Elefanten-Freddy. Jana Denole. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jana Denole
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783991074908
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zwei junge Burschen zum Opfer, der eine war 25, der andere 27 Jahre alt. Die Ursache des Konfliktes war Geld, die beiden hatten ihr Leben wegen mickrigen 50.000 Franken verloren. Diese gebürtige Schweizerin mit dem Blick einer Klapperschlange versetzte mich in eine Art Schock. Ich versteckte sofort meine Uhr mit Brillanten im Wert von 20.000 Franken unter dem Ärmel. Das war praktisch die Summe, wegen der einer der jungen Männer getötet wurde.

      Beim Spaziergang in der „netten“ Gesellschaft von Mörderinnen und Drogenhändlerinnen erfuhr ich, dass die Hälfte der Frauen, die wegen des Verkaufs von verbotenen Substanzen zu Freiheitsstrafen verurteilt waren, im Auftrag von Polizisten gehandelt hätten, die sie grundsätzlich Bullen nannten.

      Die Ordnungshüter suchen gezielt die Idioten aus, die mehrmals für ein bestimmtes Verbrechen zur Verantwortung gezogen wurden. Das können ehemalige Zuchthausinsassen oder einfach verrückte Drogensüchtige sein, die bereit waren, den Stoff zu verkaufen, den die Polizisten zuvor bei Durchsuchungen von anderen Drogendealern beschlagnahmt hatten. Im Endeffekt brachten die Bullen mit ihren korrupten Händen ihre eigenen Dealer hinter Gitter. Die armen Hunde behaupten beim Verhör, für die Bullen gearbeitet zu haben, aber natürlich glaubt ihnen das keiner und ihre Freiheitsstrafe wird wegen Verleumdung noch aufgestockt. Das ist ein ewiger Kreislauf, kurz gesagt. Es hat mich wirklich überrascht, dass Korruption in der Schweiz so verbreitet ist. Aber es ist unmöglich, das nicht zu glauben, wenn einem davon nicht einer, sondern mehrere Menschen am Tag erzählen. Dabei haben diese Menschen miteinander nichts zu tun. Sie sind weder Freunde noch Bekannte. Sie sitzen in verschiedenen Zellen auf verschiedenen Stockwerken. Eine Prostituierte behauptete sogar, sie hätte mit mehreren Polizisten geschlafen, die in Geschäfte mit Kokain unmittelbar verwickelt waren. Sie erzählte davon in beschwipstem Zustand und hatte keine Angst, verraten zu werden. Einmal hätte sie einen von ihnen gefragt, was passieren würde, wenn er denunziert und überführt würde. Darauf hätte er ihr so ungehemmt ins Gesicht gelacht, dass ihr kleine Tropfen seines stinkenden Speichels gemischt mit Whiskey an die Stirn geflogen wären.

      Nach dem Spaziergang kam ich in die Zelle zurück. Natürlich waren meine Zigaretten und der Käse, die auf dem Tisch gelegen hatten, gestohlen. Unglaublich waren sie, diese Leute. Es hat mich im Gefängnis immer überrascht, wie frech und schnell man Zigaretten mausen und gleich abhauen kann. Die kleinen Diebe, die sich für das Salz des Knastes, für angeblich weltkluge und abgeklärte Veteranen hielten, waren ohne eine ordentliche Tracht Prügel nicht der Lüge zu überführen.

      Nachdem die Zellentür abgeschlossen war, warteten alle ruhig auf das Abendbrot. Roxi und ich legten Karten. Es stellte sich heraus, dass sie eine ausgezeichnete Wahrsagerin war. Sie prophezeite mir, dass ich die verrauchten Gefängniswände bald verlassen würde. In diesem Augenblick dachte ich ernsthaft nach, die Geschichte ihres Lebens aufzuschreiben. Kaum wollte ich darüber sprechen, öffnete sich die Tür und eine junge Frau wurde in die Zelle geführt.

      „Ist das hier stockdunkel! Mein Gott!“

      Sie war ganz mit kleinen, fadendünnen Ritzwunden bedeckt, ihre Ohren waren zerkratzt, ein Haarbüschel ware fast mit einem Stück Haut abgerissen.

      „Hallo!“, wagte ich, sie anzusprechen.

