How to do empirische Sozialforschung. Claus Braunecker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Claus Braunecker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783846355954
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(z.B. Umzug von der Stadt aufs Land, ein Single-Haushalt wird zur Familie usw.). Die Struktur der (bisherigen) Teilnehmerschaft muss deshalb permanent durch neue, besser „passende‟ Mitglieder ausgeglichen werden. Ansonsten verliert jedes Panel mittelfristig seine Repräsentativität.

      Ein Manko von Panelerhebungen stellt auch entstehendes Expertentum dar: Panelmitglieder verändern mehr oder weniger bewusst ihr Verhalten in Bezug auf den Erhebungsgegenstand: Sie mutieren weg von Otto Normalperson hin zum Testuser.26

      Wiederholte Erhebungen zum selben Thema finden auch bei einem Tracking statt. Hier werden jedoch nicht dieselben, sondern immer wieder ANDERE Menschen in neuen, strukturgleichen Stichproben kontaktiert.

      Andere, von einem Thema noch unbelastete Personen werden in der Erhebungswelt auch Fresh Samples genannt. Strukturgleichheit von Stichproben kann z.B. über die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Wohnort definiert sein. [37]

       Ein Tracking kann die Veränderung von Bekanntheit und Image eines Unternehmens oder einer Marke (etwa im Lauf einer Werbekampagne) beobachten. Trackings liefern auch rasch und effizient Zeitreihendaten z.B. zu Einstellungs- und Imagefragen, Markenpräferenzen, Kaufabsichten usw.

      Sozialwissenschaftliche Experimente gehen der Frage nach, ob und wie stark ein bestimmtes Merkmal für die Veränderung eines oder mehrerer anderer Merkmale verantwortlich ist. Die Merkmalsveränderungen werden genauestens beobachtet oder mittels Befragung eingehend analysiert. Ausschließlich Experimente erlauben es, Kausalaussagen über einen Zusammenhang von Ursache und Wirkung zu treffen (vgl. Ebster/Stalzer 2017: 219).

      Um ein sozialwissenschaftliches Experiment durchführen zu können, müssen die beiden Merkmalsvariablen X und Y zueinander in Beziehung stehen. Die Ursache X (unabhängige Variable) muss zeitlich vor der Wirkung Y (abhängige Variable) liegen. Außerdem muss sichergestellt sein, dass einzig und allein die Wirkung der zu testenden Variable X und keine einflusstragenden Nebeneffekte (Störvariablen Z) erforscht werden (vgl. ebd.: 219).

       In der Kommunikationsforschung z.B. helfen Experimente dabei, mediale Inhalte (Bilder, Farben, Slogans) optimal zu gestalten und zu verbreiten. Auch die Formulierung von Texten kann als abhängige Variable auf z.B. Glaubwürdigkeit hin untersucht werden.

       Im Konsumgüterbereich sind als „Ursachen‟z.B. Verpackungsarten, Regalplatzierungen, Geschmack bei (Blind-)Verkostungen, Verkaufsaktionen usw. zu finden – als „Wirkung‟ Produktwahrnehmung, Kaufbereitschaften, Qualitätsempfinden ...

       Im Immobilienbereich könnte beispielhaft räumliche Gestaltung (Farben, Pflanzen, Möbel usw.) im Hinblick auf Wohlbefinden oder Arbeitsplatzzufriedenheit analysiert werden.

      Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung eines Experiments ist die genaue Festlegung eines experimentellen Designs. Abbildung 9 auf Seite 39 zeigt einige von vielen verschiedenen Möglichkeiten, ein Experiment anzulegen.27 Experimente können mit einer oder mehreren Messungen sowie MIT und OHNE Kontrollgruppe(n) durchgeführt werden.

      „Echte‟ Experimente (vgl. Friedrichs 1990: 343) arbeiten mit zumindest zwei Gruppen: Eine Versuchsgruppe (Experimentalgruppe) wird dem Merkmalseinfluss (Stimulus oder Treatment) unterworfen. Eine Kontrollgruppe OHNE Variableneinfluss dient als Vergleichsbasis. Beide Gruppen werden per Zufall (randomisiert) ermittelt bzw. müssen unbedingt(!) strukturgleich sein.

