490 v. Chr. besiegten die Athener unter Führung des Miltiades ein persisches Heer bei Marathon. 480 v. Chr. versuchte Xerxes I. (486-465 v. Chr.) auf dem Landweg die Eroberung Griechenlands. Nach der Bezwingung des Thermopylen-Passes fiel ganz Mittelgriechenland in seine Hände. Athen wurde zerstört. Der Feldzug endete jedoch mit einem Debakel für die Perser. Es gelang den Athenern unter Themistokles, die feindliche Flotte bei Salamis vernichtend zu schlagen (479 v. Chr.). Die persische Landmacht wurde bei Platäa, die restliche persische Flotte bei Mykale besiegt. Athen schloss sich 478/77 v. Chr. mit den griechischen Städten im Attischen Seebund zusammen und wurde alsbald zur führenden Macht in der Ägäis.
Auch innenpolitisch kam es in Athen zu gravierenden Veränderungen. 462 v. Chr. wurde unter Ephialtes der Areopag, der alte Adelsrat, gestürzt und gänzlich entmachtet, sodass sich in Athen eine radikale Demokratie entwickeln konnte, die unter Perikles (462-430 v. Chr.) ihre größten Erfolge feierte und in anderen Poleis demokratische Bewegungen zur Nachahmung inspirierte. 449 v. Chr. wurden die Perserkriege im Kallias-Frieden formell beendet. Die Ruhe währte aber nur wenige Jahre. Die Rücksichtslosigkeit der Athener gegenüber ihren Verbündeten schürte den Konflikt mit Sparta und löste alsbald den Peloponnesischen Krieg (431-404 v. Chr.) aus. Da Persien 412 v. Chr. aufseiten Spartas intervenierte, war die Niederlage Athens besiegelt und der Niedergang der demokratischen Polis eingeleitet, die schließlich von den Truppen Philipps II. von Makedonien und Alexanders des Großen (338 v. Chr.) unterworfen wurde.
Während der Peloponnesische Krieg den Abstieg der athenischen Polis bewirkte, waren die Perserkriege zum Fanal des Aufstiegs und zum Katalysator der Demokratisierung geworden. Sie provozierten erste theoretische Reflexionen über die Prinzipien und Formen, Regeln und Normen der Politik, die ihren Niederschlag in den Tragödien des Aischylos, den philosophischen Fragmenten der Sophisten sowie im Geschichtswerk von Herodot fanden. Der Aufeinanderprall der beiden antagonistischen Ordnungsformen führte die Relativität und Fragilität der menschlichen Einrichtungen und Gesetze vor Augen und zwang zur Suche nach stabileren Institutionen und moderateren Umgangsformen, die eine dauerhafte Konfliktlösung versprachen. So erinnert Aischylos in den Persern (aufgeführt 472 v. Chr.) an die zahlreichen Toten und führt den siegreichen Griechen das Schicksal ihrer Opfer vor Augen. Er verdeutlicht den Unterschied zwischen westlicher und östlicher Ordnung und erweist beide als gleichermaßen berechtigte Formen der Organisation des menschlichen Zusammenlebens. Während die orientalische Despotie durch bedingungslose Unterwerfung unter den Despoten gekennzeichnet ist, zeichnet sich die Polis aus durch rechenschaftspflichtige Regierung, durch Redefreiheit und durch Mitbestimmung der Bürger (Die Perser, Vers 239-243, 591-595). Nichtsdestoweniger werden die siegreichen Griechen zur Versöhnung mit dem alten Gegner aufgerufen. Indem die Tragödie das große Leid der geschlagenen Perser zum Thema macht, führt sie den Siegern zum einen ihren Triumph vor Augen und weckt zum anderen Verständnis und Empathie für die Unterlegenen. Hellas und Persia werden als „Schwestern eines Stammes“ (Vers 181-189) betrachtet und an ihre gemeinsame Herkunft erinnert. Herrschaft und Freiheit, Despotismus und Politik werden als alternative Formen der Ordnung erwiesen, die gegenseitigen Respekt verdienen und sich nicht länger bekämpfen sollen.
