Volker FrederkingFrederking, Volker hat vorgeschlagen, im Rahmen literaturästhetischer Fragestellungen George Herbert MeadMead, George Herbert zum Ausgangspunkt einer »theoriegeschichtlichen Spurensuche«84Frederking, VolkerÄsthetische Bildung zu machen – [35]eine Fragerichtung, die für das vorliegende Thema allein dadurch einsichtig wird, dass Mead sich an der Philosophie John DeweysDewey, John orientiert,85Dewey, JohnFrederking, VolkerÄsthetische Bildung die für das Kreative Schreiben seit dessen Ursprüngen eine schreibpädagogische Basis darstellt.86Glindemann, Barbara Mit Frederking lässt sich Meads Begriff der »ästhetischen Haltung«87Mead, George Herbert für eine ArchäologieArchäologie der Kreativen Schreib-SzeneSchreib-Szene und des Kreativen Schreibens im Rahmen literaturästhetischer Bildung zu Hilfe ziehen, eine Haltung, die sich »in einem verändernden Blick auf sich und die Welt«88Frederking, VolkerÄsthetische Bildung realisiert. Dabei wird der Dichter zum »Musterbeispiel für die potentielle Autonomie des Individuums gegenüber gesellschaftlichen Zugriffen« und sein schreibend geschaffenes literarisches Kunstwerk »zum Beleg für die potentielle Veränderbarkeit von Welt – jenseits aller konventionellen Vorgaben.«89
Dadurch lässt sich das Schreiben eines literarischen Textes »nicht nur als künstlerische Verarbeitung ästhetischer Erfahrungen verstehen, sondern auch als individuelle und kreative FormForm kultureller SelbstkonstruktionSchreiben als kreative Form kultureller Selbstkonstruktion jenseits kollektiver Passformen«; und wenn sich das Schreiben dann hierbei innerhalb einer Kreativen Schreib-SzeneSchreib-Szene abspielt, wird einmal mehr verständlich, was MeadMead, George Herbert meint, wenn er erklärt, dass »Genusswerte« zu ziehen sind, wenn »wir Werke großer Künstler ästhetisch verstehen«, Genusswerte, »die unsere eigene Lebens- und Handlungsinteressen erfüllen und interpretieren«, da die Menschen in Kunstwerken »den Sinn ihrer eigenen Existenz ausdrücken können.«90Mead, George Herbert
[36]George Herbert MeadMead, George Herbert
war ein US-amerikanischer Soziologe, Sozialpsychologe und Philosoph, der sich neben seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit intensiv für sozialreformerische Projekte engagierte. Während seines Philosophiestudiums ab 1887 an der Harvard University hörte er Vorlesungen bei Josiah Royce, George H. Palmer und Francis Bowen. Mit Hilfe eines Stipendiums studierte er 1888/89 zeitweilig in Deutschland bei Wilhelm Wundt an der Universität Leipzig und bei Wilhelm Dilthey, Hermann Ebbinghaus, Gustav Schmoller und Friedrich Paulsen in Berlin. 1891 wurde er Dozent an der University of Michigan, wo er Charles H. Cooley und vor allem John DeweyDewey, John kennen lernte, mit dem ihm eine lebenslange Freundschaft verband; 1894 wechselte er mit diesem als Assistenzprofessor an die University of Chicago. Dort setzte sich Mead für die Reformpädagogik ein, die wiederum auch wichtigen Einfluss auf sein sozialpsychologisches Werk ausgeübt hat, in dessen Zentrum die Entstehung der menschlichen Identität und die Genese des Bewusstseins steht.
Werke u.a.: Mind, Self, and Society (1934) – The Philosophy of the Act (1938) – The Philosophy of the Present (1932) – Movements of Thought in the Nineteenth Century (1936).
Die Kreative Schreib-SzeneSchreib-Szene ist mehr noch als die generelle, von Schreiber zu Schreiber individuell divergierende Schreib-Szene durch die ihr inhärente ästhetische Tätigkeit in einer Art kultureller Situation situiert; im Akt des durch Literatur kreativ geprägten Schreibens ist der Akt des Lesens wie des Gelesen-Werdens stets vorhanden: Jede Rezeption ist, literaturästhetisch gesagt, »Ausgangspunkt symbolvermittelter kultureller Selbstvergewisserung«, wodurch »sich auch das Selbst- und Weltverhältnis des Lesenden« und des Schreibenden verändert,91Frederking, VolkerÄsthetische Bildung mithin des Literatur-Produzenten wie des Literatur-Rezipienten (fallen sie in einer Person zusammen oder nicht). Dieses erfährt in der so eigens beförderten ästhetischen ErfahrungÄsthetische ErfahrungÄsthetische Erfahrung eine »grundlegende Wandlung.«92
[37]Durch die Kreative Schreib-SzeneSchreib-Szene und das Kreative Schreiben wird so auch eine Integrationshilfe zur Findung kultureller Identität vermittelt. Der literarisch Schreibende wie auch der genuin literarische AutorAutor beobachten sich selbst im Prozess des Schreibens und aus der Perspektive dessen, was Schreiben und dann auch Sprache und Literatur als künstlerisch-ästhetischer Ausdruck unter verschiedenen (technischen, kulturellen, sozialen, medialen etc.) Bedingungen für sich selbst und die reale oder fiktionale Welt jeweils evoziert und bedeutet; gemacht wird eine ästhetische Erfahrung, die sich »auf eine transzendente Dimension von Wirklichkeit hin öffnen«93Spinner, Kaspar H.Ästhetische Bildung kann.
