Hisian - Land der Sehnsucht. Andrea Zaia. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andrea Zaia
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783957448026
Скачать книгу
würde? Amelie wusste aus Erfahrung, dass Gebete nicht immer erhört wurden.

      Sie schlief ein. Als sie die Augen aufschlug, weil sie eine Berührung spürte, befand sie sich in einer Höhle, die wie eine Kirche auf sie wirkte. Die Höhle wurde von tausenden Kerzen erleuchtet. Es roch so angenehm, dass Amelie sich unwillkürlich wohl fühlen musste. Der Geruch berührte ihr Herz. In dem Moment als sie das begriff, wurde ihr klar, dieser Geruch hatte sie so stark berührt, dass sie erwachte. Wo war sie wieder einmal hingekommen? Amelie schaute sich erstaunt um und stellte fest, dass sie auf einem Hocker saß, der für sie viel zu groß war. Sie stützte ihre Arme auf wunderbar verzierte Lehnen. Für Amelie war der Hocker ein wenig unbequem. Für wen ist dieser Hocker gedacht? Sie schaute sich um. Konnte jedoch niemanden entdecken.Unter ihrem Po fühlte sie ein wunderbar weiches Kissen, das jedem König zur Ehre gereicht hätte. In diesem von tausend Kerzen erleuchteten Saal konnte sich ein Menschenkind schon dieser Einbildung hingeben. Amelie war für so eine Einbildung noch empfänglich, denn ihr Herz reagierte auf die Lichter, den Geruch und die Weite des Raumes. Ihre Gedanken wollten gerade um den wundervollen Glanz kreisen, als die Duse heranschwebte. Ihr Lächeln holte Amelie zurück in die Welt, in der sie wieder einmal zu Besuch war. Sie war in Hisian, das hätte sie sich auch gleich denken können.

      Die Duse wirkte ernst und zurückhaltend. Sie sah so verändert aus, dass Amelie Zweifel kamen, ob die Frau wirklich die Duse sein konnte.

      So feierlich hatte sie sie überhaupt nicht in Erinnerung.

      Über ihrem Gewand, das ohnehin schon beeindruckend war, trug sie heute einen dunkelgrauen Mantel mit goldenem Besatz. Warum war sie denn so feierlich gekleidet? Was war heute mit der Duse los? Sie sah so anders aus und das hatte Amelie bis jetzt noch nicht bemerkt. Hinter der Duse schwebte noch eine weitere Frau, die der Duse unheimlich ähnlich sah.

      Gerade wollte Amelie neugierig näher schweben, als sie die Duse sagen hörte: „Wir begrüßen dich in Roonia, liebe Amelie. Es ist an der Zeit, dass du eine weitere Lektion bekommst. Deshalb habe ich meine Schwester mitgebracht. Die Aufgabe, die wir heute haben, ist kompliziert und wir werden dich gemeinsam in das Reich meiner Schwester einführen. Ihr Name ist Guse. Sie freut sich sehr, dass du in ihr Reich, das Roonia heißt, gekommen bist.“ Amelie konnte ihre Augen nicht von der Frau, die nun neben die Duse schwebte, lassen. Was für eine beeindruckende Erscheinung.

      Die Guse trug einen dunkleren Mantel als die Duse und ihr Gesicht wirkte älter. Seltsam, die Guse hatte überhaupt keine Falten in ihrem Gesicht und sah doch älter aus als die Duse. Amelie jedenfalls fühlte, dass die Guse die ältere der beiden sein musste. Ihr Mantel wurde von einem goldenen Gürtel gehalten. Der Gürtel fehlte am Mantel der Duse. Beim Anblick dieses Gewandes und des Gürtels war für Amelie klar:

      Diese Frau trägt große Verantwortung.

      Oder sah sie das Verantwortungsbewusstsein im würdigen Gesicht der Guse? Diese Gedanken zu Ende zu denken war müßig. Lieber schaute sie sich die Frau genauer an. Zuerst inspizierte sie also den Gürtel mit seinen Eigenheiten genauer. Er schien sehr wertvoll zu sein. An ihm hingen mehrere Schmuckstücke. So etwas hatte Amelie noch nie gesehen.

      Zuerst fiel ihr so etwas Ähnliches wie ein Kreuz ins Auge. Ein Kreuz, wie es Amelie kannte war das der Guse jedoch nicht, denn es hatte am oberen Ende einen lustigen Henkel. Wozu die Guse wohl so ein Henkelkreuz brauchte? Diese Frage schwirrte Amelie während der Betrachtung der Frau neben der Duse durch den Kopf.

      Die Guse hatte Amelie geduldig zu Ende denken lassen und erhob nun ihre weiche, feste Stimme.

