Europäische Urbanisierung (1000-2000). Dieter Schott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dieter Schott
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846340257
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Bei außergewöhnlichen Umständen, zum Beispiel dem Tod des Bauern, war durch Abgabe eines Kleidungsstückes oder eines Stücks Vieh eine Art Erbschaftssteuer („Todfall“) zu bezahlen. Häufig bewirtschafteten Bauern neben der Arbeit auf dem Fronhof auch noch ein mehr oder weniger großes Stück Land, das ihnen zwar nicht im modernen juristischen Sinn als Eigentum gehörte, für das sie aber, teilweise auch vererbliche, Nutzungsrechte hatten. Der Grundherr hatte prinzipiell die Verpflichtung, seine Bauern zu schützen und auch im Falle eines Ernteausfalls und dadurch bedingt einer Hungersnot dafür Sorge zu tragen, dass sie nicht verhungerten.6

      Allerdings schuf allmählich die kontinuierlichere Produktion von vermarktbaren Überschüssen an Lebensmitteln auf ökonomischer Ebene größere Spielräume für die Bildung von Städten. Gleichzeitig machte der Landesausbau auch Verwaltungsmittelpunkte für die neu etablierten Märkte notwendig; Sitze von Adligen im Neusiedelland umgaben sich mit Kaufleuten und Handwerkern, die Märkte beschickten.

      2.3 Wege zur mittelalterlichen Stadt

      In der Forschung werden eine Reihe unterschiedlicher Entwicklungswege zur mittelalterlichen Stadt identifiziert: Zahlreiche bedeutende Städte, vor allem im romanischen Bereich Europas, aber auch in dem Teil Deutschlands, wo eine dauerhafte Präsenz Roms wirksam geworden war, gehen auf ehemalige Römerstädte zurück, die meist über ihre Eigenschaft als Bischofssitze überdauerten (in Deutschland etwa Aachen, Köln, Mainz, Regensburg, Trier). Ein zweiter Fokus waren Klostergründungen mit Bischofssitz, etwa Städte wie Bamberg oder Würzburg. Ein dritter Strang zeigt sich in kaiserlichen Pfalzen und fürstlichen Burgen wie Goslar und Paderborn, die als militärisch-herrschaftliche Zentren zu Stadtentwicklungen Anlass gaben. Viertens entstanden Städte aus umzäunten Marktsiedlungen freier Kaufleute (Wik-Siedlungen) wie etwa Hildesheim, wozu dann noch die Zentralität des Bischofssitzes kam. Städte konnten sich fünftens auch aus freien Meierhöfen oder Dörfern mit Marktrecht entwickeln, ein häufigeres Muster in Bayern (Orte mit „Markt“ im Namen), wobei die zentralörtliche wirtschaftliche Funktion im Vordergrund stand. Schließlich konnte [<<32] auch die Präsenz wichtiger Rohstoffe wie etwa Silber, deren Abbau Anlass zur Stadtgründung gab, städtebildend wirken, etwa in Frankenberg oder Freiberg in Sachsen.

      Am Beispiel Hildesheim, oben angeführt für den Entwicklungsweg aus einer Marktsiedlung freier Kaufleute, lässt sich der Prozess der Stadtwerdung und das Wirken der unterschiedlichen Faktoren gut nachvollziehen. [<<33]

      Abb 2 Die Entwicklung von Hildesheim 1000–1300

      Beim späteren Hildesheim mündete ein kleiner, selbst teilweise in mehrere Arme geteilter Bach, die Treibe, in die Innerste, die im flachen Flusstal wiederum in mehrere Arme zerfiel. Die erste nachgewiesene historische Siedlung, ein Straßenmarkt von freien Kaufleuten aus dem 7. Jahrhundert, lag zwischen den beiden Gewässern am Fuß eines steileren Berges, an einem Fernhandelsweg, dem Hellweg. Dieser zog sich durch den Straßenmarkt und führte westlich auf eine Furt, über die man die beiden Arme der Innerste überqueren konnte. Diese Wik-Siedlung bekam ihr Marktrecht