Die Status Quo Autobiografie. Francis Rossi. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Francis Rossi
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854453666
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sehr nervös und besorgt, doch als ich erst einmal auf der Bühne stand und mein „Baby Face“ hinlegte, wie ich es ja schon so viele Male vor meinem Vater und seinen Freunden getan hatte, wurde ich allmählich ruhiger und es machte mir richtig Spaß. Und das Beste war, dass ich den Wettbewerb gewann. Als Preis gab es einen Scheck über fünf Pfund. Ich war erst zwölf, aber ich fühlte mich wie ein Millionär. Ich konnte nicht glauben, dass ich dieses Geld nur damit verdient hatte, dass ich sang und Gitarre spielte. Nicht dass ich davon etwas zu sehen bekommen hätte. Mein Vater nahm den Scheck an sich und schmiss damit eine Lokalrunde nach der anderen. Was mir aber nichts ausmachte: das Geld war toll, aber was mir wirklich einen Kick gab, war die Tatsache, dass ich gewonnen hatte.

      Ungefähr zu jener Zeit meldeten mich meine Eltern auch bei einem Talentwettbewerb in Butlin’s Feriencamp in Cliftonville an. Meine Oma war immer sehr gern ins Butlin’s gegangen, und wir übernachteten dort, wo sie immer übernachtet hatte, im Queen’s Hotel. Es existiert leider nicht mehr, aber es kam mir damals wie eine Märcheninsel vor, auf der ausgestopfte Papageien über dem Pool hingen. Als ich den ersten Durchgang des Wettbewerbs gewann, vervollständigte sich das Bild, das ich von diesem traumhaften Ort hatte, an dem Wünsche in Erfüllung gehen konnten. Der Preis für den Gewinner war diesmal ein Urlaub für zwei Personen in der Zeit, wenn das große Finale stattfand. Ich machte das zwei Jahre lang und gewann zweimal, sodass wir jedes Mal kostenlos Urlaub machen konnten.

      Bei den Grand Finals war ich auch nicht schlecht. Ich wurde in beiden Jahren Zweiter. Beide Male wurde mir der erste Platz von einem Burschen strittig gemacht, der am Klavier saß und sang, ein gutaussehender Knabe, der immer den gleichen Song zum Besten gab. Ich habe ihn noch immer in den Ohren: „If you could buy all the stars in the sky then you could buy Killarney …“ Ich muss zugeben, er hat auch mich mit seinem Kummerbund und seiner Fliege beeindruckt. Und ich denke mal, ich gab mich taktvoll geschlagen.

      Bis dahin war es völlig wurscht gewesen, ob ich gewann oder nicht. Tief in meinem Innersten wusste ich, dass ich Gitarre spielen und singen wollte. Was zur Folge hatte, dass ich in der Schule ein bisschen nachließ, weil es mir einfach nicht mehr so wichtig war. Ich wusste, dass das, was ich da lernte, in meinem Leben, wenn ich erst einmal die Schule beendet hatte, keine tragende Rolle spielen würde. Und meine Eltern setzten mich auch nicht unter Druck, meine Meinung zu ändern. Irgendwie waren wir einfach alle überzeugt, dass ich mal im Showgeschäft landen würde, auch wenn wir nicht unbedingt ahnten, dass ich einmal berühmt werden würde.

      Im Anschluss an meine diversen Erfolgserlebnisse bei Talentwettbewerben trat ich gelegentlich im Londoner Nuffield Centre auf, einem Varieté-Club der Streitkräfte, wo ich ein paar echt komische Typen aus dem Theatermilieu kennen lernte, die einer Welt angehörten, die mich sehr faszinierte. Also versuchte ich, mir einen professionelleren Anstrich zu geben, und dachte mir einen neuen Look aus: ich band mir eine Seidenkrawatte um, was damals ein Knüller war, zog eine schwarzweißkarierte Hose an und drapierte kunstvoll meine Haare. Ich verbrachte den halben Tag damit, in den Spiegel zu schauen, um meine Frisur noch mehr zu perfektionieren.

      Einer, der mir damals sehr geholfen hat, war Johnny, ein Komödiant, mit dem sich mein Vater ein bisschen angefreundet hatte. Im Umfeld des Working Men’s Club war Johnny sehr bekannt, und mit seiner Hilfe schaffte es mein Vater, dass ich ein paar kurze Auftritte in den anderen Clubs außerhalb von Woking absolvieren konnte, in denen auch Johnny Vorstellungen. Man buchte dort Johnny, und er erlaubte mir dann, auf die Bühne zu kommen und eine kleine Einlage zu geben, mit der seine Show eröffnet wurde.

      Später fand ich heraus, dass es darüber hinaus noch ein weiteres Motiv gab, weshalb Johnny sich mir gegenüber so generös zeigte. Als wir eines Abends mal im Auto meines Vaters nach Hause fuhren, saß Johnny vorne auf dem Beifahrersitz, mein Vater fuhr, und ich saß auf dem Rücksitz. Plötzlich langte eine Hand vom Beifahrersitz aus um den Sitz herum nach hinten und fing an, an meinem Knie herumzufummeln. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, und so ließ ich ihn gewähren. Ich muss damals ungefähr zwölf gewesen sein und hatte noch keine Ahnung, dass es Homosexuelle und Heteros gab. Ich dachte nur, was soll das denn jetzt.

