Die Status Quo Autobiografie. Francis Rossi. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Francis Rossi
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854453666
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einer Band mitzumachen – egal in welcher, und so beschloss ich damals einfach: Ich bin Sänger. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass ich kein Frank Sinatra war. Aber da war auch weit und breit kein anderer, der die Rolle hätte übernehmen können, und so hatten sie keine andere Wahl, als mich zu nehmen. Aus dem reinen Nichts heraus war ich plötzlich Sänger in einer Band. Guck mal, Mama. Ich fahr’ freihändig!

      Kenner von richtig schwerem Rock werden das Folgende vielleicht aus dem Gedächtnis streichen wollen, aber ganz am Anfang waren wir eigentlich eine Blaskapelle. Alan Key und ich spielten beide Trompete und Alan Lancaster Posaune. Gelegentlich setzte ich die Trompete kurz ab, gerade lange genug, um ein oder zwei Verse zu singen. Wir musizierten im Stil von Kenny Ball & his Jazzmen, die damals ständig im Fernsehen zu sehen waren. Das ging soweit, dass wir sie komplett kopierten, oder so gut wir es eben hinbekamen, sie und ihren großen Hit „When The Saints Go Marching In“.

      Über Alan Lancasters Schlafzimmer sind wir allerdings nie hinausgekommen, und so wurde uns schon bald langweilig mit den verdammten „Saints“ und deren ollem „Marching in“. Wir wollten etwas anderes versuchen, eine andere Art von Songs, poppiger sollten sie sein und mehr in Richtung Rock’n’Roll gehen. Wir wussten natürlich, dass uns die Trompeten dabei herzlich wenig nutzten. Und so erwähnte ich, dass ich eine Gitarre besaß. Woraufhin Alan Lancaster sofort loszog, um sich auch eine zu besorgen. Er erstand einen hellgelben Höfner-Bass, der hübsch aussah, es sei denn, er schleppte ihn in einer durchsichtigen Polyäthylen-Tüte überall mit hin, weil er sich den Instrumentenkoffer dazu nicht mehr hatte leisten können. Währenddessen spielte Alan Keys Bruder in einer richtigen Band, in Rolf Harris’ Backing-Group, die The Diggeroos hieß. Alan hatte daher Zugriff auf die Fender Stratocaster seines Bruders – was für ein Dusel. Und da waren wir dann zum ersten Mal eine Rock’n’Roll-Gruppe und spielten all diese großartigen Gitarreneinlagen nach, die wir uns von den Shadows abguckten, Songs wie „F.B.I.“ und „Wonderful Land“.

      Wir nannten uns The Scorpions, doch wir hatten eigentlich nie einen richtigen Auftritt. Wir kamen einfach ein paar Mal pro Woche zusammen und probten. Das ging ungefähr ein Jahr lang so, bis wir alle ungefähr 14 waren. Dann, gerade als wir dachten, wir seien jetzt soweit, dass man uns auf die Welt loslassen könnte, verkündete Alan Key, er wolle die Band verlassen. Er sehe ja, wie wir uns der Sache voll und ganz hingaben, um aus der Band echt etwas zu machen, meinte er, aber er für seinen Teil habe beschlossen, das hübsche Mädchen aus der Nachbarschaft zu heiraten, sobald es das Gesetz erlaube. Und daher sei es besser, wenn er jetzt ausstiege, bevor das mit der Musik wirklich ernst würde. Ein Mann seines Schlags hielt natürlich Wort, und sobald er 16 war, heiratete er seine Angebetete, Gott segne ihn. Ich habe später festgestellt, dass dies den meisten professionellen Musikern so ging – dass sie irgendwann vor der Wahl standen, das Mädchen ihrer Träume zu heiraten und sich häuslich niederzulassen oder sich voll und ganz in die Musik reinzuhängen, in der Hoffnung, dass sie irgendwann einmal den Durchbruch schafften. Alan Key entschied sich für die eine Variante, und ich für die andere. Das Wunderbare daran ist: Es sieht so aus, als hätten wir beide die richtige Wahl getroffen. Ich höre gelegentlich von ihm, und er ist immer noch mit dem Mädchen seiner Träume zusammen und so glücklich, wie man nur sein kann. Und ich gehe davon aus, dass man das auch von mir sagen kann. Die meiste Zeit jedenfalls.

      Als Alan Key damals wegging, war das ein Schlag für mich. Er war immer einer gewesen, zu dem ich aufgeschaut hatte – einfach ein super netter Typ. Mir war damals jeder willkommen, der freundlich und ruhig und nicht aggressiv war. Ich bin von so vielen Psychopathen umgeben aufgewachsen, dass es für mich die reinste Wohltat war, als ich Alan Key kennen lernte – für mich war er eine Oase in der Wüste. Die Schule, in die wir damals alle gingen, die Segdhill Gesamtschule in Beckenham, beheimatete Kids aus einigen der rauesten Gegenden von London. Das Höchste, wovon die Jungs dort träumten, war, wie man einem Lehrer einen derartigen Knockout verpassen konnte, dass er durchs Klassenzimmerfenster flog. Wer das schaffte, war der King. Jeder, der auch nur die geringsten Anstalten machte, etwas zu lernen, wurde sofort als Streber behandelt. Je wuchtiger und aggressiver man war, desto größere Chancen hatte man, in Ruhe gelassen zu werden.

