Über die Kriterien, anhand derer sich für die Handelsbilanz die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit bestimmt, besteht zwar keine einheitliche Auffassung. Überwiegend wird jedoch davon ausgegangen, dass ein Vermögensgegenstand dann vorliegt, wenn ein wirtschaftlicher Vorteil selbständig verwertbar ist.[1] Entscheidend ist, ob es möglich ist, durch den wirtschaftlichen Vorteil einen Zufluss an finanziellen Mitteln zu generieren.
Die selbständige Verwertbarkeit unterteilt sich in:
– | Verwertung durch Veräußerung, |
– | Verwertung durch Nutzungsüberlassung, |
– | Verwertung durch bedingten Verzicht und |
– | Verwertung durch Zwangsvollstreckung. |
Eine Verwertung durch Veräußerung liegt vor, wenn die Sache, das Recht oder der sonstige wirtschaftliche Vorteil als solcher an einen Außenstehenden veräußert werden kann, dh im Rechtsverkehr allein übertragen werden kann. Die selbständige Verwertbarkeit ist auch erfüllt, wenn der wirtschaftliche Vorteil dadurch zu Geld gemacht werden kann, dass er an Außenstehende zur Nutzung überlassen wird (Verwertung durch Nutzungsüberlassung). Ein Beitrag zur Deckung der Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens kann des Weiteren dadurch geleistet werden, dass der Inhaber eines Rechts unter der Bedingung auf dieses Recht verzichtet, dass das Recht einer anderen Person eingeräumt wird. Die Verwertung durch bedingten Verzicht ist insbesondere für Konzessionen bedeutsam. Wirtschaftliche Vorteile, die zwar ihrer Natur nach einzeln veräußerbar sind oder zur Nutzung überlassen werden können, aber aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Beschränkungen nicht übertragen oder überlassen werden dürfen, können möglicherweise im Rahmen einer Zwangsvollstreckung verwertet werden (Verwertung durch Zwangsvollstreckung).
Anmerkungen
Vgl Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., Stuttgart 1998, § 246 HGB, Tz. 9–33; Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 14. Aufl., Düsseldorf 2017, S. 158–166; Ballwieser, Grundsätze der Aktivierung und Passivierung, in: Böcking/Castan/Heymann ua (Hrsg.), Beckʼsches Handbuch der Rechnungslegung, München (Loseblattausgabe), B 131, Rz. 10–15.
b) Vergleich von Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand
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(1) Grundsätzliche Analyse: Ausgangspunkt des Vergleichs zwischen den beiden Begriffen (aktives) Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand bildet § 5 Abs. 1 S. 1 HS 1 EStG, wonach in der Steuerbilanz das Betriebsvermögen anzusetzen ist, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Der Ansatz dem Grunde nach richtet sich ausschließlich nach § 5 EStG, denn aus dem Einleitungssatz des § 6 Abs. 1 EStG geht ausdrücklich hervor, dass sich diese Vorschrift nur auf die Bewertung des Betriebsvermögens bezieht.
Wird das Maßgeblichkeitsprinzip wörtlich interpretiert, ist der Inhalt des steuerrechtlich für die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit geltenden Begriffs Wirtschaftsgut aus dem handelsrechtlichen Aktivierungskriterium Vermögensgegenstand abzuleiten, m.a.W. die beiden Begriffe Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand sind gleichzusetzen. Da aber der Gesetzgeber bei der Umsetzung der europäischen Bilanzrichtlinien in nationales Recht im Handelsgesetzbuch ausdrücklich am Begriff Vermögensgegenstand festgehalten hat und die Definitionen der Begriffe Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut unterschiedlich formuliert sind, ist eine genauere Analyse erforderlich, ob es sich nur um eine begriffliche oder auch um eine inhaltliche Unterscheidung handelt.
Unproblematisch sind Sachen und Rechte iSd bürgerlichen Rechts sowie finanzielle Vermögenswerte. Bei diesen Werten handelt es sich zweifellos sowohl um Vermögensgegenstände als auch um Wirtschaftsgüter. Die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit ist handelsrechtlich und steuerrechtlich unstrittig.
Schwieriger zu beurteilen sind die sonstigen wirtschaftlichen Vorteile. Der Vergleich zwischen einem Wirtschaftsgut und einem Vermögensgegenstand konzentriert sich auf die Gegenüberstellung der Kriterien „selbständige Bewertbarkeit“ sowie „selbständige Verwertbarkeit“ bei sonstigen wirtschaftlichen Vorteilen. Aus dieser Formulierung wird unmittelbar deutlich, dass das steuerrechtliche Kriterium der selbständigen Bewertbarkeit den Kreis der abstrakt bilanzierungsfähigen wirtschaftlichen Vorteile weiter abgrenzt als das handelsbilanzielle Merkmal der selbständigen Verwertbarkeit. Ein wirtschaftlicher Vorteil gilt bereits dann als Wirtschaftsgut, wenn er bei einer Veräußerung des gesamten Unternehmens als Einzelheit ins Gewicht fällt, dh der gedachte Erwerber des ganzen Betriebs würde für den betrachteten Vorteil ein gesondertes Entgelt ansetzen, m.a.W. der Gesamtkaufpreis würde sich verringern, wenn der betrachtete wirtschaftliche Vorteil nicht vorhanden wäre. Da handelsrechtlich auf das Merkmal der selbständigen Verwertbarkeit abgestellt wird, ist für das Vorliegen eines Vermögensgegenstands die Übertragbarkeit mit dem gesamten Unternehmen nicht ausreichend, vielmehr muss der wirtschaftliche Vorteil als solcher, dh einzeln, verwertbar sein.
Damit besteht offensichtlich ein Widerspruch: Einerseits wird mit Hinweis auf das Maßgeblichkeitsprinzip von einer Identität von Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand ausgegangen, andererseits geht das Merkmal „selbständige Bewertbarkeit“, anhand dessen die Aktivierungsfähigkeit für die steuerliche Gewinnermittlung beurteilt wird, weiter als das handelsrechtliche Aktivierungskriterium „selbständige Verwertbarkeit“. Selbständige Bewertbarkeit beinhaltet als Untermenge selbständig verwertbare Vorteile. Aber nicht jeder selbständig bewertbare wirtschaftliche Vorteil kann für sich (eigenständig) Gegenstand des Rechtsverkehrs sein.
Um diesen Widerspruch aufzuheben, hat der Bundesfinanzhof im Zeitablauf seine Rechtsprechung in zweifacher Weise geändert:
– | 1. Modifikation. Der Begriff des Wirtschaftsguts wurde dadurch enger gefasst, dass an das Vorliegen des Kriteriums „Einzelbewertbarkeit“ höhere Anforderungen gestellt werden, m.a.W. dem Gedanken einer objektivierten Vermögensermittlung wird eine größere Bedeutung beigemessen. |
– | 2. Modifikation. Das handelsrechtliche Kriterium der selbständigen Verwertbarkeit wird vom Bundesfinanzhof im Sinne einer „bilanziellen Greifbarkeit“ interpretiert. Dies führt dazu, dass der Begriff Vermögensgegenstand von der Finanzrechtsprechung weit ausgelegt wird. Die Aktivierungsfähigkeit eines wirtschaftlichen Vorteils ist bei dieser Interpretation handelsrechtlich bereits dann erfüllt, wenn dieser Vorteil bei einer Veräußerung des ganzen Unternehmens als Einzelheit ins Gewicht fällt und sich nicht ins Allgemeine verflüchtigt. |
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