Von ähnlichen Ambitionen wurde Herodot getrieben, der die beiden feindlichen Lager und ihre unterschiedlichen Lebensformen und Traditionen möglichst vorurteilsfrei darzustellen suchte, um so gegenseitiges Verständnis zu wecken. In eindringlichen Studien rekonstruiert er die Entwicklung der Beziehungen zwischen Griechen und Orientalen von den frühesten Anfängen bis zur Vernichtung der persischen Flotte und zur Befreiung Ioniens. In diesem Kontext steht die berühmte „Verfassungsdebatte“ des Textauszuges, in der die Vorzüge und Nachteile der drei möglichen Regierungsformen – Demokratie, Aristokratie/Oligarchie und Monarchie – erstmals in aller Offenheit erörtert werden. Herodot verlegt die Kontroverse nach Persien und datiert sie in die Zeit vor der Machtergreifung des Dareios (522 v. Chr.). Dabei handelt es sich um einen Anachronismus, da seinerzeit auch in Athen, dem Geburtsort der Demokratie, noch keine „Volksherrschaft“ verwirklicht war. Sie wurde erst im Gefolge der Reformen des Kleisthenes (508/7 v. Chr.) auf den Weg gebracht und konnte sich infolge der Entmachtung des Areopags unter Ephialtes (462 v. Chr.) stabilisieren und schließlich in der Zeit des Perikles als direkte Demokratie etablieren, die nach dem Tod des großen „Demagogen“ jedoch von zwielichtigen „Volksführern“ für ihre eigenen Machtinteressen instrumentalisiert und missbraucht wurde. Herodot projiziert demnach athenische Erfahrungen aus der perikleischen und nachperikleischen Zeit nach Persien und in die Frühzeit zurück, wenn er die Stärken und Schwächen der Demokratie erörtert. Er versucht dem Anachronismus-Verdacht vorzubeugen, indem er den einschlägigen Absatz mit den Worten eröffnet, es seien seinerzeit Reden gehalten worden, „die zwar einigen Hellenen unglaublich erscheinen, die aber trotzdem wirklich gehalten wurden“.
Im Gegensatz zur Alleinherrschaft eines Mannes verdiene die Herrschaft des Volkes schon durch ihren Namen, die Gleichberechtigung aller, den Vorzug, lässt Herodot den ersten Redner (Otanes) sagen. „Sie bestimmt die Regierung durchs Los, und diese Regierung ist verantwortlich; alle Beschlüsse werden vor die Volksversammlung gebracht.“ Dagegen rät der zweite (Megabyzos) zur Oligarchie, da es „nichts Unverständigeres und Hochmütigeres [gebe] als die blinde Masse“. „Wir sollten vielmehr einem Ausschuss von Männern des höchsten Adels die Regierung übertragen.“ Der dritte schließlich (Dareios) begründet die Vorzüge der Monarchie mit dem Hinweis auf die immer wieder ausbrechenden Privatfehden in der Oligarchie und auf die zwangsläufig sich einstellende „Schlechtigkeit und Gemeinheit“ des Volkes in der Demokratie.
Diese Überlegungen wurden später von der Politischen Philosophie aufgegriffen und weiter vertieft. Sie fanden ihren klassischen Ausdruck in Platons Dialogen und in der Politik des Aristoteles. Auch sie erörtern ausgiebig die Stärken und Schwächen der einzelnen Regierungsformen und plädieren schließlich für ein Philosophenkönigtum (Platon) bzw. für eine Mischverfassung (Aristoteles), da alle reinen Formen die Gefahr der Entartung in sich bergen.
Auch in der heutigen Demokratiediskussion finden sich die von Herodot kontrastierten Topoi in nur wenig verwandelter Gestalt. Zwar wird in den modernen Gesellschaften des Westens kaum mehr ernsthaft die Rückkehr zur Monarchie gefordert – allenfalls der Ruf nach einem „starken Mann“ und einer Diktatur ertönt –, doch handelt es sich bei den dort etablierten repräsentativen Demokratien um „Mischverfassungen“, wie sie bereits Aristoteles für die antike Polis vorgeschlagen hatte. Umstritten bleibt allerdings, wie die moderne Demokratie zu verstehen und zu praktizieren ist. Können sich die Verfechter einer weitergehenden Demokratisierung von Gesellschaft und Staat zur Untermauerung ihrer Ambitionen auf die Erfolge der antiken Demokratie berufen, so können ihre Gegner mit gleichem Recht auf ihren Missbrauch unter den Nachfolgern und Epigonen des Perikles und auf die schon von Herodot benannte „Schlechtigkeit“, „Dummheit“ und „Unberechenbarkeit“ des Volkes verweisen, die der Einführung plebiszitärer Formen der Demokratie im Wege stehen.
→ Dieser Beitrag ist digital auffindbar unter: DOI https://doi.org/10.46499/1651.2034
Thukydides: Die Vorzüge der athenischen Demokratie
Ausgewählt und interpretiert von Klaus Roth
Rede des Perikles (ca. 420-404 v. Chr.)
Die Verfassung, nach der wir leben, vergleicht sich mit keiner der fremden;