Wohin die Flüsse fliessen. Frederik Hetmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frederik Hetmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783862871377
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mit ihr Getränke für ihre Tänze und Feste.

      All diese Dinge trug ich landeinwärts. Durch Tauschhandel brachte ich Häute, rote Farbe, mit denen sich die Indianer ihre Gesichter einreiben, hartes Rohr für Pfeile, Feuerstein für Pfeilspitzen, die man mit Sehnen und Harz befestigt, und Quasten aus Rehhaaren, die sie rot färben, zurück zur Küste.

      Diese Beschäftigung gefiel mir. Ich konnte reisen, wohin ich wollte. Ich war nicht gezwungen zu arbeiten. Ich war kein Sklave mehr. Wo immer ich hinkam, behandelten mich die Indianer freundlich. Sie gaben mir zu essen, weil sie meine Waren schätzten. Sie freuten sich, wenn ich kam. Ich wurde bekannt. Jene, die mir persönlich noch nicht begegnet waren und nur auf Umwegen von mir gehört hatten, suchten meine Bekanntschaft.

      Die Strapazen, die ich auf diesen Reisen ausstand, lassen sich gar nicht alle beschreiben. Ich hielt mich in dieser Gegend fast sechs Jahre auf, allein unter Indianern und nackt wie sie ...

       Hinweise auf Schätze

      Unter den Gegenständen, die die Leute uns gaben, befand sich auch eine große kupferne Rassel, die sie Andres Dorantes schenkten. Sie erzählten, sie hätten sie von ihren Nachbarn bekommen. Woher, wollten wir wissen? