Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung gelten prinzipiell für alle Rechtsformen, da die handelsrechtlichen Vorschriften (zB § 238 Abs. 1, § 243, § 256 HGB) keine rechtsformabhängigen Differenzierungen vornehmen. Aus steuerrechtlicher Sicht ist die Unabhängigkeit der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb von der Rechtsform des Unternehmens unverzichtbar. Durch die unmittelbare steuerliche Wirkung der GoB würden rechtsformspezifische Unterschiede in der Anwendung oder Auslegung der GoB gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoßen.
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Setzt der Steuerpflichtige in seiner Buchführung ein Datenverarbeitungssystem ein, werden die GoB durch die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) konkretisiert.[1] Beispielsweise werden die formalen Anforderungen an die Aufbewahrung von außersteuerlichen und steuerlichen Unterlagen bzw Aufzeichnungen und Unterlagen zu Geschäftsvorfällen, die zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind, präzisiert. Dazu gehören sowohl Unterlagen in Papierform als auch alle Unterlagen in Form von Daten, Datensätzen und elektronischen Dokumenten, die dokumentieren, dass die Ordnungsvorschriften umgesetzt und deren Einhaltung überwacht wurde. Die GoBD umfassen Regeln zur Verantwortlichkeit für die Ordnungsmäßigkeit der Unterlagen, zum Belegwesen, zur zeitlichen und sachlichen Aufzeichnung der Geschäftsvorfälle, zur Unveränderbarkeit und Protokollierung von Änderungen, zum Internen Kontrollsystem, zur Datensicherheit, zur Aufbewahrung, Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Unterlagen sowie zum elektronischen Datenzugriff durch die Finanzverwaltung im Rahmen von Außenprüfungen.
Anmerkungen
Vgl BMF-Schreiben vom 14.11.2014, BStBl. 2014 I, S. 1450 sowie Beckʼscher Bilanz-Kommentar, 11. Aufl., München 2018, § 239 HGB, Anm 27–43; Goldshteyn/Thelen, FR 2015, S. 268; Herrfurth, StuB 2015, S. 250; Müller, SteuK 2015, S. 343; Schumann, EStB 2015, S. 297. Zu den mit den GoBD vergleichbaren handelsrechtlichen Anforderungen siehe IDW RS FAIT 1, FN-IDW 2002, S. 649.
2. Wesen der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
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Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung stellen die allgemeinen Prinzipien für die externe Rechnungslegung dar. Sie gelten neben den zahlreichen speziellen Vorschriften des Handelsgesetzbuchs bzw des Einkommensteuergesetzes. Die GoB dienen als Leitlinie für die Behandlung von Geschäftsvorfällen, für die das kodifizierte Recht keine oder keine ausreichend präzise Regelung enthält.
Die zentrale Bedeutung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung für die handelsrechtliche und steuerrechtliche Rechnungslegung verdeutlicht die Aufzählung der Gesetzesstellen, in denen auf die allgemeinen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften hingewiesen wird:
– | Der Kaufmann hat seine Handelsgeschäfte und die Lage des Unternehmens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen (§ 238 Abs. 1 HGB). |
– | Der Jahresabschluss ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen (§ 243 Abs. 1 HGB). |
– | Der Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft hat unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens–, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln (§ 264 Abs. 2 HGB). |
– | Weitere Erwähnungen der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung finden sich in § 239 Abs. 4, § 241 Abs. 1, 2, 3 Nr 2 HGB (Buchführung und Inventur), § 256 HGB (Zulässigkeit von Bewertungsvereinfachungen), § 257 Abs. 3 HGB (Aufbewahrung von Unterlagen) sowie § 322 Abs. 3 HGB (Bestätigungsvermerk). |
– | Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sind auch für den Konzernabschluss zu beachten (§ 297 Abs. 2 HGB). |
– | Nach § 5 Abs. 1 S. 1 EStG ist in der Steuerbilanz das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Diese Prinzipien bilden die Grundlage für die steuerrechtliche Rechnungslegung (§ 146 Abs. 5, § 147 Abs. 2 AO, H 5.2 EStH). Ferner verweisen § 4 Abs. 2 S. 1 und § 6 Abs. 1 Nr 2a S. 1 EStG zu Einzelfragen auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. |
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Gesetzestechnisch handelt es sich bei den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Der Verweis auf die GoB reduziert den Umfang der notwendigen gesetzlichen Vorschriften. Da eine vollständige gesetzliche Regelung zur Verbuchung sämtlicher denkbarer Geschäftsvorgänge aufgrund der Vielzahl der möglichen wirtschaftlichen Sachverhalte nicht praktikabel ist, ist es sachgerecht, dass die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nicht vollständig kodifiziert sind. Ein weiterer Vorteil der Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs besteht darin, dass beim Auftreten neuer wirtschaftlicher Sachverhalte bzw bei Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse die Interpretation der GoB angepasst werden kann, ohne dass eine Änderung von Gesetzen notwendig ist.
Da der Gesetzgeber Normen geschaffen hat, wie die Unternehmen ihre handelsrechtliche Rechnungslegung auszugestalten haben (insbesondere § 238 – § 289 HGB) und die Steuerpflichtigen diese Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften auch für die ertragsteuerliche Gewinnermittlung zu beachten haben, handelt es sich bei der Handelsbilanz – und über das Maßgeblichkeitsprinzip auch bei der Steuerbilanz – um eine Bilanz im Rechtssinne. Welche Aufgaben eine Bilanz aus betriebswirtschaftlicher Sicht erfüllen soll, steht weder bei der Aufstellung einer Handelsbilanz noch bei der Aufstellung einer Steuerbilanz im Mittelpunkt. Beurteilungsmaßstab bilden vielmehr die gesetzlichen Vorschriften. Dies gilt auch für die Konkretisierung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. Die gesetzlich geregelten und die nicht kodifizierten GoB sind nach rechtswissenschaftlichen Grundsätzen zu interpretieren. Bei der Auslegung der gesetzlichen Vorschriften ist zwar auch deren wirtschaftlicher Gehalt zu berücksichtigen, das Abstellen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ist jedoch Teil einer zweckorientierten Gesetzesauslegung. Die Auslegung von Gesetzesnormen nach den vom Gesetzgeber vorgegebenen Zielen ist ein Teil der Rechtsanwendung. Sie ist zu unterscheiden von der betriebswirtschaftlichen Sichtweise (Behandlung eines Geschäftsvorfalls entsprechend den von der Betriebswirtschaftslehre als sinnvoll angesehenen Bilanzierungszwecken).[1]
Anmerkungen
Vgl Moxter, StuW 1983, S. 300.
3. Herleitung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
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(1) Einführung: Der unbestimmte Rechtsbegriff „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung“ bedarf der Konkretisierung, um auf den jeweiligen Einzelfall angewendet werden zu können. Bei der Herleitung der GoB bestehen jedoch erhebliche Schwierigkeiten, weil es sich bei den GoB nicht um ein starres System handelt. Vielmehr unterliegen die GoB