1.2. Schreibprozesse und kulturelle Praxis
Der so zum Ausdruck kommende Charakter des Schreibens als (nochmals nach FlusserFlusser, Vilém) »Ausdruck eines eindimensionalen Denkens, und daher auch eines eindimensionalen Fühlens, Wollens, Wertens und Handelns«, »eines Bewußtseins, das dank der Schrift aus den schwindelnden Kreisen des vorschriftlichen Bewußtseins emportaucht« – als »Schriftbewußtsein«»Schriftbewußtsein«94Flusser, Vilém zeigt zugleich an, dass dieses Schreiben weich sein kann, d.h. »plastisch, manipulierbar«.95Papier Denn schreibt man auf PapierPapier, wird ein Text, so Flusser, Zeilen bilden, die einem Schlusspunkt entgegen laufen; er wird ›diskursiv‹ sein und so wird »sein diskursiver Charakter, sein eindeutiges Hinzielen auf einen Schlußpunkt, den auf Papier geschriebenen Text als ein in sich geschlossenes und abgeschlossenes ›Werk‹ […] erscheinen lassen.«96
Schreibt man hingegen nicht zwangsläufig nur auf PapierPapier, ist das Schreib-Produkt, der Text, oft nicht mehr allein »das Resultat eines kreativen Prozesses, sondern er ist selbst dieser Prozeß, er ist selbst ein Prozessieren«.97 Die Frage, die sich an die Schlussfolgerung FlussersFlusser, Vilém anschließt, ist die »nach der Differenz, aber auch nach dem Verhältnis von Schreiben (als Prozeß) und Schrift [38](als Prozeßspur)«98Spur bzw. dann auch nach demjenigen von SchreibprozessSchreibprozess und Kreativem Schreiben. Vor allem zwei eng miteinander verbundene Strömungen der Forschung, die je eigene Verfahren hervor bringen,99Hoffmann, E.T.A. haben sich der Prozesshaftigkeit des SchreibensSchreiben als Prozess und Prozessspur näher angenommen und Modelle zu deren Erhellung entwickelt. Sie bieten geeignete Anschlussmöglichkeiten, den Prozess des Kreativen Schreibens aus zwei trotz ihrer disziplinären Divergenz und der gegeneinander in Stellung gebrachten Kritik einsichtigen Stoßrichtungen beispielhaft zu beleuchten: aus der Sicht kognitionswissenschaftlich-entwicklungspsychologischer Studien wie sie eine Reihe anglo-amerikanischer ›Klassiker‹ der SchreibwissenschaftSchreibwissenschaft anbieten und auf der Basis textgenetisch-editionstheoretischer Ansätze, wie sie die französische Critique GénétiqueCritique Génétique betreibt.100Hayes, John R.Flower, Linda S.Bereiter, CarlHandschriftDeutungAutor Die Differenz zwischen beiden Disziplinen der SchreibprozessforschungSchreibprozessforschung betrifft u.a. die Betrachtung der SchreibsituationSchreibsituation: Einmal wird diese in Feld- und Laborversuchen ins Auge fasst, um die Zusammenhänge zwischen Wissen, Denken und Schreiben aufzudecken, während dann die eigentlichen (literarischen) Schreibspuren in ihrer Vielfalt und Verflochtenheit im Zentrum stehen.
1.2.1. Entwicklungsaspekte beim Schreiben
In seinem Aufsatz Development in Writing von 1980 hat Carl BereiterBereiter, Carl mit Bezug auf die Arbeiten von John R. HayesHayes, John R. und Linda S. FlowerFlower, Linda S. sowie auch Marlene Scardamalia ein Stufenmodell des [39]SchreibvorgangsEin Stufenmodell des Schreibvorgangs erläutert,101Bereiter, CarlHayes, John R.Flower, Linda S.SchreibprozessBecker-Mrotzek, MichaelBöttcher, IngridSchreibkompetenz das es möglich macht, die Interferenzen zwischen einzeln zu lokalisierbaren Schreib-Entwicklungen empirisch-experimentell mittels Daten zu verfolgen. Schreiben wird von Bereiter in Überarbeitungsprozessen beobachtet und es wird seine Modellierung in der Integration dreier Aspekte gefordert:
[…] die Organisation der kognitiven Schritte, die das Schreiben bestimmen; die Abstufungen des Vorgangs, vom hochbewußten und beabsichtigten zum unbewußten und automatischen