Die Status Quo Autobiografie. Francis Rossi. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Francis Rossi
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854453666
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wir wirklich geneigt waren, das zu tun. Zunächst gaben wir uns recht cool und luden ihn einfach ein, mal zum Vorspielen zu uns rüberzukommen. Aber John war uns in Sachen Coolness noch um Einiges voraus. Und ich werde nie vergessen, wie er zum ersten Mal zu unserer Bandprobe auftauchte: Er fuhr in einem Wagen mit Chauffeur vor. Wie sich später herausstellte, war sein Dad ein total scharfsinniger Typ. Er hatte ihm einen Taxifahrer engagiert, um zu uns zu kommen. „Das macht was her, mein Sohn“, hatte er ihm gesagt – und das tat es wahrlich. Es machte verdammt Eindruck auf uns. Sogar sein Drum-Set war cool: ein Second-Hand-Schlagzeug der Marke Slingerland, das einst Louie Bellson, dem Drummer von Duke Ellington, gehört hatte und bei dem auf zwei der Bass-Becken immer noch dessen Initialen „LB“ blinkten. Wir spielten ungefähr zwei Songs, bevor wir die Katze aus dem Sack ließen und ihn baten, bei uns einzusteigen.

      Als Mensch war John gar nicht mal so der Kracher. Wenn man überhaupt etwas über ihn sagen konnte, dann, dass er zuweilen recht still war. Er war so bodenständig, dass man manchmal schon meinen konnte, er befände sich bereits unter der Erde. Wie wir bald merken sollten, war John ein finsterer und bierernster Zeitgenosse, der sich nie dazu hinreißen ließ, über einen Witz zu lachen – es sei denn, er fand ihn wirklich witzig, was aber so gut wie nie vorkam. Er war ein Eigenbrötler, auch als Teenager. Aber er spielte phantastisch Schlagzeug und mit ihm in der Band hatten wir jetzt wirklich das Gefühl, dass es voranging. Wir hatten sogar einen großartigen neuen und der Stimmung angemessenen Namen für uns: The Spectres.

      Unser erster Gig als The Spectres, den Alan Lancasters Vater Harry für uns arrangiert hatte, fand auf dem Samuel Jones Sports Ground statt. Das klingt vielleicht großartig, doch es war nur ein kleiner zugiger Verschlag am hinteren Ende eines alten lausigen Sportplatzes. Aber wir spielten dort ein paar Monate lang ziemlich regelmäßig und gewannen allmählich immer mehr Vertrauen in uns. Wir hatten nie sehr viele Zuschauer, aber alle Freunde und unsere Familien tauchten natürlich jedes Mal auf. Mein Vater fuhr uns immer und transportierte auf der Ladefläche seines Eiswagens unser gesamtes Equipment. Die Band durfte nie anfangen, solange ich nicht sicher war, dass wirklich alle da waren, insbesondere Alans Mutter May, die ich einfach wundervoll fand. Harry war auch ein toller Typ. Er hatte früher geboxt, dann aber die Boxhandschuhe wieder an den Nagel gehängt. Ich mochte sie einfach beide sehr. Sie waren immer so gut zu mir und behandelten mich, als gehörte ich zur Familie.

      Am Anfang spielten wir fast nur Cover-Versionen, größtenteils Instrumentalstücke von den Shadows und den Tornados – im Grunde einfach das Zeug aus den Charts. Wir spielten gewöhnlich 20 Minuten, und schon waren wir wieder weg. Eines Abends kam ein Typ nach dem Auftritt zu uns auf die Bühne und meinte: „Ich würde euch gerne managen.“ „Wenn Sie das tun wollen“, erwiderten wir. Und so hatten wir auf einmal einen Manager. Sein Name war Pat Barlow. Er war Monteur von Beruf und rackerte so lange, bis er seine eigene kleine Firma hatte. Er war kein Millionär, aber er war auch nicht gerade arm, wie man so schön sagt, und er war verrückt danach, wie er es ausdrückte, „sich ins Geschäft mit dem Rock’n’Roll einzuklinken“. Keiner von uns hatte so etwas je gemacht, aber Pat gab uns mit seinem Geld die Chance dazu, und wir Grünschnäbel, die wir noch ganz am Anfang unserer Karriere standen, bedeuteten für ihn eine Chance. So lief das damals bei vielen Musikgruppen ab. Anfang der Sechziger steckte alles noch in den Kinderschuhen. Die Leute ergriffen jeden Strohhalm, der sich ihnen bot.

      Was Pat an Erfahrung fehlte, machte er mehr als wett durch seine Beharrlichkeit. Und er hatte ein dickes Fell. Schon bald wurde er zu einem zweiten Vater für uns. Da er sich schon in seinem eigenen Geschäft bewährt hatte, war er natürlich sehr souverän am Telefon und als Verhandlungspartner. Er hatte ein Gespür dafür, wie er für uns das Letzte herausholen konnte. Auf diese Weise verschaffte er uns nach und nach die verschiedensten Gigs, für die wir gut bezahlt wurden, die aber nicht gerade um die Ecke lagen – wie etwa der Club El Partido in Catford. Sein größter Coup war, dass er für uns eine feste Auftrittsmöglichkeit für die Montagabende im Café des Artistes in Chelsea an Land zog. Wir waren erst 14, aber wir spielten bis zwei Uhr früh. Dann fuhr uns Pat nach Hause, wo wir uns ein paar Stunden Schlaf holten, bevor wir aufstanden, um in die Schule zu gehen.

