Grundzüge des Rechts. Thomas Trenczek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Trenczek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846387269
Скачать книгу
ist die Verwaltung (auch derartiger Unternehmen) an die verfassungsrechtlichen Grundsatzentscheidungen und Verwaltungsgrundsätze (z. B. Sozialdatenschutz, Akteneinsichtsrecht, Kostendeckungsprinzip) gebunden (vgl. BGH NJW 1992, 171, 173). Aus diesem Grund steht es einem in privatrechtlichen Formen betriebenen kommunalen Versorgungsunternehmen nicht völlig frei, mit welchen Nutzern es Verträge schließt, sondern es ist verpflichtet, grds. allen Bürgern zu gleichen Bedingungen Versorgungsleistungen anzubieten (sog. Kontrahierungszwang).

      Zwei-Stufen-Theorie

      Gelegentlich werden öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Handlungsformen miteinander verknüpft. So schließt sich auf der Grundlage einer öffentlichen Entscheidung, z. B. über die Bewilligung einer Leistung („Ob“), ein privatrechtlicher Vertrag an, der das „Wie“ der Leistung, also die Einzelheiten der Vergabe regelt. Nach dieser sog. Zwei-Stufen-Lösung/-Theorie richtet sich die Bewilligung der Leistung nach dem öffentlichen Recht, womit wieder v.a. die Grundrechte Geltung beanspruchen. Die Ausgestaltung der Rechtsbeziehung im Einzelnen erfolgt dann nach den privatrechtlichen Regelungen (z. B. Miet-, Darlehensvertrag).

      Rechtsweg

      Wichtig ist diese Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht vor allem zur Bestimmung des Rechtsweges bei Konflikten zwischen Verwaltungsträgern oder Bürgern und Verwaltung. Nur wenn eine öffentlich-rechtliche Regelung gegenüber dem Bürger getroffen worden ist, z. B. durch einen Leistungs- oder Gebührenbescheid oder einen anderen Verwaltungsakt (hierzu III- 1.3.1), kann der betroffene Bürger den besonderen, für ihn in aller Regel günstigeren Verwaltungsrechtsweg beschreiten. Insbesondere besteht hier ein geringeres Kostenrisiko (z. B. ist das Verfahren in Jugendhilfe- und Sozialhilfeverfahren gerichtskostenfrei); zudem gilt im Verwaltungsgerichtsverfahren das Prinzip der Amtsermittlung, während der Beteiligte eines Zivilverfahrens selbst die Tatsachen und Beweise beibringen muss.

      1.1.5 Europäisches Gemeinschafts- und Völkerrecht

      Europäische Verträge

      Grundlage der Europäischen Union waren die sog. Pariser Verträge von 1954 (durch die das Besatzungsstatut über Westdeutschland beendet und dieses in den militärischen WEU-Beistandspakt eingegliedert wurde) und die „Römischen Verträge“ zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden, mit denen 1957 zunächst die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG 1957) und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom / EAG) gegründet wurden, sowie der bereits 1951 geschlossene Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, sog. Montanunion). Durch den sog. Maastricht-Vertrag vom 07.02.1992 wurde der ergänzende EU-Vertrag zur politischen Zusammenarbeit geschlossen (eigentlicher Gründungsakt der Europäischen Union; zur Ratifikation des Maastrichter Vertrags vgl. BVerfG 2 BvR 2134, 2154 / 92 – 12.10.1993 – E 89, 155). Einige Änderungen des EWG-Vertrages wurden vorgenommen (insb. Erweiterung der Gemeinschaftskompetenzen sowie institutionelle Änderungen, z. B. Einführung des Europäischen Währungsinstituts als Vorgängerinstitution der Europäischen Zentralbank, die am 01.06.1998 ihre Arbeit aufnahm, vgl. Art. 282 AEUV; zudem Festlegung der sog. Konvergenzkriterien zur Sicherung der Preisstabilität und Begrenzung des Haushaltsdefizits). Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wurde in Europäische Gemeinschaft (EG) umbenannt, ohne dass damit die drei Teilgemeinschaften aufgelöst wurden (der Vertrag zur Montanunion ist allerdings 2002 nach 50 Jahren außer Kraft getreten). Zu differenzieren war nun zwischen der Europäischen Gemeinschaft (EG) und der Europäischen Union (EU), wobei sich Letztere als – im Unterschied zur EG noch nicht rechtsfähige – „Dachorganisation“ auf die EG, aber auch auf die zwischenstaatliche polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit im Strafrechtsbereich (PJZS) sowie die Gemeinsame Außen- und Sicherpolitik (GASP) stützte (sog. Drei-Säulen-Modell; vgl. Haltern 2017, § 2C).

