Firmenwert nicht nur ein Wirtschaftsgut, gleichzeitig wird er aufgrund einer gesetzlichen Fiktion als Vermögensgegenstand angesehen. Im Ergebnis bestehen damit zwei inhaltlich übereinstimmende verbindliche Regelungen. Aus Sicht des Maßgeblichkeitsprinzips liegt der Fall 2a vor.
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(3) Besonderheiten bei der Beteiligung an einer Personengesellschaft: Zu einer Abweichung zwischen Handels- und Steuerbilanz hinsichtlich der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit kommt es bei der Beteiligung an einer Personengesellschaft. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr 2 EStG hat der Gesellschafter die Gewinnanteile, die ihm von der Personengesellschaft zugerechnet werden, als eigene Einkünfte zu versteuern (Transparenzprinzip, Mitunternehmerkonzeption). Dieser Gewinnanteil wird auf Ebene der Personengesellschaft ermittelt. Der Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft kommt in der Steuerbilanz des Gesellschafters keine eigenständige Bedeutung zu. Demgegenüber wird die Beteiligung an einer Personengesellschaft in der Handelsbilanz wie die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft beim Gesellschafter als Vermögensgegenstand aktiviert und nach den üblichen Bewertungsvorschriften bewertet.[3] Die speziellen Grundsätze zur Besteuerung von Personengesellschaften führen zu einer konzeptionellen Abweichung zwischen handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung. Bei der Einteilung der Auswirkungen des Maßgeblichkeitsprinzips wurde diese Situation dem Fall 9 zugeordnet.
Anmerkungen
Vgl zB BFH vom 26.10.1987, BStBl. 1988 II, S. 348; BFH vom 26.8.1992, BStBl. 1992 II, S. 977; BFH vom 7.8.2000, BStBl. 2000 II, S. 632.
Vgl BFH vom 26.11.2009, BStBl. 2010 II, S. 609.
Siehe hierzu IDW RS HFA 18, FN-IDW 2012, S. 24, FN-IDW 2014, S. 417.
3. Abgrenzung zwischen selbständigen Wirtschaftsgütern
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(1) Selbständige Bewertbarkeit und selbständige Nutzungsfähigkeit: Aus dem Grundsatz der Einzelerfassung und Einzelbewertung folgt, dass bei der Prüfung der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit auf jedes einzelne Wirtschaftsgut abzustellen ist (§ 252 Abs. 1 Nr 3 HGB, § 6 Abs. 1 Einleitungssatz EStG). Im Rahmen dieser Prüfung ist das für den Begriff des Wirtschaftsguts charakteristische Merkmal „selbständige Bewertbarkeit“ von besonderer Bedeutung.
Bei immateriellen Wirtschaftsgütern wirkt sich das Kriterium der selbständigen Bewertbarkeit bei der Abgrenzung von einzelnen wirtschaftlichen Vorteilen gegenüber dem (allgemeinen) Geschäfts- oder Firmenwert aus.[1]
Bei materiellen Gegenständen (Sachen iSd BGB), die wirtschaftlich miteinander verbunden sind, ist zu untersuchen, ob sie ihre Eigenständigkeit als einzelnes Wirtschaftsgut behalten oder ob sie nur zusammen mit weiteren Teilen einer Gesamtheit als Wirtschaftsgut angesehen werden können.
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Entsprechend den allgemeinen Kriterien der selbständigen Bewertbarkeit ist bei der Prüfung, ob es sich um ein eigenständiges Wirtschaftsgut handelt, darauf abzustellen, ob der betrachtete Gegenstand als Einzelheit von Bedeutung ist und bei einer Veräußerung greifbar ist. Ein einheitliches Wirtschaftsgut entsteht nicht schon dann, wenn mehrere Gegenstände einem gemeinsamen Zweck dienen. Der einheitliche Zweck dient zwar als Indiz, die Würdigung muss aber anhand weiterer Kriterien beurteilt werden. Maßstab, ob bilanzrechtlich ein Wirtschaftsgut vorliegt oder ob von mehreren Wirtschaftsgütern auszugehen ist, sind (a) der Grad der Festigkeit der Verbindung (§ 93 BGB), (b) der Zeitraum, auf den eine eventuelle Verbindung bzw gemeinsame Nutzung der Sachen angelegt ist, und (c) das äußere Erscheinungsbild.[2] Sind Gegenstände für sich allein unvollständig oder erhält ein Gegenstand ohne den anderen ein negatives Gepräge, ist von einem einheitlichen Wirtschaftsgut auszugehen.
Beispiele:
Eine Schreibtischkombination besteht aus