Die Status Quo Autobiografie. Francis Rossi. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Francis Rossi
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854453666
Скачать книгу
natürlich nicht bis dahin schauen, aber in meinem Kopf habe ich immer noch das Bild von dem Garten dahinter, wo ich immer Lager baute. Ich schleifte alte Wellblechteile und alles, was ich sonst noch so an altem Schrott finden konnte, in den Garten, um mir dort ein Versteck zu bauen. Darin spielte ich dann all die kriegerischen Kämpfe nach, die ich zuletzt im Fernsehen oder in Comics gesehen hatte. Ich liebte es, wenn es regnete. Dann war es in meinem Lager am gemütlichsten. Ich hockte da, lauschte den Regentropfen, die auf das Wellblechdach trommelten, freute mich, dass ich nicht nass wurde, und dachte: Hier bin ich sicher. Ich bin in meinem Lager, umgeben von meiner Armee.

      Am Ende des Gartens gab es auch eine Bäckerei. Von dort wurde viel von dem Zeug, das sie im Café benötigten, angeliefert, und ich liebte den Duft von frisch gebackenem Brot, der jeden Morgen über die Gartenmauer herüberwehte. Manchmal bin ich reingegangen und habe Marmeladenkuchen gemacht oder einfach ein bisschen mitgeholfen. Es waren wunderschöne Tage. Alle meine Erinnerungen an diese Zeit sind so rein und schön.

      Wir wohnten in einer Wohnung über dem Café. Meine Oma aber lebte in einem richtig schönen Haus gleich eine Straße weiter, in der Maybury Road. Ich würde liebend gern mal wieder hineingehen, aber da wohnt jetzt eine Familie und ich habe ein bisschen Schiss, einfach anzuklopfen und zu fragen, ob ich mal reinkommen und mich ein bisschen umschauen dürfe. Ich bin sicher, dass sie es mir sofort erlauben würden, wenn ich es ihnen erklärte, allein das Erklären fällt mir irgendwie schwer. Ich fahre oft am Haus vorbei, aber ich konnte noch nie den Mut aufbringen, zu läuten. Das Verrückte ist, dass das Haus in meiner Erinnerung riesig ist. Es gab schließlich fünf Schlafzimmer und Oma hatte gewöhnlich noch an weitere Leute untervermietet. Wenn ich jetzt aber daran vorbeigehe, erscheint mir das Haus recht bescheiden. Obwohl es natürlich immer noch diesen wunderschönen großen Garten mit den Obstbäumen gibt.

      Am spannendsten war für mich in jenen Tagen, wenn ich zu Omas Haus rüberging, dass sie damals schon eine Fernbedienung besaß. Das war circa 1955 und somit muss es sich um eines der ersten Modelle gehandelt haben, die auf den Markt kamen. Eigentlich war es kaum mehr als ein langer weißer Draht, der mit dem Fernsehapparat verbunden war, und es gab auch nur einen einzigen Knopf, mit dem man ein- und ausschalten konnte. Aber für mich war es das geilste Ding, das ich je gesehen hatte.

      Das nächste, woran ich mich aus jener Zeit erinnere, war mein erstes richtiges Fahrrad. Es war ein Rad der Marke Elswick und ich hatte meine Eltern so lange angebettelt, bis sie es mir zu Weihnachten schenkten. Ich war halb krank vor Aufregung, als ich die Treppe runterkam an jenem Morgen und unter dem Weihnachtsbaum das Fahrrad stehen sah. Später hatte ich dann ein Rennrad, ein wirklich schönes Exemplar, mit geschwungenem Lenker und Fünf-Gang-Schaltung. Ich ließ zuweilen andere Kinder damit fahren, im Tausch gegen Murmeln. Die Murmeln waren damals unser Zahlungsmittel. Murmeln oder Rosskastanien.

      Weihnachten war sowieso immer eine besonders schöne Zeit. Ich erinnere mich hauptsächlich noch an die Kinderpistolen und Spielzeugautos. Wie in weiser Voraussicht war das bei mir am höchsten gehandelte Utensil damals dieser silberne Spielzeug-Mercedes, so groß wie ein Schuhkarton. So etwas nannte man damals „Friction-Action“-Autos. Man hat sie auf den Boden gestellt, mit den Rädern nach hinten geschoben, und wenn man losgelassen hat, rasten sie nach vorne. Phantastisch! Dann besaß ich noch einen grünblauen McLaren-Rennwagen, den ich auch heiß und innig liebte. Ist es da ein Wunder, dass ich mir, als ich groß war, die Sachen in echt wünschte?

      Paradoxerweise hatten wir aber in unserer Familie erst ein Auto, als ich Teenager war. Nur sehr wenige Leute, die wir kannten, hatten damals ein Auto. In der Straße, in der wir wohnten, parkte kein einziger Wagen. Eines Tages kam dann mein Vater und verkündete wie aus heiterem Himmel, er habe ein Auto gekauft. Ich flitzte nach draußen, um es mir anzuschauen. Und da stand dieser kleine schwarze Standard 8 mit dem Union Jack vorne auf der Kühlerhaube. Ein hübsches, glänzendes Vehikel. Ich habe immer noch das Nummernschild im Kopf – DHO 455. Ich habe jahrelang versucht, dieses Nummernschild wieder aufzutreiben, aber entweder es existiert nicht mehr oder jemand hat es und will es nicht herausgeben. Jammerschade! Denn das Auto war, glaube ich, Baujahr 1954, und dieses Nummernschild würde viele kostbare Erinnerungen in mir wachrufen.

