Einmal noch schlafen, dann ist morgen. Manuel Rubey. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manuel Rubey
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783990405840
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verstreichen lassen.

      LISTE DES SINNLOSEN WISSENS

      1)Suizid war bis in die 1950er-Jahre in England verboten. Gelang der Suizid nicht, stand darauf die Todesstrafe.

      2)»Please remove your child before folding« warnen einige Hersteller von Kinderwägen in ihren Bedienungsanleitungen in den Vereinigten Staaten. Man möge also nicht vergessen, das Kind vor dem Zusammenklappen des Wagens herauszunehmen.

      3)Die Arschkarte ziehen ist eine Redewendung aus dem Fußball, aus einer Zeit, als es nur Schwarz-Weiß-Fernsehen gab. Da man rot und gelb nicht unterscheiden konnte, war klar, dass der Spieler, wenn der Schiedsrichter die Arschkarte zog, vom Platz musste.

      3

      EINMAL NOCH SCHLAFEN, DANN IST MORGEN

      –

      Sätze, die mich über Jahre verfolgen. Ich versuche zu verstehen, wo sie herkommen

       MANUEL

      Kinder, was ich mir heuer von euch zum Geburtstag wünsche, ist ein paar Tage Ruhe und weniger Streit.

      Dann bin ich sehr glücklich.

       KINDER

      Wir haben aber schon was in der Schule gebastelt!

      Mein Vater hat mir zum 18. Geburtstag ein Buch geschenkt. Er hat darin ein paar Sätze gesammelt, die meine Geschwister und ich im Laufe der Jahre so gesagt haben und die ihm wesentlich erschienen. Ich habe diese Idee von meinem Vater übernommen und schreibe unregelmäßig Dinge auf, die unsere Töchter so von sich geben. Ich nehme mir jetzt die Freiheit heraus und veröffentliche ihre Zitate. Ich hoffe, dass ihr euch dereinst darüber freuen werdet, liebe Töchter.

      Ronja, in etwa drei, wir sitzen im Park und zelebrieren die Langeweile:

       RONJA

      Die Tauben platzen und werden zu Feen.

      Das sind so Sätze, die mich über Jahre verfolgen. Ich versuche zu verstehen, wo sie herkommen. Sie werden diktiert, glaube ich. Es handelt sich wohl um Phänomene, wie sie auch große ErfinderInnen und SchriftstellerInnen kennen. Momente, in denen sie das Gefühl hatten, nur die Verbindung halten zu müssen und den Stift übers Papier zu bewegen, weil, was gerade passiert war, hatten sie sich nicht ausgedacht. Es flog ihnen zu, manche sprechen von Antennen. Kinder sind naiv und subversiv, und sie lernen begierig, weil sie es wollen. Irgendwann verlieren sie diese Fähigkeit und ihre Antennen. Die Schule treibt ihnen schließlich den Rest an Subversivität aus.

       5. AUGUST 2008

      Wir sind auf dem Lande und spazieren durch den Wald. Ich merke, dass du ein Stadtkind bist, da du Nacktschnecken für Hundescheiße hältst. Gestern in der U-Bahn hast du einer Frau mit Burka, also einer Vollverschleierten, aufmerksam zugesehen. Ich habe keine Angst gesehen, keine Wertung in deinen Augen, nur Verwunderung. Du hast dann plötzlich gesagt:

       RONJA

      Die Frau ist weg.

      Wie wahr.

       RONJA

      Meine Freundin Schneewittchen ist leider gestorben, und mein Freund Braunbär musste in den Zoo.

      Als wir durchs Stiegenhaus gehen, wird gerade feucht aufgewischt:

       RONJA

      Es ist nass, der Mann beest!

      Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass ich glaube, meine Kinder seien besonders kreativ, oder so. Ich glaube, ALLE Kinder sind so, und wir sollten einfach genauer hinschauen und hinhören und uns an ihrer Weisheit erfreuen.

       RONJA

      Der Papa hat einen Penis, die Mama eine Scheide und die Ronja eine Windel.

       MÄRZ 2009

      Ich habe einen starken Schnupfen. Wir gehen die Straße entlang, du hältst meine Hand. Achtlos spucke ich Rotz auf die Straße. Du sagst nur:

       RONJA

      Bitte mich nicht anspeiben, Papa.

      In diesem Satz steckt dein Wesen. Achtsam, emphatisch, und so humorvoll.

       APRIL 2009

       RONJA

      Ist es schon dunkel?

       MANUEL

      Ja.

       RONJA

      Wahnsinn, die Mama ist im Dunklen draußen!

       MAI 2009

      Wir waren heute bei der Oma. Auf der Autobahn überholte uns ein Rettungswagen mit Blaulicht. Besonnen siehst du aus dem Fenster und sagst zu dir selbst:

       RONJA

      Jetzt ist schon wieder was passiert.

      Später, am Gürtel blendet dich die Abendsonne.

       RONJA

      Obwohl wir keine Sonnenbrillen haben, scheint die Sonne!

      Abends, kurz bevor du einschläfst, sagst du:

       RONJA

      Morgen werde ich in die Zeitung schauen, vielleicht ist was Interessantes drin, Kühe oder so.

       RONJA

      Ich werde schon noch größer. Aber wird die Welt auch noch größer? Ich glaube nicht. Afrika vielleicht.

      Du beginnst zu realisieren, dass es den Tod gibt.

       RONJA

      Die Menschen, die ganz oben am Himmel sind, sind schon gestorben. Wenn sie sich nicht an den Wolken festhalten, fallen sie runter und werden wieder lebendig.

      Ich war ein paar Tage drehen und versuche, mit dir jetzt wieder ins Gespräch zu kommen.

       MANUEL

      Ich habe dich vermisst!

       RONJA

      Ich dich eigentlich nicht.

       MANUEL

      –

       RONJA

      (überlegt) Ich habe eigentlich gar nicht an dich gedacht.

       15. SEPTEMBER 2010

      Wir hören Sergeant Pepper.

       RONJA

      Wie viele Beatles leben noch?

       MANUEL

      Zwei.

       RONJA

      Die anderen hatten ein kürzeres Leben. Wie heißen die, die noch leben?

       MANUEL

      Paul und Ringo.

       RONJA

      Ich will die mal treffen!

      Ein Dialog, den ich aufgeschrieben habe, ohne Datum. Es ist aber auch egal, weil deine Worte sind zeitlos und wichtiger denn je.

       MANUEL

      Gibt es in deiner Kindergartengruppe eigentlich auch Flüchtlinge?

       RONJA