Die Status Quo Autobiografie. Francis Rossi. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Francis Rossi
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854453666
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ich zu Hause eine Menge Annehmlichkeiten gehabt hatte, von denen ich dort nur träumen konnte, kam mir erst in den Sinn, als ich wirklich vor Ort war und merkte, dass das nun ein völlig anderes Leben sein würde, eher das Leben eines Erwachsenen.

      Ich bekam meine offizielle Canary-Uniform: gelbe Jacke, gelber Pullunder, weiße Hose und weiße Schuhe. Ich fühlte mich wirklich wie einer von ihnen. Mein Schlafplatz befand sich in einer Wohnung direkt über der Bar, in der ich abends spielte, in einer von mehreren kleinen Einzimmerparzellen, die sie Treetops nannten und wo alle Canaries schliefen. Jeden Morgen wurde man um sieben geweckt, die Camper ebenso wie die Canaries, indem immer wieder der gleiche blöde Song gespielt wurde, „Island In The Sun“ von Harry Belafonte. Das gesamte Camp wurde damit beschallt. Ich fing schon bald an, das Stück zu hassen. Die Canaries mussten dann bereits alle aufgestanden sein, sich angezogen haben und in smartem Outfit unten am Eingang zum Frühstücksraum warten, um die Camper zu begrüßen. Dann musste man sich mit ihnen an einen Tisch setzen, freundlich lächeln und mit ihnen tratschen bis das Frühstück vorbei war. So früh am Morgen schon so nett sein zu müssen, konnte bisweilen ziemlich nervig sein, besonders wenn es am Abend zuvor spät geworden war – wie fast immer.

      Im Allgemeinen mochte ich aber den Job. Ich half beim Sport aus und bei den Aktivitäten, die für die kleineren Kinder angeboten wurden. Ich verkleidete mich gewöhnlich als Pirat. Die Kids hockten da und bekamen eine Geschichte erzählt. Dann sprang ich plötzlich von irgendwoher hervor im Aufzug von Captain Thunder. Ich hatte die ganze Ausrüstung – Piratenhut, Augenbinde, einen schwarzangemalten Zahn, das ganze Zeug. Am Ende jagten sie mich immer über die Sanddünen. Manchmal musste ich mich fangen lassen, und dann drangsalierten mich die kleinen Bastarde – einige von ihnen waren gar nicht so viel jünger als ich – mit ihren Plastikbuschmessern solange, bis ich mir vor Angst schier in die Hose machte. Dann zwangen sie mich, über die Planke zu gehen, was bedeutete, dass sie mich zu einem der Sprungbretter am Swimming-Pool zerrten. Und dann war das Spiel gewöhnlich aus, Gott sei Dank.

      Ich habe das aber genossen. Ich kam so gut klar mit den Kids, dass sie mich zum Children’s Uncle kürten, was bedeutete, dass ich quasi der Chef-Entertainer für die Kids war. Es war eigenartig. Da waren Kinder darunter, die praktisch in meinem Alter waren und mich Uncle Ricky nannten, woran ich mich erst einmal gewöhnen musste. Doch es war eine wundervolle, alles umfassende Grundausbildung für eine Laufbahn im Showgeschäft und ich möchte heute keine Minute davon missen. Ich war immer noch abenteuerlustig, und so gab es nichts, was ich nicht ausprobieren wollte.

      3. Abs., 4. Z.v.u.: In so einem Ferien-Camp wurde auch immer viel Wert auf Kameradschaft gelegt. Einfach ein bisschen herumlaufen, mit den Campern quatschen, gut drauf sein und ein paar Witze reißen, sogar das war eine gute Übung für das, was später kam.

      Samstagabends gab es immer eine große Show in der Festhalle. Man hatte gewöhnlich 300 Leute vor sich, die alle geil darauf waren, Spaß zu haben. Wir stellten eine bunte Show auf die Beine. Alle, die in der vergangenen Woche aufgetreten waren, kamen nacheinander an die Reihe. Ich trug in der Show immer eine blaue Lamee-Jacke, die den Samstagabenden vorbehalten war, weil sie im Scheinwerferlicht glitzerte. Ich hatte auch eine spezielle schwarze Hose mit einem purpurnen Streifen an der Seite, ein frisch gebügeltes weißes Hemd und eine schwarze Fliege. Wenn ich in der Umkleide in den Spiegel sah, bevor ich auf die Bühne ging, war ich stets stolz, weil mir da ein Entertainer entgegenblickte – und das war genau das, was ich damals sein wollte. Mit Hilfe einer Handvoll Brylcreem bekam ich auch noch eine blonde Haartolle hin. Und ich hatte vor Ferienbeginn auch noch eine neue Gitarre bekommen – eine blonde Höfner, genau wie die von Bert Weedon, mit einem Perlmuttbesatz. Ich sah echt aus wie ein Profi und sang gewöhnlich zwei Songs, „Baby Face“ und ein Stück von den Four Pennies mit dem Titel „I Think Of You“. Das Publikum flippte richtig aus. Das war ein wunderbares Gefühl. Nie zuvor hatte ich so etwas erlebt.

