Grundzüge des Rechts. Thomas Trenczek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Trenczek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846387269
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rel="nofollow" href="#ulink_5b4db42a-4c57-58a3-ad21-621cf2cee53e">1.1.2) gespeist, sie werden von unterschiedlichen Institutionen erlassen, sie richten sich an unterschiedliche Adressatenkreise und besitzen einen unterschiedlichen Grad an Verbindlichkeit. Recht ist ein Gefüge sozialer Normen, die allen Mitgliedern der Gesellschaft ein bestimmtes Verhalten verbindlich vorschreiben und deren Einhaltung durch staatliche Instanzen notfalls auch mit Zwang garantiert wird. Der moderne Rechtsstaat setzt dabei auf das geschriebene Recht. Ein Rechtssatz oder eine Rechtsnorm ist ein verbindliches Gebot oder Verbot, welches die folgenden fünf Wesensmerkmale aufweisen muss:

      ■ Rechtsnormen gelten für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen (abstrakte Regelung). Um möglichst alle zukünftigen Konfliktsituationen zu regeln, sind Normtexte so abstrakt wie möglich formuliert, worunter allerdings die Verständlichkeit für den „Normalbürger“ leidet.

      ■ Rechtsnormen richten sich grds. an eine unbestimmte, bei ihrem Erlass nicht feststehende Vielzahl von Personen (generelle Regelung). Zwar mag ein einzelner Fall Anlass zu einer gesetzlichen Regelung geben, ein Einzelfallgesetz (welches nur einen konkreten Fall oder einen ganz bestimmten Adressaten betrifft) ist allerdings verfassungswidrig (Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG).

      ■ Rechtsnormen werden von dem (verfassungsrechtlich) zur Rechtssetzung befugten Organ (z. B. dem Parlament, hierzu 2.1) in einem formell festgelegten Verfahren erlassen und

      ■ bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der amtlichen Publikation in bestimmten Verkündungsorganen (z. B. dem Bundesgesetzblatt oder den Mitteilungsorganen der Länder und Kommunen).

      ■ Für Rechtsnormen ist ferner charakteristisch, dass sie unmittelbar kraft staatlichen Geltungswillens verbindlich sind und zu ihrer Durchsetzung notfalls staatlicher Zwang angewendet werden kann. Insbesondere hierin unterscheidet sich das Recht von anderen gesellschaftlichen Konventionen, von Sitten und Gebräuchen.

      Recht und Gesetz – Begrifflichkeiten

      Mit einem zunächst auf das innerstaatliche Rechtssystem beschränkten Blick (zum unmittelbar geltenden europäischen Gemeinschaftsrecht und sonstigem internationalen Recht vgl. 1.1.5) lassen sich Rechtsnormen in vier Gruppen einteilen, wobei man insb. ursprüngliche und abgeleitete Rechtsnormen unterscheidet. Ursprüngliche Rechtsnormen werden vom Volk selbst oder von den verfassungsgemäß hierzu berufenen Organen erlassen. Man bezeichnet diese auch als formelle Gesetze, weil sie auf parlamentarischem Wege zustande gekommen sind (s. 1.1.3.2). Hiervon abgeleitete Rechtsnormen erlässt die vollziehende Gewalt (Exekutive: Regierung und Verwaltung) aufgrund einer besonderen Ermächtigung des ursprünglichen Normgebers bzw. sog. Selbstverwaltungsträger (z. B. Kommunen oder Sozialversicherungen, s. 4.1.2.1) aufgrund der ihr verliehenen Regelungsautonomie. Soweit von der Rechtsnorm unmittelbare Rechtswirkungen für den einzelnen Bürger ausgehen, spricht man von einem Gesetz im materiellen Sinn. Man spricht dagegen von einem Gesetz im nur formellen Sinn, wenn das Gesetz zwar in dem verfassungsmäßig vorgeschriebenen Verfahren durch die Legislative beschlossen worden ist, von ihm aber keine unmittelbaren Rechtswirkungen nach außen ausgehen. Dies ist z. B. bei den Ratifizierungsgesetzen zur Übernahme völkerrechtlicher, internationaler Abkommen oder bei den sog. Haushaltsgesetzen der Fall.

      Durch den als formelles Gesetz erlassenen Haushaltsplan ermächtigt das Parlament die Exekutive, Ausgaben in der festgesetzten Höhe für den festgelegten Zweck zu leisten, z. B. Zuschüsse für den Bau von Altentagesstätten. Die Exekutive hat im Rahmen der Ermächtigung nach pflichtgemäßem Ermessen über die Zuschussgewährung zu entscheiden. Aus dem Gesetz über den Haushaltsplan kann aber ein Bürger- bzw. Trägerverein keinen Anspruch auf einen bestimmten Zuschuss ableiten (vgl. BVerfG NJW 1975, 254; § 3 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung und entsprechende Länderregelungen).