      Europäische Union

      Allerdings waren mit dieser Struktur wesentliche inhaltliche Fragen wie z. B. die Entscheidungsmechanismen oder die Frage einer Unionsbürgerschaft nicht geklärt worden; das Legitimitätsdefizit des Europäischen Parlaments blieb bestehen. Auch die Bemühungen zugunsten einer gemeinsamen Sozialpolitik waren bis dahin gescheitert (vgl. Haltern 2017, § 2C). Mit dem Vertrag von Amsterdam 1997 wurden die Mitwirkungsbefugnisse des Europäischen Parlaments erweitert (z. B. Zustimmung bei der Ernennung des Kommissionspräsidenten), im Hinblick auf eine zu koordinierende Außenpolitik wurde das Amt des Hohen Vertreters für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) eingeführt, wichtige Schritte zu einer institutionellen Reform der EU aber vertagt. Mit dem Vertrag von Nizza 2001 beauftragten die Mitgliedstaaten einen Konvent zur Schaffung einer europäischen Verfassung inklusive der bereits in Nizza feierlich verabschiedeten, aber noch nicht rechtlich verbindlichen Grundrechtecharta. Allerdings scheiterte der Verfassungsvertrag nach den ablehnenden Referenden in Frankreich und den Niederlanden.

      Nicht zuletzt wegen der verfassungsrechtlichen Problematik und nationalen Vorbehalte etablierte sich Europa weniger als Gemeinschaft der Bürger, sondern eher als gemeinschaftlicher Wirtschaftsraum. Im Alltag besonders sichtbar war die Einführung des Euro am 01.01.2002 (vgl. auch Art. 3 Abs. 3 EUV). Mittlerweile (2017) ist der Euro das offizielle Zahlungsmittel in 19 der (noch)28 EU-Staaten (zuletzt ab 2015 auch Litauen) und 6 weiteren Staaten (Andorra, San Marino, Monaco, Vatikanstaat, Kosovo, Montenegro).

      Die „Verfassung“ der Europäischen Union

      Mit dem am 13.12.2007 unterzeichneten Lissabon-Vertrag wurden die ursprünglichen EG- und EU-Verträge geändert, das Drei-Säulen-Modell aufgegeben und ein einheitlicher europäischer Rechtsrahmen geschaffen, wobei wesentliche Inhalte des gescheiterten EU-Verfassungsvertrages übernommen wurden, ohne den neuen Vertrag als Verfassung zu bezeichnen. Der seit Maastricht bestehende „Vertrag über die Europäische Union“ (EUV) wurde damit zum Grundlagenvertrag, der die Ziele und Grundsätze und die Organe der Europäischen Union (EU) beinhaltet. Der noch aus dem Jahr 1957 stammende „Vertrag über die Gründung der Europäischen Union“ (erst EWGV, später EGV) ist in den „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ (jetzt AEUV) überführt worden, der die konkreten Aufgaben und Maßnahmen der EU-Organe und die Politikfelder der EU im Einzelnen regelt (von Boetticher in Münder 2011, 129 f.). Die Europäische Gemeinschaft hat damit aufgehört zu existieren, ihre Zuständigkeiten wurden auf die EU übertragen, die damit eine eigene Rechtspersönlichkeit erhielt und seitdem als Völkerrechtssubjekt in eigenem Namen handeln kann.

      Zuständigkeit der EU

      Im Unterschied zu einem souveränen Staat besitzt die EU aber nur die Kompetenzen, die ihr von den Mitgliedstaaten übertragen wurden (sog. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigungen, Art. 5 Abs. 2 EUV). Darüber hinaus hat sie das Subsidiaritätsprinzip (also den Grundsatz, nur solche Aufgaben wahrzunehmen, die nur auf einer übergeordneten Ebene sinnvoller umsetzbar sind als auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene) und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. 2.1.2.2) zu beachten (Art. 5 Abs. 3 und 4 EUV). Art. 2 ff. des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unterscheidet zwischen ausschließlichen, geteilten und unterstützenden Zuständigkeiten. So ist die EU u. a. für die Handelspolitik und Zollunion ausschließlich zuständig; die Zuständigkeiten z. B. für den Binnenmarkt, für Landwirtschaft und Fischerei, Energie und Verkehr, Umwelt und Verbraucherschutz sowie Teile der Sozialpolitik (Art. 151 AEUV) sind zwischen der EU und den Mitgliedstaaten geteilt, d. h. soweit die Union nicht tätig wurde, können die Mitgliedstaaten Gesetze erlassen (vgl. in Deutschland das Modell der konkurrierenden Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern nach Art. 72 Abs. 1, 74 GG). Unter anderem in der Gesundheits-, Industrie- und Bildungspolitik sowie im Katastrophenschutz ist die EU auf Unterstützungsmaßnahmen beschränkt (vgl. Art. 6 AEUV). Soweit der EU eine Zuständigkeit zukommt, besitzt sie auch die Rechtsetzungskompetenz. Die Außen- und Sicherheitspolitik (bislang GASP) gilt weiterhin als sog. intergouvernementaler Bereich, d. h. die Entscheidungskompetenz verbleibt bei den Mitgliedsstaaten und die EU kann nur Leitlinien durch einstimmigen Beschluss festlegen (vgl. Art. 24 EUV). Die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit (früher PJZS) wurde intensiviert und mit der bereits 2002 gegründeten Eurojust eine eigene Justizbehörde zur Unterstützung der grenzüberschreitenden Strafverfolgung eingerichtet (Art. 85 AEUV, s. IV-1.3).

      Der