      Bei den Shows an den Samstagabenden gab es auch immer Gäste, die als Headliner auftraten. Das war toll für mich, denn so konnte ich mir ein paar Acts, die ich nur vom Hörensagen kannte, aus nächster Nähe anschauen. Die beste Zeit hatten wir, wenn Flanagan & Allen dran waren. Für die Zugabe ging unser gesamtes Ensemble mit auf die Bühne, und am liebsten erinnere ich mich daran, wie ich direkt neben Bud Flanagan stand, während er in seinem Pelzmantel und einem Hut auf dem Kopf „Strolling“ sang, was damals ihre große Nummer war. Alles Routine für den alten Hasen Flanagan. Phantastisch!

      Alles lief soweit gut im Camp, doch ich hatte erst die Hälfte der Saison hinter mich gebracht, als ich allmählich Heimweh bekam. Ich hatte ja bisher immer bei meinen Eltern gewohnt und war zur Schule gegangen. Jetzt arbeitete ich auf einmal, war Sänger und Entertainer für Kids. Und das alles hatte sich innerhalb weniger Wochen vollzogen. Nun begriff ich allmählich, was für Folgen das für mich hatte. Nach außen hin sah es so aus, als hätte ich gar nicht glücklicher sein können. Doch in meinem Innern sehnte ich mich, wieder zu Hause zu sein, zumindest für einige Zeit.

      Ich bekam jede Woche einen Tag frei und begann, an diesen Tagen nach Hause zu fahren. Es war eine lange Reise bis Woking, aber sie lohnte sich. Ich konnte einfach mal wieder mit meiner Mum, meinem Dad und meinen Freunden zusammen sein – wenn auch nur für ein paar Stunden. Ich fuhr gewöhnlich am Sonntag um 18 Uhr los und war am Tag darauf abends um sechs wieder im Camp. Mein erster Besuch zu Hause war einer der denkwürdigeren Art. Bis dahin hatte ich noch nie eine Zigarette geraucht und noch nie Alkohol getrunken. Doch als ich zum ersten Mal nach Hause fuhr, tat ich beides. Ich hatte eine Packung Glimmstengel in der Hand und ein paar Shilling in der Tasche, und als ich ankam, fragte ich meinen Vater, ob er Lust hätte, mit mir einen trinken zu gehen. Ich trug einen Porkpie-Hut, weiß der Geier, wo ich den aufgetrieben hatte, und hatte mich in einen richtigen kleinen Scheißer verwandelt.

      Im Sunshine-Camp lernte ich auch zwei hübsche Zwillingsmädchen mit rabenschwarzen, aufgetürmten Haaren namens Jean und Gloria Harrison kennen – auf der Bühne nannten sie sich einfach Jean & Gloria. Sie waren 17, was einem 15-Jährigen unglaublich viel älter vorkommt, sehr sexy und, wie mir damals schien, schon sehr vernünftig und erfahren. Sie sangen und tanzten und hatten Songs im Programm wie „Jeepers Creepers, Where’d You Get Those Peepers“. Wenn sie „Won’t You Charleston With Me“ darboten, traten sie in neckischen Kostümen aus den zwanziger Jahren auf, in denen sehr viel Bein gezeigt wurde.

      Es war wohl nicht weiter überraschend, dass ich beide auf Anhieb mochte. Das ging soweit, dass wir am Ende permanent zusammen herumhingen. Ich fand beide super, aber es war irgendwie komisch, mit zwei Tussen unterwegs zu sein, die haargenau gleich aussahen. Als ich sie besser kannte, konnte ich sie gut auseinanderhalten, aber wenn man sie zum ersten Mal sah, hatte man den Eindruck, man stünde zwei absolut identischen Puppen gegenüber.

      Ein anderer Typ, der auch im Camp arbeitete und mit dem ich mich anfreundete, hieß David Giles. Er war es, der vorschlug, dass ich und die Mädels gemeinsam eine eigene kleine Show auf die Beine stellen sollten – mit Sachen wie „Island Of Dreams“ von den Springfields und „Doo Wah Diddy“ von Manfred Mann. David hatte uns proben gehört, als wir dreistimmig sangen und ich dazu auf der Gitarre schrammelte, und meinte: „Ihr drei gebt ein gutes Trio ab. Warum tretet ihr nicht mal in der Bar auf, um zu gucken, wie das Publikum reagiert?“

      Und so dachten wir uns zusammen mit David einen Bühnen-Act aus, den wir Homespun nannten. Beim ersten Mal spielten wir einfach nur zwei oder drei Nummern, aber das kam so gut an, dass wir weitermachten. Das ging lawinenartig weiter und wir begannen, regelmäßig an ein paar Abenden in der Woche ein Homespun-Set darzubieten, was uns viel besser gefiel als das, was jeder für sich machte. Wir überlegten ernsthaft, ob wir nicht nur noch zusammen auftreten sollten, und hatten auch schon bald einen Namen für unseren Act – The Highlights.

      Wir wollten Kontraste setzen: Die beiden Mädchen sahen umwerfend aus in ihren knappen Kostümen und mit den dunklen Haaren, und links von ihnen stand ich mit meinen blonden Haaren. Um das Bild zu vervollständigen, behauptete ich, ihr Bruder zu sein. Wir orientierten uns dabei an den Springfields, bei denen es zwei echte Geschwister gab, Don und Dusty O’Brien, und einen weiteren „Bruder“, Tim Field. Ich nahm sogar einen neuen Bühnennamen an: Ricky Harrison. Außer meiner Mum und meinem Dad hatte mich noch nie irgendjemand Ricky gerufen. Selbst in der Schule hieß ich immer Richard. Aber die Zwillinge nannten