Es wurde schon genug über den Buddha und seine Lehren geschrieben, also verzeih mir, dass ich kein Material wiedergebe, das in jeder Bibliothek studiert werden kann. Für den Augenblick soll es reichen, dass Buddha auf die Grundlage der Upaniṣaden aufbaute, aus denen er auch das Konzept der Reinkarnation übernahm. Der frühe Buddhismus ist voll von upaniṣadischen Ideen. Die Übel des Körpers, die Schlingen der Begierden und Bindungen, die Vergeblichkeit der menschlichen Anstrengung und dergleichen wurden schon Jahrhunderte lang gelehrt, bevor Buddha sie in seine Lehre aufnahm. Beim frühen Buddhismus lag der Schwerpunkt auf Erkenntnis, Achtsamkeit, Entsagung, Befreiung von Bindungen und freiwilliger Armut, wobei hier vieles genutzt wurde, was von den Sehern der frühen Upaniṣaden entwickelt worden war. Neu waren die Ablehnung von strenger, körperverletzender Kasteiung (Tapas) und die Betrachtungen von Leichen, deren Verfall über Tage genau beobachtet wurde, um die Betrachter von der Welt der Begierden zu lösen. Meditative Praktiken waren im Ur-Buddhismus nicht sonderlich beliebt; und als solche Befreiungswege populärer wurden, sprachen sich etliche Buddhisten gegen sie aus, oder legten eben dem Buddha entsprechende Behauptungen in den Mund.
Ein sehr früher buddhistischer Text (Majjhima Nikya, verfasst vor dem 3.Jh v.u.Z.) kritisiert zum Beispiel einen Nicht-Buddhisten dafür, dass dieser sich mit einer Methode abgäbe, den Geist durch Meditation (Jhāna) zu kultivieren. Dieser praktizierte dabei eine Reihe von Techniken wie extremes Fasten, Atem-Anhalten, und Zunge-gegen-den-Gaumen-pressen: wir erfahren, dass Buddha diese Techniken versuchte und davon extreme Kopfschmerzen, Schweißausbrüche, Schmerzen und geistige Verwirrung erlitt (White, 2011 : 54-55). Solche Erfahrungen führten Buddha zu der Überzeugung, dass Befreiung nicht mit körperlichen Schmerzen einhergehen sollte. Schon lange vor Buddhas Geburt hatte eine wachsende Anzahl von verrückten Weisen begonnen, in Waldgemeinschaften zu leben. Viele von ihnen gingen ihrer eigenen Wege; ein guter Beweis dafür, dass Einsamkeit, Hunger, Fehlen von sozialem Druck und pure Entbehrung zu interessanten Bewusstseinszuständen führen können. Eine bedeutende Schule erklärte, dass die Seele und ihr Schicksal nach dem Tod nicht nur unbekannt, sondern auch unerkennbar wären.
Was unbekannt und unerkennbar ist, existiert nicht. Diese provokante These widersprach den Lehren der Upaniṣaden, da sie von einem Prinzip des Nicht-Selbst, dem Anātman ausging, und dabei alle All-Selbst-Konzepte wie das Brahman verneinte. Während für die Verfasser der Upaniṣaden Brahman als das unfassbare, ewige, formlose Selbst die einzige Realität war, gab es in der Theorie vom Anātman überhaupt kein Selbst, kein Ich und keine Realität. Buddha verband die Idee der Reinkarnation mit der nichtexistenten Seele und erklärte, dass es nichts Beständiges oder Anhaltendes welcher Art auch immer gibt. Anders als frühere Weise erklärte Buddha, dass Karman nicht von einer persönlichen Seele, einem Ātman abhängig ist, um seinen Einfluss fortzusetzen. Die Kausalität besteht fort, egal ob es eine Seele gibt oder nicht. Statt einer Seele gibt es eine Gruppe von illusionären und schmerzlichen Zuständen (‘Selbst’), die von Leben zu Leben fortbestehen. Diese Zustände sind das, was Menschen als ihr Wesen betrachten. Schließlich findet der Tanz ein Ende: Das letzte Überbleibsel der persönlichen Identität verschwindet, und das ‘Selbst’ verblasst zum Nichts. Dies ist die Befreiung im ursprünglichen buddhistischen Sinne: das Verschwinden aller Illusionen zusammen mit dem Wesen, welches diese Illusionen empfindet. Ende der Form, Ende der Wahrnehmung, Ende der Show.
