Rüeggisberg. Thomas Bornhauser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Bornhauser
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038182825
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seiner Ehefrau und dennoch ist alles Friede, Freude, Eierkuchen? Ich bitte Sie …»

      «Also, es ist so, Herr Ritter …», erwiderte Prisca Antoniazzi zögerlich.

      «Jetzt bin ich aber gespannt, Frau Antoniazzi, wie ist es denn so?», worauf sogar die Schauspielerin leicht errötete, als stünde eine Beichte grösseren Ausmasses bevor.

      «Nun, wie soll ich es sagen?»

      «Am besten, wie es halt so ist», insistierte Ritter.

      «Fiona hat zu Männern eine eher ungewöhnliche Beziehung. Ihre erste Ehe war ein Aufbegehren ihren Eltern gegenüber, jene mit Nazar Klitschko als gutaussehendem Diplomat auf der Botschaft der Ukraine in Bern als eine Türöffnung in Richtung Haute Volée zu sehen. Ich denke nicht, dass gross Liebe im Spiel war, deshalb schliesslich auch das Laisser-faire mit Victorija Rudenko.»

      Nach dieser Bemerkung geschah Erstaunliches, denn plötzlich begannen die vier Damen über das Liebesleben von Fiona Decorvet zu reden, zögerlich zwar nur, sozusagen hinter vorgehaltener Hand, aber Ritter erfuhr dennoch das eine oder andere, das als Puzzleteil bei allfälligen Ermittlungen von Nutzen sein konnte. Dass die Vermisste momentan zumindest in einer «vorübergehenden Beziehung» stand, so Prisca Antoniazzi, schien ausser Frage zu stehen. Begründet wurde diese Aussage mit der Feststellung, dass man sich mit Fiona Decorvet in den letzten Wochen nur schwerlich verabreden konnte, «etwas, was sonst die normalste Sache der Welt ist», wie Ruth Bär ergänzte.

      Weil sie das Privatleben der Galeristin nicht gross interessierte, verabschiedeten sich die übrigen drei Herren von der Tischrunde, um noch eine Weile auf Deck zu gehen. Joseph Ritter verabredete sich mit ihnen um 11.30 Uhr bei der Rezeption, in Erwartung der Ankunft der Hamburger Kollegen mit ihren Suchhunden. Diese Verabredung erging sicherheitshalber auch an Luigi Bevilaqua als SMS.

      Joseph Ritter begann, gezielte Fragen zu stellen, um sich in der noch zur Verfügung stehenden Zeit ein möglichst klares Bild von Fiona Decorvet zu machen, damit er mit seinem Team – Claudia Lüthi, Elias Brunner und Stephan Moser – aufgrund konkreter Ansätze arbeiten konnte. Je nach Ausgangslage musste auch der Kriminaltechnische Dienst KTD der Kantonspolizei miteinbezogen werden, Eugen «Iutschiin» Binggeli und Georges «Schöre» Kellerhals, ebenso die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland in der Person von «Staatser» Max Knüsel, auch für Schwarzenburg zuständig. Wenig wahrscheinlich schien hingegen die Kontaktnahme mit Veronika Schuler, Rechtsmedizinerin beim Institut für Rechtsmedizin Bern IRM, da es aller Voraussicht nach keine Obduktion vorzunehmen galt. Ritter ertappte sich dabei, vom eigentlichen Thema abgeschweift zu sein.

      «Kann mir jemand von Ihnen die Namen von Männern nennen, mit denen Frau Decorvet in den letzten Monaten oder Jahren liiert war?»

      «Herr Ritter, das tönt beinahe so, als würde Fiona ihre Partner regelmässig wechseln», ereiferte sich wiederum Ruth Bär.

      «Frau Bär, seien wir ehrlich, wir alle stehen doch vor einer Blackbox, für Sie als beste Freundinnen ist das Verschwinden ebenso rätselhaft wie für mich. Wenn wir ihren Weggang aus dem Theater nach dem Lesen einer SMS mit dieser Meldung in Zusammenhang bringen müssen, so ist von nun an alles wichtig, da können wir gar nichts ausklammern. Also: Können Sie mir Namen nennen, möglichst mit weiteren Informationen?»

      «Haben Sie schon daran gedacht, jenen Absender ausfindig zu machen, der ihr gestern kurz nach 21 Uhr eine Message geschrieben hat? Danach ist sie ja aufgestanden und gegangen», stellte Ruth Gnädinger ihre Hilfe zur Verfügung.

      «Ja, Frau Gnädinger, meine Mitarbeiterin erkundigt sich beim Provider, nur dauert das meistens mehr als bloss zwei, drei Stunden. Ich hoffe nur, es habe sich nicht um ein Prepaid-Handy gehandelt, sonst wird die Aufgabe fast unlösbar», gab Ritter zu bedenken.

      «So viel ich weiss», antwortete Ruth Gnädinger, «hat Fiona nur ein Handy und das ist bei der Swisscom registriert», worauf die übrigen drei Damen nickten.

      «Wie gesagt, wir sind an der Sache dran. Jetzt wäre ich um Namen froh», worauf das grosse Schweigen begann, denn keine der vier Freundinnen wollte als Petzerin gelten, als Schnuriwyb.

