Eingriffsverwaltung
Unterscheidet man Zweck und Wirkungen der Aufgabenbereiche, dann tritt die öffentliche Verwaltung dem Bürger einerseits mit Anordnungen, Ge- und Verboten sowie Zwang gegenüber, andererseits werden Leistungen gewährt. Unter Eingriffs- und Ordnungsverwaltung versteht man diejenige Verwaltungstätigkeit, die in die Freiheits- und / oder Vermögenssphäre des Bürgers einseitig und rechtsverbindlich eingreift. Dies kommt typischerweise vor bei (Fach-)Polizei- und Finanzbehörden, allerdings auch im Bereich der Sozialverwaltung, z. B. im Rahmen der Schutzgewährung durch Inobhutnahme (§ 42 SGB VIII), Erteilung oder Entzugeiner Betriebserlaubnis (z. B. § 45 SGB VIII, § 13 NHeimG, § 19 HeimG) oder bei Kostenentscheidungen.
Leistungsverwaltung
Im Rahmen der Leistungsverwaltung werden Angebote gemacht, Leistungen gewährt und erbracht, um das Dasein des Einzelnen in der Gemeinschaft zu sichern und zu verbessern (z. B. Sozialhilfe; Erziehungshilfen der Jugendhilfe). In beiden Bereichen gilt nach § 31 SGB I der sog. Gesetzesvorbehalt (2.1.2.1), ebenso wie die anderen verfassungsrechtlichen Grundsätze (z. B. Willkürverbot und Verhältnismäßigkeitsgebot).
4.1.1 Formen des Verwaltungshandelns
Soweit der Gesetzesvollzug im Vordergrund steht, handelt es sich bei der Verwaltungstätigkeit ganz überwiegend um Einzelfallentscheidungen zur Ausführung der Rechtsnormen. Allerdings kann die Sozialverwaltung in ganz verschiedenen Formen handeln (s. Übersicht 15). Wichtig ist das Erkennen dieser Unterschiede vor allem im Hinblick auf die unterschiedlichen Handlungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten im Konflikt.
4.1.1.1 Hoheitliches und fiskalisches Verwaltungshandeln
fiskalisches Verwaltungshandeln
Nicht immer handelt die Verwaltung öffentlich-rechtlich („hoheitlich“), sei es mit Verbot, Anordnung und Zwang bzw. der Gewährung und Durchführung von Leistungen oder der Bereitstellung von Einrichtungen, wie z. B. Schulgebäuden und Krankenhäusern. Nehmen die öffentlichen Träger wie eine Privatperson am Rechtsverkehr teil, entweder im Rahmen ihrer Beschaffungsgeschäfte (sie bestellen z. B. Möbel und Büromaterial, mieten Büroräume an) oder im Rahmen erwerbswirtschaftlicher Geschäfte (Kauf und Verkauf von Grundstücken; Vermietung kommunaler Einrichtungen), nennt man dies fiskalisches Handeln der Verwaltung. Hierbei kommen dann – wie bei jedermann – die Regelungen des Privatrechts zur Anwendung. Die Sozialverwaltung handelt dagegen „hoheitlich“, wenn sie die Interessen der Allgemeinheit und des Gemeinwohls vertritt. Rechtsgrund für „hoheitliches“ Handeln sind dann ausschließlich die Regelungen des öffentlichen Rechts. Abgrenzungskriterium zwischen hoheitlichem und fiskalischem Verwaltungshandeln ist also die zugrunde liegende Rechtsnorm (hierzu 1.1.4); z. B. kann zur Abwendung der Wohnungslosigkeit die Überlassung einer städtischen Wohnung auf der Grundlage eines Mietvertrages erfolgen (wobei dann z. B. Kündigungsfristen des § 565 BGB zu beachten wären) oder aufgrund eines sozialhilferechtlichen Nutzungsverhältnisses (ohne zivilrechtliche Kündigungsfristen, ggf. sofortige Räumung möglich; Grenze: Verhältnismäßigkeit), vgl. OVG Berlin NVwZ 1989, 989. Erfüllt die Exekutive (gesetzlich geregelte) öffentliche Aufgaben (insb. Versorgungsleistungen) in den Formen des Privatrechts, z. B. in Form einer Aktiengesellschaft oder GmbH, so ist sie an die verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden (sog. Verwaltungsprivatrecht, s. 1.1.4).
