Bob Marley - Catch a Fire. Timothy White. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Timothy White
Издательство: Bookwire
Серия: Rockgeschichte
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854454656
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damit dies ihnen laut Marley ›behilflich sei bei ihrer Meditation über die Wahrheit‹.

      Die Musik der Wailers benutzte die Sprache, die Überlieferungen und das Idiom der einfachen Landbevölkerung Jamaikas, um die Ziele von Rastafari auf Erden zu erklären – hauptsächlich das des Aufstiegs zur ›iration‹, der höchsten Form von Creation (Schöpfung), eine Ebene der Existenz, auf der kein falsches Dogma mehr herrschen kann, das Böse nicht mehr wirksam wird und es weder Duppies noch Obeahmen oder gar Screwface gibt, wie die ländliche Bevölkerung Jamaikas gemeinhin den Teufel nennt. Der Rastaman, der absolute schwarze Paria, sagt, dass der bittere Weg des mit Gewalt verpflanzten schwarzen Mannes durch die Zeit – seine Gefangenschaft, sein Erwachen mit Hilfe der angemessenen religiösen Lehren und schließlich sein Kampf um die Rückkehr nach Afrika – ein Spiegel des spirituellen Ablaufs ist, in dem alle Menschen leiden und nach Erlösung streben. Diese Reise ist ein Ebenbild der mystischen Wanderung der Lebensseele auf die Erde und zurück zu Jah.

      Das Problem besteht darin, dass der Dialog zwischen dem Rastaman und seinen potentiellen Brüdern ständig durch den Aberglauben beeinflusst ist, da diese meinen, er sei verwandt mit dem ›black heart mon‹ (Mann mit dem schwarzen Herzen), dem ›Bösen Mann‹, vor dem Mütter auf Jamaika noch immer ihre Kinder warnen.

      Manche Menschen auf Jamaika sind froh, dass Bob Marley seinen Lohn empfangen hat und seine Schützerseele lebendig ist auf Erden, um als Instrument des Guten zu dienen. Andere meinen, sein Dahinscheiden sei ein Zeichen für das Nahen von Harmageddon, der Zeit, da die besten unter den Menschen fortgeführt werden von der Erde und die Finsternis sich niedersenkt zum Tag des Jüngsten Gerichts, wenn Jah den Teufel und seine Vasallen verdammen wird.

      In einer solchen Situation treffen viele schwache Menschen die falsche Entscheidung und folgen dem Weg der Verdammnis. Manche Leute vom Lande sagen, dass die Obeahmen zuhauf zurückgekehrt sind auf die Friedhöfe Jamaikas, wo sie Terpentin und Pfeffer ausschütten vor den Grabsteinen, um die Duppies verstorbener Verwandter herbeizulocken, damit die Geister ihnen zu Hilfe kommen bei ihren geheimen Taten von Unheil und Rache.

      Aber der Rastaman lacht und tut solche Reden ab als das Gewinsel des ›bloodclot‹ (Heide, eine Schmähung, die von der Menstruation hergeleitet ist und von dem Tuch [cloth], mit dem sich die Sklaven nach schlimmen Auspeitschungen das Blut abwischen) und verweist auf die Worte von Bob Marleys ›Redemption Song‹:

      Old pirates yes them rob I

      Sold I to the merchant ships

      Minutes after they took I from the Bottomless Pit

      By the hand of the Almighty

      We forward in this generation, triumphantly

      All I ever had is songs of freedom …

      Won’t you help me sing these songs of freedom

      Cause all I ever had redemption songs …

      Emancipate yourselves from mental slavery

      None but ourselves can free our minds

      Have no fear for atomic energy

      Cause none of them can stop the time

      How long shall they kill our prophets

      While we stand aside and look

      Yes some say it’s just a part of it

      We’ve got to fulfill the book.

      Die Piraten damals ja sie raubten mich

      Und verkauften mich auf die Handelsschiffe

      Kaum dass sie mich aus der Hölle geholt hatten

      An der Hand des Allmächtigen

      Schreiten wir fort in dieser Generation im Triumph

      Alles was ich je hatte sind Lieder der Freiheit …

      Wollt ihr mir nicht beistehen und diese Lieder der Freiheit singen

      Denn alles was ich je besaß sind Lieder der Erlösung

      Befreit euch aus der geistigen Versklavung

      Niemand als wir selbst kann unseren Geist befreien

      Habt keine Furcht vor atomarer Energie

      Denn nichts kann den Lauf der Zeit aufhalten

      Wie lange noch sollen sie unsere Propheten töten dürfen

      Während wir dabeistehen und zusehen

      Ja manche sagen es gehört dazu

      Wir haben nur das zu erfüllen was geschrieben steht im Buch.

