(2) Die eucharistisch-epikletischen Gaben
Die Gaben von Brot und Wein stellen in der Eucharistiefeier nach der Gabenbereitung, aber auch vor und nach der Wandlung in den Leib und in das Blut Christi, die Not des Menschen dar, der seine existentielle Frage »Wer liebt mich?« zu beantworten sucht. Brot und Wein sind Ausdruck und Gestalt der ständigen Bitte des Menschen an Gott, den Vater, er möge ihm seinen Sohn, die selbstlose Liebe, senden. »Daher bitten wir dich, sende deinen Geist, damit diese Gaben werden zum Leib und Blut Christi.« Wenn die Gaben Leib und Blut Christi sind, dann sind sie zum Symbol der aus Freiheit und Liebe entspringenden Treue Gottes zum Menschen geworden und sagen den Menschen: Gott ist es, der dich in Christus selbstlos, d.h. um deines Heiles willen liebt. Wir sind die Gestalten deiner erhörten Bitten.
3. Die vom Verlangen nach Gemeinschaft bestimmte Existenz des Menschen und die Eucharistie als »Communio« oder die Frage: »Wer macht mich frei, auch von meinem Befreier?«
a) Der Mensch – eine gemeinschaftliche Existenz
Wiederum kann uns eine der entscheidenden existentiellen Fragen, die mit den anderen existentiellen Fragen verbunden ist, zur Eucharistie hinführen. Die existentelle Frage nach Liebe macht dem Menschen klar, daß Liebe und Gemeinschaft zusammengehören. Die Eucharistie feiert Gottes Liebe in Jesus Christus zu uns und ist Ausdruck der durch die Liebe Gottes und seine Nähe entstandenen Gemeinschaft unter uns Menschen und mit ihm. Die Frage nach der Liebe ist immer auch die nach der Gemeinschaft, denn die Liebe will dem Geliebten Raum und Nähe geben. Aber da zur Liebe die Freiheit gehört, entsteht für den Menschen das existentielle Problem, wie Freiheit, die ja zur Liebe gehört, und Gemeinschaft, die auch zur Liebe gehört, zusammengehen. Daher ist in der existentiellen Bitte um Liebe und so um Nähe und Gemeinschaft immer auch schon die andere, noch tiefere Frage zu hören: »Wer macht mich frei?« Die Frage nach der Freiheit in einer Gemeinschaft stellt die Frage nach der Treue und Echtheit der Liebe in dieser Gemeinschaft. Falsche Liebe versklavt den Geliebten, macht ihn zum Objekt, zu ihrem Affen oder Maskottchen. Echte Liebe versklavt den Geliebten nicht, sondern gibt ihn, weil sie ihn um seiner selbst willen liebt, frei und hilft ihm so in seinem Personsein. In der Freigabe bindet sich der Liebende seinerseits in Treue an die Freiheit des Geliebten.
Im Idealfall ist es so; nicht immer. Es kann durchaus sein, daß jemand ehrlich meint, den Partner selbstlos zu lieben, aber aus Unachtsamkeit, Dummheit oder Infantilität ihn dennoch in seine Vorstellungskategorien einordnen will und so versklavt. Und hier wird der versklavte Partner die existentielle Frage stellen, stumm oder laut: »Wer macht mich frei von meinem Befreier?«
Wie gesagt: Es gibt ein richtiges und ein falsches Verständnis von Liebe. Richtige Liebe ist selbstlos, durch keine Nebenabsichten besetzt; sie manipuliert nicht und liebt den anderen um seiner selbst willen. Liebe läßt den Geliebten frei. Falsche Liebe ist nicht selbstlos, sondern egoistisch, daher wählerisch, und weil wählerisch, nie ohne Nebenabsichten. Falsche Liebe flattert wie ein Schmetterling von einer Blume zur anderen. Sie will nicht die Blume, sondern den Nektar. Die Liebe ist nur dann echt, wenn sie frei ist und frei gibt. Wie oft erfährt nun der Mensch, daß ihm heuchlerische Liebe die Freiheit verspricht, ihn jedoch in Wirklichkeit versklavt. Dann wird der von falscher Liebe Besetzte sagen: Wer befreit mich von meinem Befreier? So ist die existentielle Frage nach der Liebe die nach der Freiheit, und die nach der Freiheit zugleich die nach der Freiheit vom Befreier.
b) Die Eucharistiefeier und die eucharistischen Gaben sind von gemeinschaftlicher Wirklichkeit
(1) Die Eucharistiefeier als gemeinschaftliche Wirklichkeit: Fest
Die Eucharistiefeier ist ein Fest, zu dem alle Menschen geladen sind, die auf den dreifaltigen Gott getauft sind und Kirche sein wollen. In dieser Feier präsent sind nicht nur die Menschen in ihren vielschichtigen Lebenswelten, Funktionen und Verantwortungen. In dieser Feier ist auch gegenwärtig der dreifaltige Gott: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Der Heilige Geist will in Christus aus allen Menschen eine Gemeinschaft machen, damit alle eins sind in einer Einheit, wie Christus sie erbeten hatte: »Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast; denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich« (Joh 17,21–23).