      „Ich begrüße dich im Reich der Roo. Hier werden wir, meine Schwester Duse und ich dir alles zeigen was du wissen darfst.“

      Amelies Interesse war sofort geweckt. Sie musste einfach fragen: „Das Reich der Roo, was heißt denn das?“

      „Das ist der Ort zu dem die Seelen der Menschen reisen, wenn sie den Körper verlassen. Mein Reich ist interessant und manchmal auch erschreckend für ein Mädchen wie dich. Du hast um Aufklärung gebeten, deshalb werde ich dich in mein Reich einführen. Damit du dich sicher und geborgen fühlst, wird die Duse uns begleiten. Natürlich freue ich mich auch sehr, dass mich meine Schwester Duse mit dir besucht.“

      Amelie brannte schon die ganze Zeit eine Frage auf dem Herzen. Das bemerkten die Duse und die Guse natürlich und schauten deshalb fragend zu ihr herüber. So konnte sie ihre Frage ohne beklemmendes Gefühl loswerden.

      „Liebe Guse hast du auch ein kleines Mädchen wie mich, das dich immer wieder in Hisian besucht?“

      „Ich habe eine große Aufgabe im Reich Roonia. Die Verantwortung für die Roo ruht auf meinen Schultern. Ich habe kein Menschenkind, das mich besucht. Dazu habe ich überhaupt keine Zeit. Denn ich erkläre allen Wesen, die ins Land Hisian kommen, mein Roonia. Außerdem stehe ich noch anderen Bereichen in Roonia, die Wilajate genannt werden, vor. Damit habe ich genug Arbeit. Du wirst sicher einige Wilajate kennen lernen. Ich bin gespannt, wie dir mein Reich gefällt.“

      Die Duse ergriff Amelies Hand.

      „Lass uns weitergehen, damit wir nicht zu viel Zeit verlieren.“

      Natürlich gingen sie nicht, sie schwebten, wie überall in Hisian.

      Amelie schaute sich um und sah, dass die große Höhle nach hinten immer enger wurde. Zuletzt mündete sie in einen Gang. Durch diesen Gang erreichten sie einen Raum, in dem viele kleine Roo spielten.

      Die kleinen Roo hatten die Spielzeuge, die ihr Herz begehrte. Amelie spürte überdeutlich das Begehren der kleinen Roo in der Luft. In diesem Raum konnten sie sicher mit Freude ihrem Spiel frönen.

      Amelie war vollkommen begeistert. Die kleinen Roo konnten aus einer Vielfalt wählen, die es in ihrem Kindergarten nicht gab. Siel entdeckte auch Spielzeuge, die sie noch nie gesehen hatte. Als sie genauer hinschaute konnte sie sternen- und mondähnliche Spielzeuge entdecken. Wozu die kleinen Roo so etwas brauchten, verstand sie nicht.

      In einer Ecke spielte eine kleine Roo mit einem großen Flugzeug.

      Sie nahm das Flugzeug einfach auseinander!

      Durfte das denn sein?

      Amelie war fürchterlich erschrocken, denn sie dachte an Franz. Wie gern nahm er sein Spielzeug auseinander und bekam dafür immer Schelte. Hier durfte die kleine Roo einfach das tolle Flugzeug auseinandernehmen und das schien in Ordnung zu sein.

      Woran lag das denn?

      Die Guse hörte, was Amelie auf dem Herzen hatte und beantwortete die Fragen des Mädchens.

      „Siehst du, die kleinen Roo in diesem Raum werden auf ihr neues Leben vorbereitet. Schau dort in der Ecke spielt eine mit Puppen. Sie wird einmal einem Menschen ihre Roo geben, der Kinder betreut. Und bis es so weit ist, kann die Roo schon einmal tüchtig üben.

      Die kleine Roo mit dem großen Flugzeug wird einmal Flugzeuge bauen, deshalb darf sie schon einmal schauen, was alles zu einem Flugzeug gehört. Als Ingenieur wird diese Roo große Erfindungen machen. Sie wird in Roonia gründlich auf diese Zeit vorbereitet. Im Moment ist die Betreuerin für diesen Raum nicht hier. Wenn alles in Ordnung ist, gönnt sie sich hin und wieder eine Pause. Siehst du da oben, die Vualo? Sie betreuen die Roo ohne, dass diese es bemerken. Sie schauen, dass keine Unfälle passieren und die Roo auch die richtigen Dinge lernen.“

      Hoch über den kleinen Roo, das hatte Amelie beim Eintreten in den Raum nicht bemerkt, schwebten Wesen mit Körpern, die aussahen wie Schleier. Sie wirkten auf Amelie so ähnlich wie kleine Nebelwolken und schienen die Roo einzuhüllen. Eine Atmosphäre von liebevoller Sicherheit herrschte dadurch im Raum. Die Vualo strahlten, das spürte Amelie genau, eine so unwahrscheinliche Geborgenheit aus, dass sie sich am liebsten zu den Roo gesellt hätte. Die Vualo könnten die Kindergärtnerinnen zu Hause auch gut als Unterstützung gebrauchen.

      Amelie war voll bei der Sache. Die Roo an diesem Ort hatten es doch gut. Warum sie wieder auf die Erde mussten, auf der man ständig etwas falsch machen konnte, das verstand sie nicht.

      Ihr platze deshalb die Frage heraus: „Kommen alle Roo in den Spielraum zur Vorbereitung auf das Leben?“