      Alan Lancaster war einer der taffesten Jungs. Er musste so sein, denn in Peckham, wo er aufwuchs, konnte man nur überleben, wenn man sehr taff war. Ich hatte Glück und bin zwischen Italienern aufgewachsen. Bevor ich ein Teenager war, kam ich quasi überhaupt nie raus – und was war das dann für ein Erwachen! Alan Lancaster, ein echter Rowdy, erschien mir wie aus dem Off: hart wie Kruppstahl. In all den Jahren, in denen ich ihn kannte, habe ich es niemals erlebt, dass er zu Boden ging. Und es hatte in all den Jahren einige Keilereien gegeben. Von Alan wollte keiner was. Keiner. Das war schon eine starke Leistung. Als die Zeit weiter voranschritt und wir alle älter wurden, fragte ich mich allmählich, wie viel von alledem eigentlich er selbst war und wie viel davon nur aufgesetzt, weil er glaubte, so sein zu müssen. Dieses permanent aggressive Gehabe schien irgendwann auch auf mich abzufärben, und nachdem das erst einmal passiert war, wurde es natürlich schwieriger, das alles noch so richtig ernst zu nehmen. Er behauptete immer von sich, ein Rudeltier zu sein. Ich bin auch ein Rudeltier, doch es bedeutet nicht, dass ich jemanden gleich k.o. schlagen muss, nur wenn es mal nicht so läuft, wie ich es mir vorstelle.

      Nachdem Alan Key den Abgang gemacht hatte, brach für die Band eine harte Zeit an. Nun hieß es wahrlich: Vogel friss oder stirb. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Sache jetzt einfach zu vergessen. Doch da war dann der Moment, wo Alan Lancasters Rowdy-Charakter positiv zum Tragen kam. Alan, der noch nie in seinem Leben einen Kampf aufgegeben hatte, trieb mich dazu an, nicht aufzugeben. Es gab auch schon einen Keyboarder, Jess Jaworski, ein Junge aus der Schule, der eigentlich Akkordeon spielte und den wir mehr oder weniger zwangen, dass er für uns Keyboard lernte. Und wir hatten schon einen Drummer. Er hieß Barry. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wo er herkam. Ich glaube, ich kannte auch nicht einmal seinen vollen Namen. Ich wusste nur, dass er Barry genannt wurde und dass er Schlagzeug spielte.

      Wir probten auch nicht mehr in Alan Lancasters Schlafzimmer, sondern in der Lordship Lane in Dulwich, in einer alten Garage gleich um die Ecke vom Süd-Londoner Headquarter des Air Training Corps (ATC) – in der Gegend besser bekannt als Basisstation für Offiziersanwärter der Luftfahrt. Ich glaube, Barrys Vater hatte das irgendwie für uns arrangiert, was echt nett war von ihm. Leider erinnere ich mich auch daran, dass ich mich klammheimlich mit Barrys Freundin eingelassen habe, was wiederum weniger nett war – von mir. Aber ich konnte auch gar nicht viel dagegen machen. Sie war ein gestandenes Frauenzimmer und konnte ganz schön ungemütlich werden, wenn sie nicht bekam, was sie wollte. Ich war in Bezug auf Sex noch gänzlich unbedarft und als sie mir das erste Mal einen blasen wollte, hatte ich gar keine Ahnung, was sie da machte – und rannte weg, weil ich Schiss bekam. Ich dachte, sie wollte mir den Schwanz abbeißen.

      Wie auch immer. Eines Tages probten wir jedenfalls in der Garage in der Lordship Lane, als wir plötzlich einen fürchterlichen Lärm von irgendwoher hörten und feststellten, dass da anscheinend noch eine andere Band war, die in der Nachbarschaft spielte. Wir zogen los, um der Sache auf den Grund zu gehen, und stellten fest, dass das Kadetten-Corps von nebenan seine eigene kleine Formation hatte, die sich sinnigerweise The Cadets nannte und im Nachbarraum probte. Darin, dass sie auch noch nicht so viele Auftritte gehabt hatten, glichen uns die Jungs aufs Haar. Aber anders als wir, spielten sie auch schon richtig gut. Insbesondere der Drummer. Als wir so dastanden und ihnen zusahen und zuhörten, merkten wir schnell, dass er derjenige war, der alles zusammenhielt und die Band antrieb. Schnell und gleichmäßig, ohne viel Kinkerlitzchen – das war es. Bis er uns dann seinerseits entdeckte. Da legte er auf einmal los und wollte zeigen, was er drauf hatte. Ich für meinen Teil war jedenfalls schwer beeindruckt. Obwohl er fast noch ein Kind war, spielte er fast schon wie ein Profi.

      Nach ihrer Probe stellten wir uns vor. Der Schlagzeuger hieß John Coghlan. Sie waren alle richtige Offizierskadetten. John war damals voll drauf. Als er hörte, dass wir auch eine Band waren, fragte er, ob er mal zu uns rüberkommen könne, nur um zu gucken. Es endete damit, dass er sich mal kurz an unser Schlagzeug setzte – und das war unglaublich. Er war zweifellos der beste Drummer, mit dem wir je gespielt hatten. Nachdem Barry an jenem Abend nach Hause gegangen war, sprachen wir über das Ganze. Armer Barry, er tat mir Leid. Aber als Schlagzeuger spielte er einfach nicht in der gleichen Liga wie John. Und so verrissen wir uns das Maul hinter seinem