      Nach dem Experiment misst eine genaue Gegenüberstellung von Versuchs- und Kontroll- gruppe(n) die Wirkungen des Experiments. Nur dieser Vergleich zwischen Versuchs- gruppe(n) MIT und Kontrollgruppe(n) OHNE Variableneinfluss erlaubt es, Kausalbeziehungen zu untersuchen ( und in Abbildung 9 auf Seite 39). [38]

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      Abbildung 9: Arten experimenteller Designs

      Fehlt eine Kontrollgruppe, lassen sich am Experiment keine reinen Kausalbeziehungen festmachen. Die Wirkung muss nicht allein in der Ursache begründet sein, unkontrollierbare Störvariablen können „mitgewirkt‟ haben (, und ). In Settings ohne Kontrollgruppe gelangen (deshalb) oft auch mehrere Experimentalgruppen zur Anwendung (). Hier werden die Wirkungen unterschiedlicher Stimuli (bzw. unterschiedlich stark ausgeprägter Stimuli) auf randomisierte oder strukturidente Gruppen vergleichend analysiert.

       Liegt der Fokus z.B. auf der Wirkung verschiedener Ausgestaltungen von Werbespots auf eine Zielgruppe, gibt es keine Kontrollgruppe (ohne Werbespot).

      Manche Experimente finden in einer extra dafür geschaffenen künstlichen Umgebung statt (Laborexperiment), andere passieren „in real life‟ (Feldexperiment). Beide Arten haben Vor- und Nachteile: In einem künstlichen Laborexperiment können die Versuchsbedingungen besser kontrolliert und von Störeinflüssen abgeschirmt werden. Hier sind Wechselwirkungen mit Alltagssituationen meist gut vermeidbar. Damit ist die Wirkung von Ursachen meist klarer zu identifizieren. Bei der Anwendbarkeit auf den Alltag spielen aber wiederum Feldexperimente ihre deutlichen Stärken aus: Isolierte Bedingungen kommen in „noindent1en‟ Lebenswelten nicht vor. Im alltäglichen Leben SIND Störeinflüsse vorhanden und werden kaum jemals ausgeblendet.

      Ein Laborexperiment könnte wie folgt aufgesetzt werden:

      Ein Spinat-Produzent testet die Einstellungswirkung eines neuen TV-Spots auf sein Produkt. Zuerst findet eine zufällige Zuordnung von Testpersonen zur Experimental- und Kontrollgruppe statt. Dann wird die Einstellung aller Testpersonen zum Produkt abgefragt. [39]

       Daraufhin sehen beide Gruppen ‒ in einem Besprechungszimmer ‒ mehrere TV-Spots (idente Anzahl). Die Versuchsgruppe sieht mittendrin auch den neuen Spot, der Kontroll- gruppe wird stattdessen der alte vorgespielt. Danach erfolgt eine neuerliche Einstellungsmessung zum Produkt. Dieses Setting entspricht bzw. in Abbildung 9 auf Seite 39.

       Ausschließlich der neue Spot wurde somit zwischen beiden Gruppen verändert, alle anderen Bedingungen im Labor sind gleichgeblieben. Alle Einstellungsunterschiede sind demzufolge ausschließlich auf den Test-Spot zurückzuführen.

      Auch „im direkten Betrieb‟ sind experimentelle Checks möglich – ein Feldexperiment:

       Ein Versandhaus möchte den Einfluss unterschiedlicher Katalogversionen auf die Anzahl bestellter Artikel untersuchen.

       Ein Forschungsteam bildet zuerst aus der Kundendatei zufällig zwei – nach Soziodemogra- fie und Einkaufsverhalten strukturgleiche – Gruppen. Für beide Gruppen werden die durchschnittlichen Bestellungen des letzten Quartals ermittelt (= Nullmessung). Die Mitglieder der Kontrollgruppe erhalten daraufhin den bisherigen Katalog zugesandt. Die Mitglieder der Versuchsgruppe bekommen jeweils ein Muster eines neuen Test-Katalogs. Danach erfolgt eine Analyse der Bestellungen beider Gruppen für ein weiteres Quartal.

       Dieses Setting entspricht in Abbildung 9 auf Seite 39, besitzt in diesem Beispiel allerdings eine relativ geringe Zuverlässigkeit: Die Anzahl der Artikelbestellungen kann neben dem Katalog selbst durch viele andere (= Stör-)Variablen beeinflusst werden: Geschenk-Käufe für zufällig anfallende Geburtstage, Einkommensveränderungen,


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