      Ein bisschen Geld kam rein. Nicht so viel, aber genug, um uns ein besseres Equipment leisten zu können. Ich erstand für mich eine halbakustische Guild-Gitarre, während Alan stolzer Besitzer eines knallig aussehenden Burns-Basses wurde. Und wir fingen an, echte Kleider-Freaks zu werden. Es war die Ära der Beat-Gruppen, und man musste sich auch als solche ausweisen, wie die Beatles. Und so trugen wir alle die gleichen blauen Anzüge. Wir ließen sie speziell für uns anfertigen, von einem Typen auf dem Lambeth Walk, der zwölf Pfund für so ein Teil verlangte. Nur für Alan nicht. Der ließ sich ein ganz besonderes Modell schneidern, für 25 Pfund.

      Als wir erst einmal ein paar regelmäßige Gigs hatten und unser Look stimmte, stand als nächstes natürlich die Veröffentlichung einer Platte an. Wir hatten noch kein Demo-Tape aufgenommen und versuchten deshalb zuerst, Leute von den Plattenfirmen dazu zu bewegen, bei einem Auftritt vorbeizuschauen. Denkste! Es schien, als würden die Leute von den Plattenfirmen immer nur zu den Bands gehen, die schon einen Namen hatten oder irgendwie gerüchteweise im Gespräch waren. Um diese Hürde zu nehmen, kam Pat auf die Idee, uns als Vorgruppe der Hollies auftreten zu lassen, die damals ganz hoch im Kurs standen. Das Konzert fand in der Orpington Civic Hall in Kent statt, irgendwann Anfang 1965, und man nahm an, dass einige führende Persönlichkeiten aus dem Musik-Business im Publikum sein würden. Zumindest sagte man uns das so, kurz bevor wir auf die Bühne gingen. Grober Fehler! Unsere Nerven lagen blank vor Aufregung, sodass wir einen erbärmlichen Auftritt ablieferten, was uns damals nicht oft passierte. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass sich niemand die Mühe machte, uns am nächsten Tag zu kontaktieren. Oder am übernächsten.

      Der große Durchbruch sollte aber kommen, als Pat uns für ein Vorspielen in Butlin’s Minehead in Somerset buchte – jenem Ort, in dem in vielerlei Hinsicht die Story von Status Quo begann. Ich dachte zuerst, wir hätten keine Chance da, denn damals waren alle Bands, die in Butlin’s Minehead spielten, bereits Größeres gewohnt. Aber wir waren damals gar nicht schlecht aufgestellt für einen Haufen Schulkinder – und sieh an, wir bekamen den Gig! Wir konnten es nicht fassen. Es war, als ob wir jetzt endlich eine richtige Band waren, so als hätten wir eine höhere Ebene erreicht. Was wir vermutlich auch hatten.

      Jess sah es jedenfalls so und stieg sofort aus. Wie Alan Key damals. Er konnte spüren, wie entschlossen wir anderen waren, entschlossen, es zu schaffen. In Butlin’s Minehead zu spielen, bedeutete, für vier Monate von zu Hause weg zu sein – und dazu war er einfach nicht bereit. Er wollte in der Schule weiterkommen und später studieren, und so schlug er den ehrbaren Weg ein und zog sich von uns zurück. Wir wünschten ihm alles Gute und sahen uns schleunigst nach einem Ersatz für ihn um. Pat fand schließlich jemanden für uns, einen Typen namens Roy Lynes, den er mal in einem Pub hatte Orgel spielen sehen. Roy war Qualitätsprüfer für Autoteile von Beruf und sieben oder acht Jahre älter als wir. Eine riesige Zeitspanne, wenn du selbst gerade mal 15 bist. Aber er hatte sein eigenes Equipment, war sofort verfügbar und konnte spielen. Mit dem drohenden Aus im Hintergrund brauchten wir gar nicht mehr zu wissen. Roy war engagiert.

      Wir konnten es nicht abwarten, nach Butlin’s zu kommen. Nicht nur, weil wir regelmäßig Geld für unsere Arbeit erhalten sollten, sondern auch, weil wir uns auf einen unbeschwerten Sommer in einem Ferien-Camp freuten, von dem wir uns erhofften, dass uns viel Zeit bliebe, um Vögeln hinterherzujagen. Fairerweise muss man sagen, dass es uns gelang, auch das irgendwie im Programm unterzubringen, aber schon bald merkten wir, in was für eine Mühle wir uns da hineinbegeben hatten. Wir mussten jeden Nachmittag zwei oder drei Stunden lang spielen und am Abend noch einmal für zwei oder drei Stunden. Am Ende bestand unser Set aus rund 50 Songs – und das zweimal pro Tag, sechs Tage die Woche. Es war der helle Wahnsinn. Ich weiß bis heute nicht, wie wir damit klarkamen. Ab der dritten Woche haben wir wohl einfach den Autopiloten eingeschaltet. Für uns Musiker war das aber eine gute Übung, wir wurden sehr fit. Wenn du jeden Tag solange auf der Bühne stehst, gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder man kriegt einen Kollaps und bricht zusammen, oder man wird wirklich gut. Wir wurden so fit, dass wir eine andere Band waren, als wir einige Monate später wieder nach London zurückkamen.

      Als wir ins Butlins-Camp kamen, wies man uns ein Pub auf dem Gelände als Auftrittsort