      Es kam auch nie zu mehr, Gott sei Dank, und es wäre unfair, Johnnys Rolle im Nachhinein herabzusetzen. Ohne ihn würde ich heute vielleicht gar nicht hier sitzen und mein Leben in einem Buch niederschreiben. Johnny war Mitglied in einer Organisation, die sich MEA – Metropolitan Entertainers Association – nannte. Mit seiner Unterstützung konnten mein Vater und ich dort auch Mitglied werden, und so kam ich zu meiner ersten großen Urlaubspause von der Schule.

      Die Büros lagen in der Goodge Street, im West End, und man traf sich in einem verrauchten Raum über einem Pub namens Feathers, direkt an der U-Bahnstation Goodge Street. Irgendwann wurde mein Vater Schatzmeister dort. Jeden Donnerstagabend kam man im Stockwerk über dem Feathers Pub zusammen und bequatschte, was im Showgeschäft gerade so los war. Unter den Mitgliedern befanden sich sowohl etablierte Kabarett-Künstler, Sänger und Schauspieler wie auch ein paar Möchtegern-Künstler wie ich, die versuchten, die Mitgliedschaft als Sprungbrett für ihre Karriere zu nutzen. Da kreuzten auch immer mal wieder Talentsucher und Konzertagenten auf, weswegen es sich allemal lohnte, dort irgendwie mitzumischen. Man erhielt die Chance, sich als Künstler mit seinem neuen Material zu präsentieren, was „Shop Window“ genannt wurde, und dabei konnten einen die Agenten und Typen, die die Gigs buchten, begutachten und einem ein bisschen Arbeit geben – oder auch nur ein paar gute Ratschläge. Es war ein riesiger Raum und man stand in der Mitte und hat sein Ding gemacht, während alle anderen zusahen, tranken und rauchten.

      Das ging ein paar Jahre so, bis eines Abends ein Typ meinen Dad fragte, ob ich schon 15 sei. Ich war damals erst 14, und so sagte mein Vater: „Noch nicht, aber bald. Warum?“ Der Typ hieß Gordon Mitchell und stellte sich augenzwinkernd als „the Mayor of Hayling Island“ vor. Er leitete das Sunshine Holiday Camp, eine etwas kleinere Ausgabe des Ferienclubs Butlin’s, und sprach mit breitem Akzent wie die Leute im Norden Englands. Gordon Mitchell hatte auch deren typische direkte Art, und so redete er nicht lange um den Brei herum: „Ich möchte wissen, wie alt er ist, weil ich diesen Jungen gerne für eine Sommer-Saison in meinem Ferien-Camp verpflichten würde. Wann ist er mit der Schule fertig?“

      Man konnte damals frühestens mit 15 die Schule verlassen und einen Fulltime-Job annehmen. Und wie es das Schicksal wollte, war es gar nicht mehr so lange hin bis zu meinem 15. Geburtstag, sodass Gordon meinte: „Gut, denn ich würde ihn gerne anheuern!“ Und das war’s dann, ich hatte meinen ersten richtigen Job im Showgeschäft: Singen und Gitarre spielen im Sunshine Holiday Camp auf Hayling Island. Dad handelte mit Gordon die genauen Details aus. Abends musste ich auf einem Hocker in der Bar sitzen, singen und Gitarre spielen, und tagsüber bei all den anderen Unterhaltungsprogrammen und Aktivitäten aushelfen. Im Butlin’s wäre ich damit so etwas wie ein Redcoat gewesen. Aber wir waren im Sunshine und trugen gelbe Jacken, und so hießen wir die Canaries.

      Es war mein erster Job und ich war total aus dem Häuschen vor Freude. Endlich konnte ich der blöden Schule den Stinkefinger zeigen! Als ich erfuhr, dass ich definitiv einen Job hatte, ließ ich die Hälfte des Unterrichts einfach ausfallen, und die letzten Monate, die ich noch in der Schule ausharren musste, vergingen entsetzlich langsam. Ich kam ständig mit neuen Ausreden an, wie zum Beispiel, dass ich meinen Finger untersuchen lassen musste, den ich mir einst in Harlow im Gartentor eingequetscht hatte. Das war der perfekte Entschuldigungsgrund. Ich schnappte mir aus unserem Apothekenschränkchen zu Hause ein bisschen Verbandszeug und band es mir um den Finger, bevor ich zur Schule ging. Ich tat alles, um nicht am Mathematikunterricht teilnehmen zu müssen.

      Ich dachte nur noch an meinen neuen Job, den ich mir wie einen langen bezahlten Urlaub vorstellte. Mein Lohn bestand aus fünf Pfund die Woche. Zuerst hatte mir Gordon zehn Pfund geboten, aber dieses Angebot wurde von meinem Vater abgelehnt: „Wir wollen nicht, dass der Junge verwöhnt wird.“ Und so lief die Sache für einen Fünfer. (Das war echt rührend von dir, Dad!) Nach Abzug der Steuern blieben mir jede Woche gerade mal 4 Pfund, 16 Shilling und 4 Penny und freie Kost und Logis.

      Aus meinen früheren Ferienaufenthalten im Butlin’s wusste ich ein bisschen, wie es in Ferien-Camps zuging, doch ich merkte schnell, dass das Sunshine-Camp nicht das gleiche Format hatte wie das Butlin’s. Es war ein sehr altmodisches kleines Ferienlager wie in den alten, schwarzweiß gedrehten Carry On-Filmen.