Es ist also ein Fest der Einheit, die aus der selbstlosen Liebe entspringt, wie sie im himmlischen Vater und in Christus ist und wie sie der Geist allen mitteilt. Vater und Sohn geben im Heiligen Geist den Menschen Raum, Lebensraum, Zukunft, und die Menschen geben im Heiligen Geist dem Vater und dem Sohn in sich Lebensraum. Dieses Fest der Einheit und des gegenseitigen Gewährens von Lebensraum ist Fest der Erinnerung an das Unheil, das die Menschen an sich tragen, und zugleich an das Heil, das Christus mit seinem Kreuz in diese Unheilsgeschichte eingestiftet hat. Es ist ein Fest, das der Freiheit und der Befreiung der Menschen von Schuld, Versklavung, Tod und Einsamkeit durch den dreifaltigen Gott gedenkt. Und alle denken daran, die Menschen gehen die Geschichte von Heil und Unheil ab; und in ihrem Gedenken gedenkt der dreifaltige Gott seiner Heilstaten. Es ist ein Gedächtnis, eine Feier, eine Gemeinschaft.
In dieser festlich feiernden Gemeinschaft beantwortet der dreifaltige Gott die existentielle Frage des Menschen nach Freiheit: »Wer macht mich frei?«. Der dreifaltige Gott befreit zunächst den in sich und mit sich selbst besetzten Menschen: »Damit wir nicht mehr uns selber leben, sondern ihm, der für uns gestorben und auferstanden ist, hat er von dir, Vater, als erste Gabe für alle, die glauben, den Heiligen Geist gesandt, der das Werk deines Sohnes auf Erden weiterführt und alle Heiligung vollendet« (IV. Hochgebet). Der himmlische Vater befreit in der Meßfeier im Heiligen Geist den Menschen von seiner selbstverschuldeten Unfreiheit, die dem Bußgericht unterworfen werden muß. Was den Menschen an seine Vergangenheit bindet, ihm keinen Lebensraum, keinen Atem und keine Zukunft läßt, verbrennt der selbstlose Gott in seiner Liebe. Das Fest hat für alle, für den dreifaltigen Gott und für die Menschen, einen einzigen Grund: die selbstlose Liebe. Der himmlische Vater beweist seine Selbstlosigkeit gegenüber den Menschen, daß er seinen Sohn gesandt hat in ihre gottlose Finsternis (Joh 1). Der Sohn beweist seine Selbstlosigkeit, daß er trotz der Ablehnung (Tod) durch die Menschen bei uns bleibt (Gegenwart nach der Auferstehung). Der Geist beweist seine selbstlose Liebe, insofern er im Verweis auf unsere leeren Hände beim Vater für uns eintritt.
In einer solchen Feier, in der die Liebe des dreifaltigen Gottes und die Befreiung des Menschen durch den Tod Jesu der festliche Grund sind, verstummt die andere Frage: »Wer macht mich frei von meinem Befreier?« Gott liebt absichtslos und grundlos und gewissermaßen ohne Ansehen der Person.
(2) Die gemeinschaftsstiftenden eucharistischen Gaben
In der eucharistischen Begegnungsfeier von Gott und Mensch symbolisieren die Gaben von Brot und Wein die existentielle Frage des Menschen: »Wer macht mich frei, auch von meinem Befreier?« Sie werden zum Leib und Blut Christi gewandelt. Die Gaben besagen dann, daß die dort ansichtige Liebe Gottes selbstlos ist. Denn in der Anwesenheit des gestorbenen und auferstandenen leibhaften Christus wird auch der Akt der selbstlosen Liebe, die den Tod nicht scheut, anwesend. Diese anwesende Liebe ermöglicht es dem Menschen, seine Angst vor täuschender Liebe zu vergessen. Es gibt also eine Gemeinschaft, besonders dann in der eucharistischen Kommunion, in der die Selbstlosigkeit der Liebe den Menschen frei macht und nicht besetzt: die Gemeinschaft mit Gott, der in Christus Mensch geworden ist.
4. Die von der Hingabe bestimmte Existenz des Menschen und die Eucharistie als Opfer oder die existentielle Frage: Wer macht mich mir eine Ewigkeit lang zum