      Im April 1981 wurde Bob Marley in Anerkennung seiner Verdienste um die Kultur der Nation der Verdienstorden verliehen, eine der höchsten Auszeichnungen. Einen Monat später war er tot, gestorben an Krebs des Gehirns, der Leber und der Lunge, und sein Leichnam war in einem Bronzesarg in der National Heroes Arena von Kingston aufgebahrt. Sein hageres, wächsernes Gesicht ist glattrasiert, seine Dreadlocks, die ihm während der Strahlenbehandlung ausgefallen waren, hat man zu einer Perücke vernäht und ihm wieder aufgesetzt. Eine Hand hält eine Bibel, aufgeschlagen beim 23. Psalm, die andere liegt auf seiner ramponierten hellen Gibson-E-Gitarre.

      Als Marley genau ein Jahr zuvor nach Afrika gereist war, um bei jenem Konzert in Simbabwe aufzutreten, hatte er festgestellt, dass mehrere Coverversionen seiner letzten Single ›Survival‹ von Nigeria bis zum Senegal sehr gut verkauft wurden. Die bekanntesten Sänger und Musiker des Kontinents hatten sie aus Respekt, Bewunderung und mit Gespür für das Geschäft aufgenommen. Zu Tausenden überschütteten ihn die Fans mit ihrer Verehrung, und ihr Lächeln schien zu beweisen, dass er jene wahre Gemeinschaft mit Afrika erreicht hatte, nach der sich alle Rastas sehnen.

      Ein ähnliches, wenn auch traurigeres Schauspiel bot sich bei der öffentlichen Totenwache in der National Arena. Zehntausende von Trauernden – Afrikaner, Amerikaner, Europäer, Westinder – defilierten an der Bahre vorüber, die von Soldaten in weißen Uniformen mit M16-Gewehren bewacht wurde, während diverse Tribute-Singles, die von den einheimischen Stars herausgebracht worden waren, in den Straßen dröhnten.

      Bei einem Staatsbegräbnis unter der Leitung Seiner Eminenz Abouna Yeshaq wurden Passagen aus der Heiligen Schrift von Jamaikas Generalgouverneur Florizel Glasspole und vom Führer der Oppositionspartei, Michael Manley, verlesen. Der Ehrenwerte Edward Seaga hielt die Gedenkrede auf den Ehrenwerten Robert Nesta Marley, O.M.

      Die Wailers spielten einige von Marley Kompositionen, begleitet von den I-Threes, dem weiblichen Gesangstrio, zu dem auch seine Frau Rita Marley gehört. Die Melody Makers, eine Gruppe, die aus vier von Bobs und Ritas gemeinsamen Kindern besteht (während Marley legal zehn Kinder von verschiedenen Frauen anerkannt hatte, schätzen einige Verwandte, dass er Vater von zweiundzwanzig gewesen ist), trat zu seinen Ehren auf, und seine Mutter Cedella sang einen der letzten Songs, die er geschrieben hatte: ›Coming In from the Cold‹.

      Der Sarg wurde auf einen Lastwagen geladen und langsam die fünfundsiebzig Meilen zu seinem Geburtsort auf einem Berg in der Kirchengemeinde St. Ann (Jamaika ist in vierzehn solcher ›parishes‹, Kirchengemeinden, aufgeteilt) gefahren, wo Rastas aus dem Berggestein am Hang eine Gruft gehauen hatten.

      Für einen Mann wie Bob Marley waren das Leben und Jah ein und dasselbe. Marley sah Jah als das Geschenk des Lebens, d.h., er glaubte, dass er, Bob Marley, auf bestimmte Weise unsterblich sei und dass er einzigartig sei. Er glaubte, die Einzigartigkeit jedes Mannes und jeder Frau sei das Geschenk Jahs. Das Bemühen, daraus etwas zu machen, ist unsere Hingabe an Jah, und er glaubte, dass dieses Bemühen eines Tages zur Wahrheit führen werde.

      Die Geschichte lehrt, dass manchmal bestimmte Gestalten aus stagnierenden, hoffnungslosen und/oder sich auflösenden Kulturen erwachsen und alte Symbole und Überzeugungen neu interpretieren und mit einer neuen Bedeutung versehen. Die Entscheidung eines Individuums, eine solche Rolle zu spielen, mag völlig unbewusst vonstattengegangen sein, aber sie mag auch mit dem Bewusstsein geschehen, dass man mit der Gabe/Last der Prophezeiung ausgestattet ist. Auf diese Bewusstwerdung kann dann von seitens einer solchen Person die