Diese essentiell pessimistische Philosophie hatte eine große Anziehungskraft auf Leute, die das Leben, seine Beschränkungen oder auch nur sich selber satt hatten. (Ein Freund schlug vor, ich solle es nicht ‘pessimistisch’ nennen; seiner Ansicht nach ist ‘realistisch’ zutreffender. Ich nenne das ‘zynisch’.) Buddhas Lehren erwiesen sich auch als höchst attraktiv für die Herrscher jener Zeit, denen es gefiel, wenn ihre Untertanen sich zurückhielten und resignierten. Anders als viele andere Philosophen jener Zeit rief Buddha nicht zu einer Veränderung der Gesellschaft auf, sondern verlangte von seinen Anhängern, sie zu verlassen oder zu ertragen. Wir sind hier schon sehr weit entfernt von den Veden. Die Hoffnung auf ein himmlisches Paradies war der Sehnsucht nach dem völligen Verschwinden gewichen. Buddha machte reichlich Gebrauch von dem älteren Begriff Nirvāṇa für das Ziel aller spirituellen Bemühungen. Dieses Wort, oft und vor allem in neuerer Zeit als ‘Befreiung’ oder sogar als ‚Glückseligkeit‘ verstanden, bedeutet ursprünglich Ablauf, Aufhören, Erlöschen, und wurde häufig in Buddhas Lieblingsmetapher verwendet, der von der erlöschenden Flamme einer Öllampe. Wenn das Öl verbrannt ist, verschwindet die Flamme spurlos. Ebenso verschwindet das Selbst, wenn das Karman aufgebraucht ist. Wir haben hier eine Polarität: Nirvāṇa (das Aufhören) gegenüber Saṁsāra (Gehen, Wandel: dem Zyklus der Wiedergeburt). Zusammen mit dem Selbst wird eine Anzahl weiterer Illusionen abgebaut, hauptsächlich solche, die Menschen dazu bringen, Bindungen zu formen. Diese beinhalten Emotionen wie Gier, Hass, Sehnsucht, Begierde, Ignoranz, Liebe, Pflichtgefühl, Freundschaft usw. Wenn alle Fesseln gelöst sind, erlangt die Seele Befreiung (d.h. verschwindet), doch der Körper kann weiter leben, bis er tot umfällt.
Man konnte also in Buddhas System durchaus Befreiung zu Lebenszeit erlangen, nur dass man herzlich wenig davon hatte. Die ganze Sache wurde als vier edle Wahrheiten verpackt, beginnend mit der Behauptung, dass alles Leben Leiden beinhaltet und Verlangen die Wurzel allen Leidens wäre. Kāma, die Gottheit des Verlangens, war zum Inbegriff des Bösen geworden. Diese etwas einseitige Verurteilung des Daseins mag daraus resultiert haben, dass Buddha während seiner jüngeren Jahre in einer wohlhabenden Umgebung gründlich verzogen worden war: für ihn war der Weg zur Befreiung gleichbedeutend mit der schieren Enttäuschung. Ein etwas ausgeglichener Charakter hätte zumindest bemerkt, dass auch die Freude allem Dasein inhärent ist. Aber solche Ansichten wurden erst mehr als ein Jahrtausend später kultiviert, als sich eine Randgruppe revolutionärer Buddhisten dem Tantra verschrieben.
Zurück zum Urbuddhismus: In einer Welt, in der so etwas wie ein Selbst nicht existiert, gibt es offensichtlich wenig Bedarf für Gottheiten. Der historische Buddha betrachtete sie, genauso wie die Menschen und Tiere, als unglücklich an die Illusion gebunden. Anbetung und Opfer hielt er für überflüssig. In diesem Sinne war der frühe Buddhismus niemals eine Religion, und bis zum heutigen Tage betrachten viele Inder den Buddhismus als eine Form des Atheismus.
Der buddhistische Glaube, obwohl ernsthaft und grimmig in seinen frühen Stadien, unterlief im Laufe der Jahrhunderte einer ganzen Menge Veränderungen. Er spaltete sich in zwei Hauptbewegungen und entwickelte sich zu vielen Graden der Verfeinerung, während er sich durch Asien verbreitete. Er unterlief auch vielen Neuinterpretationen. Um richtig populär zu werden, musste der Urbuddhismus wesentlich toleranter, positiver und menschenfreundlicher werden. So wandelte sich das ursprüngliche Ideal, ein Arhat (Würdiger) zu werden, also ein Mensch, der sich aus der Welt der Verblendung befreit, in das Ideal eines mitfühlenden Bodhisattwas, welcher sich weigert, die Welt der Illusionen zu verlassen, solange es noch leidende und verblendete Wesen gibt. Im Geiste dieser neuen Erkenntnis begannen Buddhisten wohltätige Werke zu tun, sammelten für die Armen, errichteten Krankenhäuser, Waisenhäuser, Schulen und ganze Universitäten, was sie auch in vielen fremden Ländern populär machte. In Indien begann der Rückgang des Buddhismus im siebenten Jahrhundert. Während sich der Kult noch immer nach China, Japan, Korea, Südostasien und einige Jahrhunderte später in den Himalaya ausbreitete, begann sein Ursprungsland die Kernlehren des Erleuchteten umzuwandeln. Das siebente Jahrhundert sah die Entwicklung einer neuen buddhistischen Schule im nördlichen Indien, das Vajrayāna (Diamantgefährt), welches stark von den hinduistischen Śākta-Lehren beeinflusst war. Was wir heute Tantra nennen (die Menschen jener Zeit taten es nicht) stellt vor allem eine Verschmelzung verschiedener hinduistischer