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      keine Rechtsgrundlage für öffentliches Verwaltungshandeln sind:

      ■ Gerichtsurteile

      ■ Verwaltungsvorschriften

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      Zum Einstieg: „Familie Berger“

      Herr Berger aus G. ist seit der Schließung seines Betriebes vor zwei Jahren arbeitslos und erhält Arbeitslosengeld II sowie für seine beiden 11- und 14-jährigen Kinder Sozialgeld nach § 19 Abs. 1 SGB II. Um das Familieneinkommen etwas zu entlasten, trägt Herr Berger jeden Morgen Tageszeitungen aus und erhält hierfür 330 €, seine Tochter erhält etwa 30 € monatlich, die sie sich durch Babysitten beim Nachbarn verdient. Zu Beginn des neuen Schuljahres wechselt die ältere Tochter von der Realschule auf das Gymnasium. Im ersten Schulhalbjahr ist eine 3-tägige Klassenfahrt geplant. Herr Berger sorgt sich, weil er das Geld für Fahrkosten und Unterkunft von insgesamt 110 € nicht aufbringen kann. Darüber hinaus meint seine Tochter, sie könne ohne eine neue, 180 € teure Jeansjacke der Firma Miss Young nicht an der Fahrt teilnehmen. Er fragt, ob das Jobcenter in der Stadt G. (§ 6d SGB II) die Kosten für die Anschaffung der Jacke und die Klassenfahrt für seine Tochter übernimmt. Der Sozialarbeiter des Jobcenters teilt ihm mit, dass Kleidung vom Regelbedarf der Grundsicherung gedeckt sei und dass die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft, mithin kurze Ausflüge, vom notwendigen Lebensunterhalt, also vom Regelbedarf umfasst seien. Nach § 5 Abs. 2 der Verwaltungsrichtlinien der Stadt G. zur Ausführung der Grundsicherung würden Klassen- und Schulfahrten erst ab einer Dauer von einer Woche pauschal mit 20 € pro Tag bezuschusst. Herr Berger habe deshalb keinen Anspruch auf eine darüber hinausgehende einmalige Beihilfe. Ist diese Auskunft / Entscheidung richtig? Zum Beweis der Richtigkeit seiner Aussagen überreicht er Herrn Berger eine Kopie der entsprechenden Verwaltungsvorschriften:

      Auszug aus den Verwaltungsvorschriften der Stadt G. zur Ausführung der Grundsicherung vom 01.03.2011 (VV-Grund):

      § 1: Die nachfolgenden Bestimmungen binden die Stellen der öffentlichen Verwaltung der Stadt G. bei der Ausführung des SGB II i. d. F. vom 1.8.2013 (BGBl. I S. 2954) zum Zwecke der einheitlichen Ermessensausübung mit dem Ziel Gleichheit gewährender und wirtschaftlicher Verwendung kommunaler Haushaltsmittel.

      …

      § 5: (1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Arbeitslosengeld II. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung.

      (2) Der Regelbedarf umfasst insb. Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft …

      …

      (4) Für Schülerinnen und Schüler umfasst der notwendige Lebensunterhalt auch die erforderlichen Hilfen für den Schulbesuch. Darüber hinaus werden Schul- und Klassenfahrten ab einer Dauer von einer Woche pauschal mit 20 € je Tag bezuschusst.

      Die Gesamtheit der – geschriebenen bzw. als Rechtsprinzipien anerkannten – verbindlichen Rechtsnormen (s. Übersicht 2) bezeichnet man als Rechtsordnung oder schlechthin als das Recht. Als Rechtsquelle bezeichnet man – neben dem Naturrecht (s. o.), dem Einigungsvertrag der Europäischen Union (s. 1.1.5) und den allgemeinen Regeln des Völkerrechts (Art. 25 GG) – einerseits das Grundgesetz als im wahrsten Sinne des Wortes „grundlegende“ Verfassung im Hinblick auf die Parlamentsgesetze und öffentlich-rechtlichen Satzungen der Selbstverwaltungsträger (vgl. Art. 28 GG) sowie andererseits die Parlamentsgesetze im Hinblick auf Rechtsverordnungen (Art. 80 Abs. 1 GG).

      Rechtsnormen