Den Sinn und Zweck (télos) des menschlichen Lebens sieht Platon in der „Vervollkommnung der Seelen“, in der Entfaltung und Steigerung der ethischen und dianoetischen, das heißt verstandesmäßigen, Anlagen und Fertigkeiten. Aufgabe der Polis ist es, diese zu ermöglichen und zu fördern. Erkenntnisleitende Frage der Politeia ist demzufolge, welche Einrichtungen vonnöten sind, um dieses Ziel zu erreichen. Da alle Institutionen im Dienst der „Seelenpflege“ stehen sollen, werden sie aus dem Bild einer „vollkommenen Seele“ abgeleitet. Die menschliche Psyche setzt sich nach Platon aber aus drei Teilen zusammen: den Begierden und Leidenschaften, den Tugenden und der Vernunft. Diese müssen folglich ein organisches Ganzes bilden und sich gegenseitig stützen. In Analogie dazu sieht Platon in der Polis eine Arbeitsteilung vor. Die drei menschlichen Grundvermögen werden von drei Ständen realisiert: für die Vernunft sind die Regenten zuständig, tugendhaft oder tüchtig müssen vor allem die Wächter sein, die Begierden und Leidenschaften sind vornehmlich Sache des einfachen Volkes, der Handwerker und Bauern. Nicht die Gesamtheit der Bürger soll demnach befähigt werden, alle Fertigkeiten gleichermaßen zu entfalten, vielmehr soll jeder „das Seine tun“ und die seiner Stellung entsprechenden Pflichten erfüllen (431d ff.). Für das politische Geschehen sind neben oder nach den Regenten die Wächter ausschlaggebend, die für die Sicherheit der Gemeinschaft und für die innere Ordnung verantwortlich sind. Ihrem Amt und ihrer Erziehung widmet Platon deshalb ganz besondere Sorgfalt (374e ff.). Sie haben sich der Verwirklichung des Gemeinwohls und der Optimierung der Einheit zu widmen und dafür auf jegliches private Glück zu verzichten. Ihre Aufgabe ist die Selbstaufopferung für die durch Wissen erfolgreich gegründete und regierte Stadt. Bei der von ihnen geforderten Tugend oder Tüchtigkeit (areté) sollen wieder alle Einzeltugenden in Rechnung gestellt und Vorkehrungen getroffen werden, die ihre gleichmäßige Ausprägung ermöglichen. Da die vier Grundtugenden (Tapferkeit, Besonnenheit, Gerechtigkeit, Einsicht) – wie schon die Frühdialoge zeigten – ein untrennbares Ganzes bilden (427e), müsste die unverhältnismäßige Entwicklung einer Einzeltugend – etwa der Tapferkeit – ohne gleichzeitige Ausbildung aller anderen eine Dissonanz zur Folge haben (Verwegenheit, Tollkühnheit usw.). Nur dann, wenn sie sich wechselseitig balancieren, kann sich die Polis zu einem harmonischen Ganzen entfalten, das die Einzelnen zu einem gerechten und geglückten Leben befähigt, dessen Ziel und Zweck in der vollkommenen Gemeinschaft und in der Identifikation aller mit dem Ganzen besteht.
Die Polis entstehe, weil kein Mensch sich selbst genügen kann, schreibt Platon (369b ff.). Jeder hat viele andere nötig und ist auf seine Mitmenschen angewiesen. Dies gilt bereits für die Selbsterhaltung und die materielle Reproduktion. Noch deutlicher wird es hinsichtlich der Idee des richtigen und guten Lebens. Im Ausgang von der Idee des Guten, auf die nach Platon letztlich alle guten Dinge, Eigenschaften und Aktivitäten zurückgehen, kann Sokrates seine Gesprächspartner mit nur geringen Schwierigkeiten davon überzeugen, dass in der vollkommen eingerichteten Polis die Frauen und Kinder allen gemeinsam gehören, dass folglich nicht die Eltern über die Eheschließung entscheiden und dass die Erziehung der Kinder kollektiv zu erfolgen hat. Ferner kann er einsichtig machen, dass Privateigentum für das allgemeine Wohlergehen abträglich und die gemeinschaftliche Arbeit auf der Basis gemeinsamen Besitzes vorzuziehen ist – im Frieden wie im Krieg. Der Tausch und seine Medien, Geld und Vertrag, sollen abgeschafft und verboten werden, weil ihnen der Betrug substanziell innewohnt. Schließlich kann Sokrates zeigen, dass die Regenten wissbegierig oder weisheitsliebend, also Philosophen sein müssen, weil Ignoranten, Narren und Idioten nur selten richtige Entscheidungen im Interesse der ganzen Bürgerschaft treffen (vgl. 472d ff.).
