How to do empirische Sozialforschung. Claus Braunecker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Claus Braunecker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783846355954
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      Eine derartige Themenabgrenzung ist essenziell notwendig, um einerseits Antworten auf ALLE Fragestellungen zu finden, andererseits KEINE Antworten auf NICHT VORHANDENE Fragen zu generieren.

      Forschungsfragen bzw. Hypothesen stehen mit der Erhebung in Wechselwirkung: Eine Erhebung, die Forschungsfragen nicht beantworten oder Hypothesen nicht prüfen kann, geht [14] am Ziel vorbei. Umgekehrt zielen Forschungsfragen oder Hypothesen, die an der Erhebung „vorbei‟ formuliert werden, ins Leere.

      Wer wissenschaftlich vorgeht, leitet aus den Erkenntnisinteressen zuerst Forschungsfragen und/oder Hypothesen ab. Erst dann ergeben sich aus ihnen und in weiterer Folge die empirische Methode, das Erhebungsinstrument und dessen genaue Inhalte.

      Für das Erhebungsinstrument sind also die Forschungsfragen bzw. Hypothesen verantwortlich: Aus ihnen resultieren die konkreten Fragen im Fragebogen oder Leitfaden, die Dimensionen im Codierschema oder die Details im Beobachtungsprotokoll. Ziemlich oft wird allerdings der Fehler begangen, Methode, Erhebungsinstrument oder dessen Inhalte bereits festzulegen, bevor die Forschungsfragen bzw. Hypothesen fixiert sind.

      Forschungsfragen bzw. Hypothesen sind für die Operationalisierung des gesamten empirischen Vorhabens verantwortlich: Wo bzw. bei wem wird in welcher Form was genau erhoben? Deshalb sollten sie derart formuliert sein, dass sie den Rahmen für die Erhebung sehr präzise abstecken.

      Es ist (bei empirischen Erhebungen) ratsam, Forschungsfragen und Hypothesen in ihre thematischen Details aufzusplitten und explizit Sub-Forschungsfragen bzw. -Hypothesen zu formulieren. Das ermöglicht eine deutlich präzisere Gestaltung des Erhebungsinstruments und später eine maßgeschneiderte Datenanalyse.5

      Ein Fragebogen, Leitfaden, Codierschema oder Beobachtungsprotokoll benötigt nicht weniger, auch nicht mehr, sondern genau so viele Fragen bzw. Merkmale, wie zur Abdeckung der Forschungsfragen und/oder Hypothesen erforderlich sind. Nicht jede Forschungsfrage bedingt eine Hypothese, nicht jede Hypothese eine Forschungsfrage.

      Beide – Forschungsfragen und Hypothesen – stehen am Beginn der Forschung. Beide werden aus Theorie (Literatur) und/oder anderer Vorrecherche (vorliegenden empirischen oder anderen Sekundärdaten) abgeleitet. Worin liegt dann aber ihr Unterschied?

      Forschungsfragen drücken ein neutrales Erkenntnisinteresse in Frageform aus. Sie definieren die genauen Inhalte und Formulierungen im Erhebungsinstrument (Fragebogen, Leitfaden, Codierschema, Beobachtungsprotokoll). Empirie beantwortet Forschungsfragen.

      Auf Forschungsfragen baut jede empirische Erhebung auf. Sie geben vor, was genau betrachtet werden soll und was nicht. Auch in der Wirtschaft ist es sinnvoll, vor der Durchführung von Empirie zumindest eine Themenliste zu erstellen, welche Fragestellungen abgedeckt werden sollen. Forschungsfragen (bzw. Themenlisten) sind sowohl bei qualitativen als auch quantitativen Erhebungen notwendig (vgl. Kapitel „2 | Qualitative und quantitative Forschungsmethoden‟ ab Seite 22).

