Abbildung 2 auf Seite 25 gibt einen zusammenfassenden überblick über das Wesen der „inhaltlichen‟ gegenüber der „zählenden‟ Forschungswelt. [24]
Abbildung 2: Qualitative und quantitative Methoden
In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels werden die gebräuchlichsten Arten und Anwendungsfälle qualitativer und quantitativer Forschungsmethoden überblicksmäßig skizziert. Die Reihenfolge der Darstellung erfolgt aufgrund mannigfaltiger Kombinations- und Anwendungsmöglichkeiten der einzelnen Methoden willkürlich.
2.3 | Inhaltsanalyse
Inhaltsanalysen erforschen Kommunikationsinhalte, indem sie Aussagen und Bedeutungen untersuchen. Gegenstand einer Inhaltsanalyse können (Zeitungs-)Texte, Bilder, Radio- und Fernsehsendungen, Webseiten, Social Media, Bücher, Filme, Plakate, Firmenlogos, Firmenauftritte usw. sein. Die Basis der Analyse stellen von Personen geäußerte oder in Medien publizierte schriftliche, bildliche oder akustische Inhalte dar.
Inhaltsanalysen vereinen oft qualitative und quantitative Elemente: Neben dem Zählen des Auftretens von Aussagen, Bildern, Artikellängen, Artikelthemen etc. (quantitative Inhaltsanalyse) erfolgt oft auch eine bedeutungsmäßige Analyse der gezählten Wortinhalte (qualitative Inhaltsanalyse).
So könnte eine Inhaltsanalyse Artikel (aller Tageszeitungen eines Landes in der ersten Januarwoche eines bestimmten Jahres) zum Thema „Klimaveränderung‟ untersuchen. Sie könnte das Vorkommen des Wortes „Klimawandel‟ zählen und zwischen Boulevard- und Qualitätspresse vergleichen (quantitative Inhaltsanalyse). Wenn in weiterer Folge aus dem Artikelkontext heraus zusätzlich auch noch eine Bewertung erfolgt, ob der Beitrag [25] verharmlosend, sachlich neutral oder alarmierend verfasst wurde, wird damit auch eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt.
Ein sehr wichtiges Element jeder Inhaltsanalyse ist ein gutes Codierschema. Darin müssen alle zu analysierenden Dimensionen und deren Ausprägungen klar definiert werden.
Abbildung 3: Beispielhaftes Codierschema für eine Inhaltsanalyse
Abbildung 3 zeigt als Beispiel einen konstruierten (zur Veranschaulichung dienenden) Auszug aus einem Codierschema einer quantitativen Inhaltsanalyse. Das Codierschema ist konsistent zum Codebuch in Abbildung 4 ab Seite 26 und wurde mit Excel angelegt.
Bevor die Inhaltsanalyse startet, ist es sinnvoll, das Codierschema bei wenigen Analyseelementen „auszuprobieren‟ (Pretest). Treten dabei noch Probleme (Unklarheiten) auf, sollte das Schema unbedingt nachjustiert werden.
Sehr bedeutsam ist auch, dass alle, die an der Inhaltsanalyse mitarbeiten, die Inhalte nach denselben Grundsätzen im Codierschema erfassen bzw. eintragen: Es muss unbedingt sichergestellt sein, dass verschiedene Menschen die Inhalte in dieselben Kategorien einordnen (INTER-Coder-Reliabilität). Zur überprüfung der Inter-Coder-Reliabilität gibt es eigene Testverfahren (z.B. der „Holsti-Test‟ auf Seite 107 im Kapitel „6.5.2 | Reliabilität‟). Außerdem muss jede Person, die heute Inhalte klassifiziert, dieselben Inhalte auch morgen oder übermorgen noch ident erfassen (INTRA-Coder-Reliabilität).
Zur Sicherstellung einer geregelten und reliablen Datenerfassung ist es unbedingt erforderlich, noch vor Beginn der Codierarbeit ein sogenanntes Codebuch zu erstellen.
[26]
Dort werden die Analyseeinheiten16 und Analyseinhalte im Detail definiert und alle Codierungsregeln festgelegt.
Die folgende Abbildung zeigt Auszüge aus einem 20-seitigen(!) Codebuch.