      „Gebt mir eine Zigarette!“

      „Stell dich wenigstens vor, du Schnalle!“

      „Ich heiße Cindy! Ist das hier echt eine stinkende Gefängniszelle? Oder bin ich in einem Intellektuellenzirkel gelandet?“

      „Da hast du eine Zigarette. Erzähl, was passiert ist.“

      „Sie werfen mir elf Diebstähle vor.“

      „Die sollen erst mal alle elf beweisen.“

      „Meine Schwester und ich werden ganz sicher identifiziert. Wir haben uns als Sozialarbeiterinnen von der Spitex getarnt in Häuser geschlichen und Geld und Gold geklaut.“

      „Spitex? Was ist das?“

      „Das ist so etwas wie das Rot Kreuz. Sie machen Hausputz und Einkäufe für Behinderte und Rentner.“

      „Klar, und was war weiter? Wie haben sie euch erwischt?“

      „Wir sind gar nicht beim Klauen erwischt worden. Meine Schwester hatte Zoff mit ihrem Freund, einem Syrer, und hat ihm die Kette vom Hals gerissen, die sie ihm selbst geschenkt hatte. Da hat er sie bei der Polizei angezeigt. Er konnte den Verlust seines ach so teuren Schmuckstücks nicht verkraften. Diese Kette aus reinem Platin haben wir halt auch in einem der von uns besuchten Häusern gestohlen.“

      „War dieser Syrer auch ein Dieb? Hat er sich an euren Diebstählen beteiligt?“

      „Nein, nein. Er ist ein anständiger Kerl. Er war auf der Nationalen Verwaltungsschule. Jetzt ist er Versicherungsberater, Fachmann für Arabisch und Farsi.“

      „Nicht schlimm! Es stimmt schon, was man sagt: ‚Gute Jungs verlieben sich in schlimme Luder.‘“

      „Genau, in schlimme kleine Luder!“

      „Das Wort klein passt ja wohl überhaupt nicht! Sie ist ein ganz ausgewachsenes Luder, dieses Miststück!“, explodierte ich.

      Ich stellte mir vor, wie eine solche Ratte sich in das Haus meiner Großmutter schleichen und alles bis auf den letzten Pfennig klauen würde; so etwas kann bei einem alten Menschen zum Herzinfarkt mit tödlichem Ausgang führen. Sie sind ja wie kleine Kinder. Im hohen Alter hat man Angst vor allem. Und sie selbst ist eine gesunde junge Stute! Ich wäre nicht überrascht, wenn sie dabei noch Sozialhilfeempfängerin wäre. Hätte eine Sozialwohnung und bekäme über tausend Franken im Monat für Lebensmittel vom Staat, finanziert aus den Steuern, die ich für sie bezahle. Ist das nicht fies? Sie hat es gut, diese Schlampe!

      „Beruhige dich, Jana!“. schnurrte die gutmütige Roxi.

      „Okay, mir kann es ja schnurzegal sein, aber sie soll sich von mir fernhalten. Und zwar in jedem Fall.“

      „Verpiss dich! Du arrogante Fotze! Ihr Russinen seid doch alle Schlampen!“

      „Lieber eine Schlampe als ein Miststück, das alte Menschen beklaut!“

      „Jetzt ist aber gut, Ruhe bitte! Ich will wissen, was weiter passiert ist“, murrte die Rumänin. „Erzähl weiter, Cindy!“

      Ich beschloss, zu lesen, und steckte meine Nase in ein Buch, hörte dabei aber mit Interesse die Fortsetzung der garstigen Geschichte dieses Luders.

      „Auf dem Revier haben sie uns Fingerabdrücke abgenommen. Da hat sich herausgestellt, dass wir schon längst auf der Fahndungsliste waren.“

      „Du musst wahrscheinlich eine Geldstrafe zahlen und fertig“, sagte Roxi. „Mach dir keinen Kopf!“

      „So viel Geld habe ich nicht! Ich lebe von Sozialhilfe.“

      „Hahaha!“, lachte ich hysterisch auf. „Siehst du, Roxi! Ich hatte Recht!“

      „Lass uns bitte nicht streiten!“

      „Mit dir wollte ich überhaupt nicht streiten“ murmelte ich verärgert. Aber die Schweizerin wollte sich nicht beruhigen und stellte die freche Frage: „Was soll ich denn nun machen? Weißt du nichts, Jana?“

      „Ich bin keine Ratgeberin für dich. Und frag mich ja nicht mehr nach Zigaretten. Ich hasse Leute, die die Schwachen bestehlen! Du bist eine junge Frau und sitzt zu Hause rum, arbeitest nicht, bekommst Sozialhilfe und ich zahle Steuern für dich! Pfui! Schämst du dich nicht?“

      Mit wie viel Wut und Hass blickte sie auf mich! Sie presste die Lippen zusammen, ein Wangenmuskel zitterte auf der rechten Seite ihres blassen, nervösen, teils mit Blut beschmierten Gesichts. An ihren schweren, eisigen Blick kann ich mich noch heute erinnern.

      Eine Woche später wurde noch eine Person in unsere Zelle gebracht. Es war eine Zigeunerin, die auch Gina hieß. Als ob sie keine anderen Namen hätten. Es ist wie bei uns, wo viele Prostituierte den Namen Natascha tragen. Man sollte vielleicht eine Statistik über die Ginas erstellen.

      Diese interessante Gaunerin erzählte uns von den verschiedenen