      Es stellte sich heraus, dass mein Dad bei einem Kumpel, der einen Anglia fuhr, heimlich Fahrstunden genommen hatte. Er bestand die Fahrprüfung auf Anhieb. Doch wir bekamen das alles erst mit, als er eines Tages mit diesem Auto aufkreuzte. Später tauschte er den Wagen gegen einen Rover 12 ein, doch als er diesen verkaufte, holte er sich wieder einen Standard 8. Diese Autos waren für die damalige Zeit einfach kleine Wunderwerke. Ich weiß nicht, wo er den ersten aufgetrieben hatte oder wie viel er dafür bezahlte, aber das Auto war eine Wucht. Die vorderen Scheinwerfer waren aus Chrom und saßen direkt auf den Kotflügeln. Ich war einfach hin und weg. Woran ich mich auch noch erinnern kann, ist der Geruch im Wageninneren – einfach prächtig. Ich mag den Geruch in Autos bis heute, ich bin ein richtiger Autogeruchsschnüffler. Sobald ich in ein neues Auto einsteige, dringt sofort dieser typische Autogeruch in meine Nase – das ist für mich besser als jedes Parfum. Ich kann ihm nicht widerstehen.

      Wie dem auch sei, Dad fuhr jedenfalls mit uns eine Runde um den Block. Ich kann mich erinnern, wie er sagte: „Guck mal, mein Junge – 30 Meilen die Stunde!“ Es war ein wunderbarer Augenblick. Von da an waren Autos, nach den Gitarren, meine größte Leidenschaft. Es ist ein Wunder, dass ich nicht Rennfahrer geworden bin oder Automechaniker. Ich habe mich immer für Motoren interessiert und wie viel PS sie hatten. Was man in jenen Tagen am häufigsten auf Großbritanniens Straßen sah, waren Autos mit Verbrennungsmotoren, die sechs oder acht PS hatten: egal ob das ein Austin 6 oder ein Morris 8 war. Wenn man mir damals erzählt hätte, dass ich später einmal ein Auto mit 600 PS fahren würde, hätte ich das wohl nicht geglaubt. Es wäre ungefähr so gewesen, wie als wenn man mir gesagt hätte, ich würde eines Tages auf einem fliegenden Teppich daherkommen. Als meine Oma starb, mussten wir aus der Maybury Road ausziehen und auf einmal war unser Familienleben wieder in Aufruhr. Das Haus und das Café wurden verkauft und wir saßen buchstäblich auf der Straße. Warum das so passierte, weiß ich nicht. Kurz bevor meine Mum vor ein paar Jahren starb, fragte ich sie, was aus dem ganzen Geld geworden sei, und sie schüttelte nur traurig den Kopf und meinte, dass Oma eine Menge Schulden hinterlassen habe, als sie gestorben sei. Mehr musste sie mir gar nicht sagen. Ich wusste, was sie damit meinte. Oma liebte es, auf Pferde zu setzen. Sie saß in einem Zimmer mit zugezogenen Gardinen, sah sich die Pferdchen im Fernsehen an und gab telefonisch ihre Wetten durch. Sie setzte auf alles, was den Namen „Tudor“ oder irgendeinen anderen Namen trug, den man mit der königlichen Familie in Verbindung bringen konnte, egal ob der Gaul gerade gut in Form war oder nicht. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass dies nicht unbedingt sehr erfolgreich war. Und so ließ Oma, als sie starb, den Rest der Familie ohne einen einzigen Penny zurück.

      Dad verdingte sich wieder als Versicherungsvertreter und für einige Zeit waren wir gezwungen, in einer Bruchbude zu wohnen. Wir teilten uns mit einer anderen Familie, die oben im Gästezimmer hauste, eine Sozialwohnung. Die andere Familie hatte zwei Kinder, und so waren in dieser Behausung vier Erwachsene und drei Kinder untergebracht, die alle versuchten, sich irgendwie zu arrangieren. Wir saßen die meiste Zeit über in einem Raum. Mich hat es eigentlich nicht wirklich gestört, aber für meine armen Eltern war es sicherlich deprimierend. Nach einer Weile zogen wir mit einer anderen Familie zusammen in eine Sozialwohnung am anderen Ende von Woking. Der Gebäudekomplex hieß Elm Bridge Estate, und wieder wohnten wir in einem Zimmer im oberen Stockwerk eines Hauses im Queen Elizabeth Way. Gott sei Dank blieben wir da nur für ein paar Wochen, bevor wir ein Haus für uns alleine bekamen. Es lag in derselben Straße und hatte die Hausnummer 101.

      Mit diesem Ort verbindet mich sehr viel, es ist fast schon mystisch, und jeder, der mich gut kennt, weiß das, denn sobald das Gespräch auf den Queen Elizabeth Way 101 kommt, bringt man mich von diesem Thema gar nicht mehr ab. Für mich war es und wird es immer ein magischer Ort bleiben.

      Als ich das erste Mal dorthin kam, fand ich auf dem Boden Bambusstecken, die wohl jemand aus irgendeinem Grund dort hatte liegen lassen, und ich erinnere mich, wie ich sie aufhob und mich weiter umsah, während ich dachte, wie ungewöhnlich und phantastisch dieser Ort war. Wir hatten vorne eine Wohnzimmersitzecke, einen richtigen Flur, eine Küche, ein großes Esszimmer, drei Schlafzimmer, ein Bad, eine Gästetoilette, einen Wäscheschrank plus einen phantastischen Garten