Kālī Kaula. Jan Fries. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jan Fries
Издательство: Автор
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Жанр произведения: Эзотерика
Год издания: 0
isbn: 9783944180649
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Texte erwähnen noch einen guten Anteil von Klassenwechsel durch Vorzüge, Verdienste und Heirat (insbesondere zwischen Brahmanen und Kriegern). Die frühe Hindu-Literatur hielt nichts von Derartigem. Wir beobachten eine Ausuferung der Klassenunterschiede. Dies kam durch die Einbeziehung weiterer Segmente der Gesellschaft, dem Bedürfnis nach einem Platz für neue Berufe und ethnische Gruppen in der Hackordnung usw. Bis zum heutigen Tag streiten die Gelehrten darüber, wieso das Klassensystem so übertrieben und repressiv wurde. Angeblich gab es zur Zeit von Manu (einem von ihnen – in jedem Weltzeitalter wurde ein Manu geboren) schon mehr als fünfzig Klassen. Das Klassensystem funktionierte, indem es jeder Person ihren Dharma und damit eine Aufgabe und Verpflichtung in der Welt gab. Es funktionierte auch deshalb, weil es allen Neuankömmlingen eine Nische in der Gesellschaft zuerkannte. Dies ist wichtig: Jeder neue Einfluss konnte integriert werden. In einer Packung mit Klassen und Dharma waren Karman, Reinkarnation und Reinheitsgebote.

      Nun hängt der Status des Einzelnen in der Gesellschaft nicht nur von dem Varṇa (Farbe, soziale Klasse, Wesen, Art) ab, sondern auch von Jāti. Die Jāti ist ein für Nichtinder extrem schwieriges Konzept. Sie ist keine vedische Idee, sondern eine, die sich mit dem frühen Hinduismus zusammen entwickelte. Jāti beschreibt, grob gesagt, welchen speziellen Gruppen in der Gesellschaft eine Person angehört. Die Jāti kann Geburt, Herkunft, Verwandtschaft, Clan oder Familienverhältnis sein. Sie kann auch die Verbindung zu speziellen religiösen Gruppen sein, zu Provinzen, Land, Beruf, ethnischem Hintergrund usw. Dies sind die feinen Details, die den persönlichen Status spezifizieren, der durch den Varṇa gegeben ist. Jāti kann den Varṇa auch transzendieren. Leute mit einem hohen Einkommen können gut einen Status erlangen, der viel höher ist als ihr Varṇa. Brahmanen, obwohl theoretisch die Köpfe der Gesellschaft, haben oft ein minimales Einkommen und sind froh, einen Job als Lehrer, Buchhalter oder Koch zu bekommen. Krieger und Brahmanen sind oft von Geldverleihern abhängig, um ihren Platz in der Gesellschaft zu bewahren, und Kaufleute machen mitunter mehr Geld als beide zusammen. Ärzte wurden oft als unrein betrachtet, weil sie mit Ausscheidungen, Blut, Leichen und anderen schmutzigen Substanzen in Berührung kamen. Heutzutage hat sich ihr Status dank ihrer hohen Gehälter erstaunlich verbessert. Dazu kommt die weitverbreitete Vorliebe, die eigene Vergangenheit aufzubessern.

      Es gibt in Indien jede Menge Leute niederer Klassen, die fest darauf beharren, dass sie ursprünglich von brahmanischer Abstammung waren, aber ihren Namen und Beruf ändern mussten, um einer Verfolgung zu entgehen. Das Ergebnis davon ist, dass viele Leute ihren Varṇa aufzubessern versuchen und nur wenige das glauben, was ihre Nachbarn über den ihrigen behaupten. Die hinduistische Gesellschaft, die heutzutage (inoffiziell) in mehr als 3.000 Klassen unterteilt ist, sieht theoretisch wie eine wohlgeordnete Hierarchie aus, aber die Dinge sind weniger rigide als es scheint. Dies macht die Heirat zu einer echt komplizierten Angelegenheit. In der Theorie sind alle Klassen dazu angehalten, untereinander zu heiraten oder, falls machbar, mit höher Stehenden. In der Praxis sind viele Überlegungen mit im Spiel, etwa um Besitz und Macht, und die Suche nach einem angemessenen Partner liefert Unterhaltung für den ganzen Clan. Nach Möglichkeit versuchen Familien, ihre Töchter in eine Klasse von höherem Status zu verheiraten, und üblicherweise verlangt die Familie des Bräutigams viel für diese Ehre. Wenn es viele Töchter gibt, dann können zu viele Hochzeiten die Familie ruinieren. Die Heirat von Männern in höhere Klassen wird mit Stirnrunzeln betrachtet und geschieht selten. Das macht es für eine Frau der oberen Klassen schwer, einen Partner zu finden. Zwischen den zahllosen Klassen kommt es nach wie vor zu Konflikten, die gerne gewaltsam ausgetragen werden. Obwohl die Klassendiskriminierung und überhaupt das Klassensystem von den Briten theoretisch abgeschafft wurden und von der modernen indischen Regierung nicht gern erwähnt werden, existieren beide weiter. Für die Fundamentalisten ist das ganz einfach: Die Existenz von Klassen zu verneinen bedeutet, die Struktur des Dharma in der menschlichen Welt zu verneinen. Hier hat sich in den letzten hundert Jahren viel getan. Zuerst haben die Briten das Klassensystem offiziell abgeschafft.