      Der Beantwortung von Forschungsfragen sollte Raum gelassen werden: Deshalb ist es besser, sie sinngemäß als: „Welcher Zusammenhang besteht zwischen ...?‟ zu formulieren als:

       [15] „Gibt es einen Zusammenhang zwischen ...?“. Oder besser: „Welche Unterschiede gibt es ...?‟anstelle: „Gibt es Unterschiede...?‟. Die beiden letzteren Formulierungen münden bloß in einfache Ja/Nein-Antworten, OB die Empirie einen Zusammenhang oder Unterschied festmachen konnte oder nicht. Die „W‟-Fragen hingegen lassen Platz für konkrete Ausführungen, WELCHER Zusammenhang bzw. Unterschied identifiziert werden konnte.

      Im Folgenden werden beispielhafte Forschungsfragen (FF) angeführt. FF 1.1 bis FF 1.3 wären in einer quantitativen Bevölkerungsumfrage mit den ersten drei Fragen des Fragebogens6 auf Seite 101f. (vgl. Abbildung 27 und 28) messbar – also operationalisier- und datenanalytisch beantwortbar. Die Aufteilung der Forschungsfragen in drei Sub-Dimensionen könnte auf vorangegangenen Literaturrecherchen7 beruhen.

       FF 1: Wie groß ist die Leseaffinität8 der österreichischen Wohnbevölkerung?

       FF 1.1: Wie groß ist die Leseaffinität generell?

       Frage 1

       FF 1.2 : Wie groß ist die Leseaffinität in Bezug auf Belletristik?

       Frage 2

       FF 1.3: Wie groß ist die Leseaffinität in Bezug auf Fachliteratur?

       Frage 3

      Derselbe Fragebogen könnte unter anderen auch aus folgenden weiteren Forschungsfragen operationalisiert worden sein. Die mit den Forschungsfragen korrespondierenden Fragebogen-Fragen sind jeweils wieder mit

gekennzeichnet.

       FF 2 : Welche spontanen Anforderungen stellen österreichische Fachbuch-Leserinnen und -Leser an Fachbücher?

      

Frage 5 (nur für Datensätze mit „JA‟ bei Frage 3)

       FF 3 : Wie hoch sind die halbjährlichen Ausgaben österreichischer Fachbuch-Leserinnen und -Leser für Fachliteratur?

      

Frage 8 (nur für Datensätze mit „JA‟ bei Frage 3)

       FF 4 : Welchen Zusammenhang gibt es zwischen der Leseaffinität der österreichischen Wohnbevölkerung und ihrem Konsum von Literatur?

       FF 4.1 : Welchen Zusammenhang gibt es [zwischen der Leseaffinität der österreichischen Wohnbevölkerung] und ihrem Konsum von Belletristik?

       Fragen 1 und 2 [16]

       FF 4.2: Welchen Zusammenhang gibt es […] und ihrem Konsum von Fachliteratur?

       Fragen 1 und 3

       FF 5 : Welche Meinung hat [die österreichische Wohnbevölkerung über Fachbücher] generell?

       Frage 9, alle Items

      Setzt sich die mit Forschungsfrage 5 angesprochene „generelle Meinung‟aus vier Dimensionen zusammen – z.B. persönliche (subjektive) Wahrnehmung, formale Aspekte, inhaltliche, und anwendungsbezogene Aspekte -, wären folgende Detaillierungen möglich:

       FF 5.1 : Welche Meinung hat [...] in Bezug auf die eigene, subjektive Wahrnehmung?

       Frage 9, Items 9.1, 9.4 und 9.9

       FF 5.2 : Welche Meinung hat [...] in Bezug auf formale Aspekte?

       Frage 9, Items 9.2 und 9.8

       FF 5.3: Welche Meinung hat [...] in Bezug auf inhaltliche Aspekte?

       Frage 9, Items 9.3 und 9.5

       FF 5.4 : Welche Meinung hat [...] in Bezug auf anwendungsbezogene Aspekte?

      

Frage 9, Items 9.6 und 9.7

      Datenanalytische Grundlagen zur Beantwortung der Forschungsfragen finden sich überblicksmäßig in den Kapiteln „6.2