UN-Behindertenkonvention
Das am 13.12.2006 von der UN beschlossene Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Convention on the Rights of Persons with Disabilities – CRPD; Resolution 61 / 106 der Generalversammlung der UN) ist in Deutschland nach Unterzeichnung (2007) und Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde am 26.03.2009 in Kraft getreten. Diese UN-Konvention zielt neben der Bestärkung der allgemeinen Menschenrechte (Recht auf Leben, Freiheit, Freizügigkeit etc.) auf eine verstärkte Selbstbestimmung, Teilhabe und damit soziale Inklusion von Menschen mit Behinderungen ab (Art. 3 CRPD). In Deutschland war dies bereits durch die Einführung des SGB IX im Jahr 2001 sowie durch das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen im Jahr 2005 (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG) rechtlich umgesetzt worden, wenn auch nur zum Teil. So wendet sich das BGG unmittelbar nur an öffentliche Träger (z. B. Benachteiligungsverbot, § 7 BGG) und verpflichtet diese im Wesentlichen nur, zur Herstellung der Barrierefreiheit (§ 4 BBG) Zielvereinbarungen mit Unternehmen oder Unternehmensverbänden zu schließen (§ 5 BGG). Hör- oder sprachbehinderte Menschen haben überdies grds. das Recht, mit Trägern öffentlicher Gewalt in deutscher Gebärdensprache oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren (§§ 6 und 9 BGG). Blinde und sehbehinderte Menschen können grds. (eingeschränkt durch eine entsprechende Rechtsverordnung) verlangen, dass ihnen z. B. Gerichtsdokumente, rechtlich relevante Bescheide und Vordrucke ohne zusätzliche Kosten in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden.
Die UN-Konvention geht über das BBG und SGB IX hinaus, begreift Behinderung nicht als ein persönliches Defizit (vgl. § 2 SGB IX), sondern vielmehr als Folge gesellschaftlicher Barrieren, die die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen be- bzw. verhindern. Zudem zielt die CRDP auf eine tatsächliche soziale Inklusion und verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, wirksame und geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderungen eine volle Einbeziehung (inclusion) und Teilhabe in der Gemeinschaft (participation) zu erleichtern. Dies erfordert für den einzelnen behinderten Menschen einen verbesserten Zugang zu ambulanten, gemeindenahen Unterstützungsleistungen und die Umstellung staatlicher Eingliederungshilfen in die Form eines sog. persönlichen Budgets gegenüber den öffentlichen Rehabilitationsträgern, mit dem die Selbstbestimmung des behinderten Menschen als „Kunden“ gestärkt werden soll (vgl. § 17 Abs. 2 SGB IX; hierzu s. III-5.4 zum Rehabilitationsrecht). Behinderungen dürfen kein Anlass für den Ausschluss (Exklusion) sein, insb. kein Grund für eine Freiheitsentziehung (Art. 14 CRPD; Einzelheiten hierzu in III-5) oder einer besonderen Beschulung. Kinder mit körperlichen und geistigen Behinderungen werden deshalb künftig in allgemeinbildenden Schulen integriert (inklusiv) unterrichtet werden müssen (zur Umsetzung der CDP s. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2013a u. III-5).
Darüber hinaus haben eine Reihe weiterer UN-Menschenrechtsabkommen Bedeutung für die Soziale Arbeit, die wir hier im Einzelnen nur nennen, aber nicht weiter erläutern können:
■ Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD) 1965, in Deutschland in Kraft seit 1969;
■ Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) 1979, in Deutschland in Kraft seit 1985;
■ Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CAT) 1984, in Deutschland in Kraft seit 1990;
■ Internationales Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (ICRMW) vom 18.12.1990, in Deutschland noch nicht in Kraft;
■ Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen 2006, in Deutschland in Kraft seit 23.12.2010.