4.1.1.2 Tatsächliches und regelndes Verwaltungshandeln
schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln
Im Rechtsverkehr unterscheidet man üblicherweise das regelnde (Entscheidung treffende) Verhalten vom tatsächlichen Tun. Soweit Letzteres durch einen Mitarbeiter der Sozialverwaltung für den Verwaltungsträger vorgenommen wird, spricht man vom „schlicht-hoheitlichen“ und vorbereitenden Verwaltungshandeln (sog. Realakte). Das umfasst so alltägliche Handlungen wie die Aktenführung oder Dienstfahrt, aber auch die für den Sozialbereich kennzeichnende Beratung, die Erarbeitung von Gutachten und Stellungnahmen oder die Erstellung eines Hilfeplans. Deren Wesensmerkmal ist in allen Fällen, dass keine auf eine gesetzliche Rechtsfolge zielende Entscheidung, also keine Regelung getroffen wird.
Übersicht 15: Rechtsformen des Verwaltungshandelns
Im Hinblick auf das regelnde Verwaltungshandeln wird danach unterschieden, ob die Entscheidungen gegenüber den Bürgern, also mit Außenwirkung, oder aber nur zur Regelung innerbetrieblicher Angelegenheiten getroffen werden. Darüber hinaus lässt sich danach differenzieren, ob die Entscheidung generellen Charakter (seien es Rechtsnormen, wie z. B. kommunale Satzungen – hierzu 1.1.3) oder rein verwaltungsinterne Vorschriften und Richtlinien; hierzu 1.1.3.6) hat oder eine einzelne Person oder einen konkreten Fall betrifft (Einzelfallentscheidung durch VA).
4.1.1.3 Einseitiges und konsensuales Verwaltungshandeln
Verwaltungsakt
Während im Privatrechtsverkehr Entscheidungen zwischen Bürgern durch Vertrag, der durch übereinstimmende Willenserklärungen der Beteiligten zustande kommt (s. II-1.2.4), geregelt werden, ist das häufigste und wichtigste Regelungsinstrument der öffentlichen Verwaltung der Verwaltungsakt (VA), mit dem die Behörden durch einseitiges Handeln eine verbindliche Entscheidung treffen (hierzu III-1.3.1). Im Regelungsinstrument VA wird die besondere Stellung der öffentlichen Verwaltung als „Hoheitsträger“ deutlich, denn der VA ist formal eine einseitige Regelung, deren Wirksamkeit nicht von der Zustimmung des Adressaten abhängt (zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des VA im Einzelnen III-1.3.1.2).
Vertragliche Regelung
Im modernen, sozialen Rechtsstaat muss sich Verwaltung allerdings vornehmlich auch als Dienstleistung begreifen. Der Konsens ist deshalb vielfach schon im Vorfeld, z. B. durch Antrag, Anhörung, Beteiligung und Mitbestimmung, herzustellen. Zudem erfordern viele Leistungsverhältnisse flexible Regelungen, die nur dann Erfolg haben, wenn sie von den Leistungsempfängern akzeptiert werden. Schon deshalb empfiehlt sich eine kooperative Entscheidungsfindung. Aushandlungsprozesse und der öffentlich-rechtliche Vertrag (§ 53 SGB X) kommen nicht nur zwischen Verwaltungsträgern (z. B. zwei Kommunen, die den gemeinsamen Betrieb kommunaler Einrichtungen vereinbaren), sondern auch zwischen Behörden und den Bürgern (z. B. Einzelpersonen oder freien Trägern) zunehmend häufiger vor (hierzu III-1.3.2).Auch bei der Übertragung von Aufgaben der Jugendhilfe auf freie Träger nach § 76 SGB VIII handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag. Umstritten ist der Vertragscharakter bei der Leistungsabsprache nach § 12 SGB XII (nach Bieritz-Harder et al. 2012, § 12 Rn. 4 handelt es nur um eine informelle Absprache und nicht um einen Vertrag). Auch die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II ist kein gutes Beispiel für einen vom Konsens getragenen Vertrag, da insoweit der staatliche Druck eines ersatzweisen VA dahinter steht (§ 15 Abs. 3 S. 3 SGB II). Dagegen kann die Gewährung von Darlehen, z. B. nach §§ 37 f. SGB XII, wie jede andere Regelung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag erfolgen, wenn die Erbringung der Leistung im Ermessen (s. 3.4.1) des Sozialleistungsträgers steht (§ 53 Abs. 2 SGB X). Für den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge gelten zum Teil vom zivilrechtlichen Vertragsrecht abweichende Regelungen (vgl. §§ 53 ff. SGB X; hierzu II-1.3.2).
4.1.2 Träger der Sozialen Arbeit
4.1.2.1 Öffentliche Träger der Sozialverwaltung
Verwaltungen finden sich in vielen Systemen, in Betrieben, Vereinen usw. Soziale Arbeit wird von staatlichen und anderen öffentlichen Trägern sowie von Bürgern, Vereinigungen und anderen sog. freien Trägern geleistet. Als Träger der Sozialverwaltung bezeichnet