Welche Regierungsform wollte Platon etablieren? – Als beste aller denkbaren Verfassungen zeichnet er die gemäßigte Aristokratie und die konstitutionelle Monarchie aus, d. h. Regierungen, die dem Gemeinwohl dienen und sich den Gesetzen der Stadt unterordnen, ohne an ihnen zu rütteln (445e). Nur in diesen Ordnungen herrsche Gerechtigkeit und Güte. Neben diesen gebe es vier weitere Grundtypen von Verfassungen, die Platon als verfehlt betrachtet (544b ff.): 1. die kretische und lakonische Verfassung, die ausschließlich auf den Krieg ausgerichtet ist; 2. die Oligarchie, die auf der Einschätzung des Vermögens beruht, in der die Reichen herrschen und die Armen keinen Anteil an der Regierung haben; 3. die Demokratie, in der die vielen Armen die wenigen Reichen unterdrücken; 4. „die edle Tyrannis, die vierte und letzte Krankheit einer Stadt“. Patriarchalische Herrschaft, korrupte Königsherrschaft und dergleichen lägen in der Mitte zwischen diesen Formen und seien bei Hellenen ebenso wie bei „Barbaren“ anzutreffen. Alle diese Verfassungen resultieren aus der Natur der Bürgerschaft und formen ihrerseits bestimmte Charaktere. Die lakonisch-kretische beispielsweise, die Platon mangels besserer Ausdrücke Timokratie oder Timarchie zu nennen pflegt, entspringe einer streit- und ehrsüchtigen Bürgerschaft und fördere ebendiese Eigenschaften.
Von diesen Beobachtungen ausgehend gelangt Platon zu einer Verfallstheorie bzw. einer Theorie des Verfassungskreislaufs: Der Mensch der Aristokratie sei gut und gerecht (545a), er folge den Gesetzen und bemühe sich um Tüchtigkeit und ein ehrbares Leben. Aus der Aristokratie erwachse die Timokratie, da die nachfolgende Generation der Machthaber die Sitten ihrer Väter missachte und sich in zügelloser Streitlust und Ehrsucht übe. Ihr folgt die Oligarchie, die alle Regierungskompetenzen in den Händen weniger Reicher konzentriert. Ihr Übergang in die Demokratie sei gesetzmäßig und erfolge wegen der Unersättlichkeit des Verlangens nach Reichtum. Es sei offensichtlich, schreibt Platon, „dass man in einer Stadt unmöglich den Reichtum ehren und zugleich Besonnenheit unter den Bürgern erlangen kann. Entweder das eine oder das andere muss man drangeben“ (555c). Wie im obigen Auszug deutlich wird, entstehe eine Demokratie immer dann, wenn die Armen in der Stadt die Oberhand gewinnen und ihre Gegner entweder umbringen oder verbannen, um schließlich die Ämter unter sich zu verlosen (557a). Damit erinnert Platon an den Sturz des Areopags (462/61 v. Chr.) und die Ermordung und Vertreibung der Areopagiten. Die Umwandlung der Demokratie schließlich führe zur Tyrannis (562a ff.), und zwar wegen der übersteigerten Freiheit, die den demokratischen Menschen sich wahllos den wechselnden Begierden hingeben lasse: „Bald berauscht er sich bei Wein und Flötenspiel, dann trinkt er wieder Wasser und magert ab; bald treibt er Gymnastik, dann geht er wieder müßig und kümmert sich um nichts; bald tut er wieder, als beschäftige er sich mit Philosophie; manchmal treibt er Politik, und wenn er aufspringt, redet und handelt er, wie es ihm gerade einfällt“ (561c). Da die Menschen der Demokratie „darin unersättlich und gegen alles andere gleichgültig“ sind, ertöne irgendwann der Ruf nach einer starken Hand, die wieder Ordnung in die aufgewühlte Gesellschaft bringt. Damit schließt sich dann der Kreis. Der Tyrann erzwingt die innere Ruhe, gewöhnt die Bürger wieder an Recht und Ordnung und schafft so die Voraussetzungen für die Rückkehr zur Monarchie bzw. zur gemäßigten Aristokratie usw. Jede Veränderung der Verfassung resultiere daraus, „dass in dem Teile der Bürgerschaft, der die Herrschaft innehat, Uneinigkeit entsteht“ (545c). Der Hauptgrund dafür, dass eine Stadt in Bewegung und Aufruhr gerät, liege in der Entzweiung der Wächter, die sich gegenseitig zu übervorteilen und zu unterjochen suchen (546a ff.).
„Wenn nicht entweder die Philosophen Könige werden in den Städten“, so resümiert der platonische Sokrates, „oder die, die man heute Könige und Machthaber nennt, echte und gründliche Philosophen werden, und wenn dies nicht in eines zusammenfällt: die Macht in der Stadt und die Philosophie, und all die vielen Naturen, die heute ausschließlich nach dem einen oder dem anderen streben, gewaltsam davon ausgeschlossen werden, so wird es, mein lieber Glaukon, mit dem Elend kein Ende haben, nicht für die Städte und auch nicht, meine ich, für das menschliche Geschlecht“ (473d). – Ein solcher Philosophenkönig stand seinerzeit nicht zur Verfügung. Aus diesem Grunde suchte Platon in seinen späten politikphilosophischen