      Als Indien unabhängig wurde, gab es intensive Bestrebungen, ein neues, demokratisches Denken einzuführen. Manche Angehörigen der untersten Schichten machten unter Gandhi erstaunliche Karrieren; ein ehemaliger Unberührbarer, Dr. Ambedkar, gehört zu den bedeutendsten Autoren der indischen Verfassung. Es wurde also, unter gebildeten Städtern, zunehmend politisch korrekt, die Klasse anderer zu ignorieren. Hieran waren auch viele Politiker interessiert, denn die Gunst der unteren Klassen brachte immens viele Wählerstimmen. Heute schlägt das Pendel wieder in die andere Richtung aus. Die indische Regierung hat Förderungsprogramme für die unteren Klassen verabschiedet, nach denen eine bestimmte Zahl an Studienplätzen und privilegierten Stellungen nur für diese reserviert sind. Entsprechend attraktiv wurde es für viele arme Inder, sich auf ihre niedrige Klassenzugehörigkeit zu besinnen und daraus Vorzüge zu gewinnen. So sehen wir im heutigen Indien im städtischen Leben sowohl hochgebildete und gut verdienende Unterklassen-Angehörige als auch Menschen, die ohne irgendwelche Schutzkleidung in der Kanalisation tauchen, um verstopfte Rohre frei zu kriegen. Auf dem Land sind die Konflikte oft ausgeprägter. Wer, denkst Du, wird dafür geschlagen, dass er Selbstachtung zeigt? Wer baut kostenlos Häuser und bestellt die Felder der Grundbesitzer? Auf dem Land verkaufen die Großgrundbesitzer oft die Stimmen der einfachen Leute an die meistbietenden Politiker. Jedes Jahr kommt es vor, das Klassenlose von sozial besser Gestellten gesteinigt werden. In den Städten schwächt sich dieser Trend deutlich ab, aber auf dem Land ist manches so schlimm wie eh und je. Gelegentlich werden Menschen nur dafür getötet, dass ihr Schatten einen Oberklassen-Fanatiker gestreift hat. Doch hier sollte auch auf die Informationssituation geachtet werden. Wenn eine Gruppe religiöser Fanatiker ein paar Menschen aus den unteren Klassen tötet, erscheint dies sofort in der Presse. Doch solche Fälle werden seltener. Im Großen und Ganzen ist es erstaunlich, wie viele Inder es trotz unterschiedlichster Religionen, Sprachen, Kulturen und Einkommensverhältnissen schaffen, friedlich mit einander zu leben. Gäbe es in Europa eine vergleichbare religiöse, ethnische und soziale Vielfalt, wären die Unruhen und Zwischenfälle deutlich häufiger. Ich erwähne diese Zustände nicht, um hier die indische Bevölkerung schlecht zu machen. Das wäre zutiefst unangemessen, denn in jedem Land und in jeder Kultur gibt es gute Menschen, die Respekt, Freundschaft und Anerkennung verdienen. Ich erwähne sie, weil ich viele Inder getroffen habe, die über die Zustände in ihrer Heimat entsetzt sind und für die es mehr als peinlich ist, wenn schlecht informierte New-Age-Freunde ihre Heimat als spirituelles Wunderland preisen.

       Probleme mit der Reinheit

      Jeder Mensch wird jeden Tag verunreinigt. Du musst nur aus der Tür hinaus treten, und die Reinheit Deiner Klasse ist bedroht. Es gibt Millionen von unreinen und verbotenen Sachen in der weiten Welt, und jeder Hindu hat viel zu tun, um sauber und rein zu bleiben. Ein tägliches Bad und eine Verehrungszeremonie sind die Grundlagen, um den spirituellen und gesellschaftlichen Status aufrechtzuerhalten. Der Umgang ist das Nächste: Selbst das Sprechen mit einem Niederen bedeutet Verunreinigung. Öffentliche Verkehrsmittel waren im frühen Hinduismus kein Thema, heute aber schon. Nur wenige Neuerungen haben die Klassentrennung je so sehr gefährdet wie eine Fahrt mit dem Zug oder Bus. Mit dem Essen ist es ganz besonders schwierig. Die hinduistische Theologie ist vom Essen so besessen, dass es nur von Menschen der gleichen oder einer höher stehenden Klasse angenommen werden kann. Jeder ist dazu angehalten, mit Leuten desselben Varṇa zu essen und zu trinken. Beim Reisen wird dies offensichtlich zum Problem. Um es mit den unvermeidlichen Verunreinigungen aufzunehmen, wurden kleinere Riten erfunden. Wenn man Essen von einem niedriger stehenden Händler kauft, muss man es durch ein Ritual oder durch den Kontakt mit heiligen Substanzen reinigen, wie den fünf Juwelen der Kuh. Vasiṣṭha 6, 27 stellt fest, dass ein Brahmane, der mit Essen im Bauch stirbt, das er von einem Śudra annahm, im nächsten Leben ein Schwein sein wird. Alles Studium des Veda und anderer Schriften hilft da kein bisschen. Arme Brahmanen werden oft Köche. Ihr Varṇa ist so hoch, dass jeder Essen von ihnen annehmen kann. Das Ergebnis all dessen ist ein erstaunlich komplexer Bestand an Ernährungsregeln. Man findet eine große Besessenheit von der Ernährung in vielen Upaniṣaden, und die Dinge wurden im Laufe der Jahrhunderte nicht einfacher.

      Erinnere Dich hieran, wenn Du tantrische Texte liest. Wenn die Kulas und Kaulas erklären, dass es keine Ernährungsregeln gibt, dass Ritualessen von überall stammen kann,