(2) Abstrakte Bilanzierungsfähigkeit: Bei der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit ist zu klären, ob der betrachtete wirtschaftliche Sachverhalt inhaltlich unter eine bestimmte Bilanzposition subsumiert werden kann. In diesem Zusammenhang ist festzulegen, ob er die Begriffsmerkmale dieser Position erfüllt. Hierbei kommt es insbesondere zu einer Konkretisierung der Begriffe „aktives Wirtschaftsgut“ und „passives Wirtschaftsgut“. Darüber hinaus ist der Inhalt von Rechnungsabgrenzungsposten sowie von steuerfreien Rücklagen zu bestimmen.
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(3) Konkrete Bilanzierungsfähigkeit: Bei der konkreten Bilanzierungsfähigkeit ist anhand der speziellen gesetzlichen Regelungen und der im Einzelfall geltenden Verhältnisse zu prüfen, ob ein wirtschaftlicher Sachverhalt, bei dem die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit gegeben ist, tatsächlich in der Steuerbilanz angesetzt wird. Die konkrete Bilanzierungsfähigkeit unterteilt sich in zwei Bereiche:
– | Ansatzpflicht, -wahlrecht oder -verbot, |
– | persönliche und sachliche Zurechnung. |
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(a) Ansatzpflicht, -wahlrecht oder -verbot: Für jeden abstrakt bilanzierungsfähigen Sachverhalt ist festzulegen, ob die für die steuerrechtliche Gewinnermittlung geltenden Vorschriften die Bilanzierung verbindlich regeln (Ansatzpflicht oder Ansatzverbot) oder ob sie dem Steuerpflichtigen die Entscheidung überlassen (Ansatzwahlrecht).
In Teilbereichen sind die gesetzlichen Regelungen zum Ansatz dem Grunde nach in der Form differenziert ausgestaltet, dass die Bilanzierung nur unter bestimmten Bedingungen zwingend oder wahlweise zulässig ist. Liegen die zusätzlich geforderten Kriterien nicht vor, darf der Sachverhalt nicht in die Steuerbilanz aufgenommen werden.
Beispiel:
Immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind abstrakt bilanzierungsfähig, da sie die begrifflichen Merkmale eines Wirtschaftsguts erfüllen. Sie dürfen in der Steuerbilanz aber nur aktiviert werden, wenn der Steuerpflichtige sie entgeltlich erworben hat. Liegt das Zusatzkriterium „entgeltlicher Erwerb“ vor, besteht für die steuerliche Gewinnermittlung eine Ansatzpflicht. Fehlt diese zusätzliche Voraussetzung, dh es handelt sich um ein selbst erstelltes immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, gilt steuerrechtlich ein Aktivierungsverbot (§ 5 Abs. 2 EStG).[1]
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(b) Persönliche und sachliche Zurechnung: Bei einem abstrakt bilanzierungsfähigen Sachverhalt, der entweder ansatzpflichtig ist oder bei dem sich der Steuerpflichtige dazu entschieden hat, das Ansatzwahlrecht auszuüben, ist zusätzlich die Zurechnung zu prüfen. Die Zurechnungsprüfung lässt sich mit folgender Frage gleichsetzen: „Bei wem ist der abstrakt bilanzierungsfähige Sachverhalt im Betriebsvermögen zu bilanzieren?“
Die Zurechnungsproblematik weist also zwei Merkmale auf:
– | persönliche Zurechnung: Wer hat das Wirtschaftsgut zu aktivieren? |
– | sachliche Zurechnung: Ist das Wirtschaftsgut im Betriebsvermögen zu erfassen, oder ist es dem Privatvermögen zuzuordnen? Bei einer Zuordnung zum Privatvermögen ist eine Bilanzierung in der Steuerbilanz nicht möglich. |
Während die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit sowie die gesetzlichen Regelungen zum Ansatz bei jeder Bilanzposition im Einzelnen zu untersuchen sind, stellt sich die Zurechnungsfrage in erster Linie für den Ansatz von aktiven Wirtschaftsgütern und Verbindlichkeiten. Bei den anderen Bilanzpositionen (Rechnungsabgrenzungsposten, Rückstellungen, steuerfreie Rücklagen) ist die Zurechnung im Regelfall eindeutig.
Abb. 12:
Prüfkriterien für die abstrakte und konkrete Bilanzierungsfähigkeit
Anmerkungen
Handelsbilanziell wird ein Ansatzwahlrecht eingeräumt (§ 248 Abs. 2 S. 1 HGB).
1. Begriff des aktiven Wirtschaftsguts
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(1) Begriffsinterpretation durch die Finanzrechtsprechung: Der Begriff des aktiven Wirtschaftsguts ist gesetzlich nicht definiert. Der in § 4 Abs. 1 S. 2 EStG enthaltene Klammerzusatz, wonach als Wirtschaftsgüter Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen anzusehen sind, ist zu unbestimmt, um als allgemein verbindliche Interpretation der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit von wirtschaftlichen Werten verwendet werden zu können. Der Begriff des Wirtschaftsguts wurde vielmehr von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs eingeführt und vom Bundesfinanzhof weiterentwickelt. Der Begriff des Wirtschaftsguts wird sowohl für Vermögensvorteile als auch für Belastungen verwendet, sodass von aktiven (positiven) Wirtschaftsgütern bzw von passiven (negativen) Wirtschaftsgütern gesprochen wird.[1]
Nach ständiger Rechtsprechung fallen unter den Begriff des Wirtschaftsguts (1) Sachen und Rechte im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie (2) sonstige wirtschaftliche Vorteile, die nach der Verkehrsauffassung selbständig bewertbar sind:[2]
Abb. 13:
Definition des aktiven Wirtschaftsguts
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(2) Sachen und Rechte im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs: Das Vorliegen eines Wirtschaftsguts ist unstrittig gegeben, wenn es sich um einen körperlichen (materiellen) Gegenstand handelt, also um eine Sache im Sinne des § 90 BGB. Die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit ist darüber hinaus bei immateriellen Werten gegeben, sofern diese nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch als Recht (unkörperlicher Gegenstand) angesehen werden.
Zu den Wirtschaftsgütern gehören auch finanzielle Vermögenswerte, wie Kassenbestände, Bankguthaben, Schecks, Forderungen, Beteiligungen (Aktien, GmbH-Anteile, Anteile an Genossenschaften) oder festverzinsliche Wertpapiere, da sie jeweils bestimmte Rechtspositionen repräsentieren.
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(3) Sonstige selbständig bewertbare wirtschaftliche Vorteile: Durch die Erweiterung des Begriffs des Wirtschaftsguts um sonstige wirtschaftliche Vorteile gelten auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und sonstige vermögenswerte Vorteile als abstrakt bilanzierungsfähig, sofern diese nach der Verkaufsauffassung selbständig bewertbar sind.
Selbständige Bewertbarkeit liegt vor, wenn der wirtschaftliche Vorteil bei einer Übertragung als Einzelheit von Bedeutung und als solcher greifbar ist. Es wird darauf abgestellt, ob sich dem sonstigen wirtschaftlichen Vorteil ein Betrag zuordnen lässt, der im Rahmen des Unternehmens