Die Analyse beschäftigte sich mit der Berichterstattung österreichischer Printmedien über Public Relations. Das Codebuch zur Analyse wurde in Anlehnung an Kerl 2007 und Bur- KART/RUßMANN 2010 erstellt.17 Für die hier beispielhafte Abbildung erfolgten geringfügige Adaptierungen. [27]
Abbildung 4: Codebuch einer Inhaltsanalyse (Auszüge, adaptiert) [28]
In heutiger Zeit sind sehr viele Bild- und Textelemente digital verfügbar. Ob es sich dabei um massenmediale Kommunikation oder zwischenmenschliche Interaktionen in Social Media handelt: Analysen gespeicherter, allgemein zugänglicher Inhalte sind weit verbreitet.
Eine Institution möchte z.B. in Erfahrung bringen, wie sich eine neu eingeführte Dienstleistung im Netz verbreitet, wie sie angenommen, wie darüber kommuniziert wird.
Menschen, die das Netz themenbezogen durchsuchen, benötigen Zeit, der monetäre Aufwand ist hoch. Da liegt es nahe, stattdessen Suchsoftware18 einzusetzen. Eine aktuell sehr große Vielfalt an Textanalyse-Tools bietet die Möglichkeit, das Netz (oder Datenbanken) nach definierten Begriffen (Keywords) zu durchforsten.
Automatisierte Textanalysen können mit wenig Aufwand gesuchte Begriffe, Textstellen usw. (global) auffinden19 und automatisiert Ergebnisberichte mit Häufigkeiten erstellen.
Wie oft z.B. eine neue Marke in den Sozialen Netzwerken diskutiert wird, kann relativ einfach automatisiert gezählt werden.
Wer jedoch (auch) Bilder analysieren bzw. Inhalte regionalisiert betrachten oder gar bewerten möchte, stößt schnell an die Grenzen der Automatisierungen: Vertiefende Forschung ist ohne intensiveres menschliches Zutun nicht derart einfach durchführbar.
Rein technische Sentiment-Analysen zur Bedeutung von Inhalten sind bereits auf syntaktisch „einfachere‟ englische Texte angewandt schwierig umsetzbar. Für die deutsche Sprache sind sie nur schwer realisierbar, weil stark fehlerbehaftet.20
Softwarealgorithmen versuchen hier, über das gemeinsame Auftreten von Worten „ähnlichkeitscluster‟ zu definieren und Texte nach diesen zu gruppieren.21 Das scheitert aber oft am richtigen Interpretieren von Bedeutungszusammenhängen oder am Bildmaterial.
Einem „dummen‟Programm mittels Definitions-Regeln beizubringen, dass die Aussage in einem Online-Forum „DAS ist ja mal eine gute Marke‟ nicht unbedingt positiv gemeint sein muss, stellt eine Herausforderung dar. Ist die zitierte Aussage im Kontext wirklich positiv gemeint oder stellt sie eine negative, von Zynismus gefärbte äußerung dar? [29]
Auch gepostete Bilder können positiv oder negativ konnotiert sein, was nur menschliche Intelligenz feststellen kann.
Auto-Textanalysen finden sich in der heutigen deutschsprachigen Forschungspraxis deshalb vor allem in Form von Wortschatzanalysen (vgl. Brosius/Haas/Koschel 2016: 173f.)22 oder als Textauffinder. Bewertende Inhaltsanalysen führen im Idealfall nach wie vor geschulte Codierende durch.
2.4 | Beobachtung
Bei einer Beobachtung werden Situationen, Handlungen und Verhaltensweisen dort erfasst, wo sie geschehen. Beobachtungen können Einzelpersonen, miteinander agierende Gruppen oder auch Dinge (z.B. Gegenstände) betreffen.
Wissenschaftliche Beobachtungen unterliegen strengen Regeln: Mehr als bei jeder anderen Forschungsmethode wirken hier subjektive Wahrnehmung und Einstellungen der beobachtenden Person sehr schnell verzerrend auf die Ergebnisse. Unkontrolliert beobachtet jeder Mensch etwas Anderes, jedem Individuum fallen andere Dinge besonders auf.
Deshalb müssen wissenschaftliche Beobachtungen die Realität sehr genau „filtern‟: Es ist essentiell, exakt zu definieren, WAS vom Beobachteten im Detail registriert und protokolliert werden