Europäische Sozialcharta
Schließlich wollen wir noch auf die Europäische Sozialcharta von 1961 hinweisen, in der sich die Mitgliedstaaten des Europarates zur gemeinsamen Anerkennung wesentlicher sozialpolitischer Grundsätze verpflichten. Auch die Sozialcharta ist kein unmittelbar geltendes EU-Recht, sondern eine multilateral völkerrechtliche Verpflichtung, die die Bundesrepublik Deutschland eingegangen ist (ratifiziert 1964).
von Boetticher / Münder 2009; Borchardt 2015; Haltern 2017; Luhmann 1981 und 2006; Schulze et al. 2015; Wesel 1994 und 2014
www.institut-fuer-menschenrechte.de
1.1.6 Internationales Privatrecht
Auslandsbezug
Vom Begriff widersprüchlich erscheinend, ist das sog. Internationale Privatrecht (IPR) kein Teil des Völker- oder internationalen Rechts. Es ist vielmehr der in Deutschland im EGBGB geregelte Teil des nationalen (materiellen) Privatrechts, der in Fällen mit Auslandsbezug (oder sog. Auslandsberührung) bestimmt, welche nationale Rechtsordnung im Hinblick auf die zivilrechtlichen Fragen (z. B.Wirkungen der Ehe, Scheidungsvoraussetzungen, Sorgerechts- und Unterhaltsfragen) anzuwenden ist (ausführlich Ring / Olsen-Ring 2017). Davon zu unterscheiden sind die verfahrensrechtlichen Regelungen (formelles Recht), insb. die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit (s. nachfolgend), also ob deutsche Gerichte in diesen Streitsachen (zur Zuständigkeit der Strafgerichte vgl. Art. 1b EGStGB; §§ 3 ff. StGB; IV-1.3) überhaupt tätig werden dürfen. Letzteres wird gelegentlich als IPR im weiten Sinne bezeichnet. Beide Bereiche, das IPR im engen wie im weiten Sinn, knüpfen vorrangig an supra- und internationales Recht (insb. Europarecht, s. o. 1.1.5.1) und an internationale Abkommen (s. 1.1.5.2) an, bevor auf die Regelungen des EGBGB bzw. des GVG, der ZPO und des FamFG (hier insb. Abschnitt 9, §§ 97 ff. FamFG) zurückgegriffen wird. Das supranationale Recht verdrängt alle anderen Rechtsquellen, das internationale Recht (inklusive der vielfältigen bilateralen Abkommen) ist lex specialis gegenüber dem nationalen Recht (vgl.Art. 3 EGBGB).
Das IPR hat in Deutschland aufgrund der Einbindung in das sich vereinigende Europa und aufgrund der steigenden Zuwanderung eine zunehmende, von der Praxis vielfach unterschätzte Relevanz. Immer wenn in einem Fall irgendetwas, sei es die Staatsangehörigkeit der handelnden Personen, deren (gewöhnlicher) Aufenthalt oder der Ort des Geschehens, nicht ausschließlich deutsch ist (z. B. binationale Ehe, Heirat von Deutschen im Ausland, Anerkennung von Minderjährigenehen, grenzüberschreitende Tätigkeit der Kinder- und Jugendhilfe oder anderer Einrichtungen, Organisationen und Behörden, Aufenthalt einer deutschen Pflegefamilie im Ausland, Auslandsadoption, Arbeitsstelle oder Ferienhaus eines Deutschen im Ausland bzw. eines Nichtdeutschen in Deutschland), liegt ein Auslandsbezug vor, sodass zwingend die Zuständigkeit der nationalen Gerichte sowie die Fragen des IPR i. e. S. vorab zu klären sind, bevor man sich der inhaltlichen Lösung des Falles annehmen kann. Das IPR regelt das Verhältnis der mitunter konkurrierenden und zu unterschiedlichen Ergebnissen führenden nationalen Rechtsordnungen.
Internationale Zuständigkeit
Die sog. Brüssel-IIa-Verordnung von 2003 (Nr. 2201 / 2003 / EU) enthält Vorschriften über die Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Ehe- und Kindschaftssachen.
Nach dem Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ) von 1996 (in Deutschland seit 01.01.2011 über das IntFamRVG in Kraft) richtet sich die internationale