      Prisca Antoniazzi war die Erste, die ihre Zunge lockerte, verbunden mit der Bitte, dass «dies alles unter uns bleibt», was der Leiter des Dezernats Leib und Leben der Kantonspolizei zu bestätigen vermochte. Der Name von Leevi Hämäläinen fiel als Erstes, ein erfolgreicher Architekt aus Jyväskylä in Finnland. Ritter bat Prisca Antoniazzi darum, Namen und Ortschaft zu buchstabieren, damit er korrekte Angaben auf seinem Aufnahmegerät hatte. Hämäläinen hatte erst vor drei Jahren die Innenräume der Villa von Fiona Decorvet in Schwarzenburg neu gestaltet, in modernem skandinavischem Stil mit sehr viel Holz und dazu passenden Materialien. Offenbar hatte der Finne die neuen Räumlichkeiten für eine gewisse Zeit gleich selber mit Fiona Decorvet geteilt, wie sich Prisca Antoniazzi recht vornehm ausdrückte. Haruki Kobayashi folgte als nächster Name, ein bekannter japanischer Performance-Künstler, der abwechslungsweise in Kobe und Paris lebte. Ritter liess sich auch diesen Namen buchstabieren, verbunden mit der Frage, ob es auch Schweizer mit entsprechenden Namen im Leben der Bernerin gab, à la Housi Knecht oder Franz Gertsch, was den vier Frauen für einen Augenblick ein Schmunzeln entlockte.

      «Herr Ritter, Fiona ist von Berufes wegen international ausgerichtet, sehr kosmopolitisch. Sagt Ihnen der Name Kobayashi nichts?»

      «Doch schon», versuchte sich Ritter entspannt zu geben, «als ehemaliger Formel-1-Fahrer für das Team Sauber, aber ich denke nicht, dass dieser Kobayashi auch euer Künstler ist. Auch nicht der Skispringer aus Japan», was für eine weitere leichte Entspannung sorgte.

      Ein weiterer Name blieb trotz Nachhaken aus, entweder aus echter Unwissenheit heraus oder aber aus Furcht, dem Ermittler zu viel zu erzählen. Dieser wechselte deshalb das Thema, erkundigte sich, ob Fiona Decorvet «Feinde» oder «Ärger mit jemandem» hatte, im Bewusstsein, dass erfolgreiche Zeitgenossen immer mit Neidern konfrontiert wurden. Hier stiess er auf eine Mauer des Schweigens, was ihn nicht weiter zu erstaunen vermochte. Abgesehen davon stand er ja ganz am Anfang seiner Befragungen, weshalb er zurück auf die Herren Hämäläinen und Kobayashi zu sprechen kam. Viel erfuhr er nicht, nur, dass beide Liaisons – der Finne vor dem Japaner – jeweils ungefähr ein Jahr dauerten und nicht zuletzt deshalb scheiterten, weil weder der Skandinavier noch der Künstler aus dem Land der aufgehenden Sonne ihre Wohnorte verlassen und in die Schweiz wechseln mochten.

      Um die vier Frauen nicht zu sehr zu strapazieren, bedankte sich Ritter und stellte in Aussicht, sie über den Verlauf der Ermittlungen zu informieren, erstmals am selben Abend, nach den Erkenntnissen der Durchsuchung mit den Spürhunden. Er erklärte ihnen auch, dass er sie übermorgen Dienstag gerne im Ringhof sprechen würde, einzeln, was zumindest gegen aussen zu keinerlei sichtbaren Verunsicherungen der vier Freundinnen von Fiona Decorvet führte.

      Luzia Cadei hatte sich anerboten, als Transitstation zwischen Ritter und ihren Freundinnen zu amten. Ritter verabschiedete sich «vorläufig» von den Frauen. Auf seinem Handy-Display hatte er gesehen, dass Claudia Lüthi ihn zu erreichen versucht hatte. In diesem Moment kam auch Luigi Bevilaqua mit einem bereits ausgedruckten zweiseitigen Protokoll in englischer Sprache mit den Aussagen des Capitano zurück, damit «alles seine Ordnung hat». Darin stand schriftlich, was Ritter & Co. bereits selber erlebt hatten: Durchsage über die Lautsprecheranlage, die Auswertung der Videobänder, die Durchsuchung des Schiffs und weitere Einzelheiten.

      Und dennoch konnte der Italiener mit einer neuen Erkenntnis aufwarten, denn auf einem bisher nicht visionierten Video war Fiona Decorvet um 21.13 Uhr während zwei Sekunden zu sehen, wie sie den Aussenbereich auf Deck 5 bei den Rettungsbooten betritt, ihre Aufmerksamkeit auf das Handy gerichtet, das sie in der Hand hält. Diese kurze Sequenz bestätigte jedoch nur, dass sie tatsächlich jene Zone betrat, in der ihre Handtasche gefunden wurde.

      «J. R., wir sehen uns um 11.30 Uhr, das Schiff legt pünktlich nach Zeitplan im Cruise Center Steinwerder an. Der Capitano hat seine Security-Leute beauftragt, alle Passagiere, die von Bord gehen, also auch jene, die am Abend wieder aufs Schiff zurückkommen, genau mit den Fotos auf ihren Bordkarten zu vergleichen. Ich werde jetzt versuchen, mit einigen Offizieren zu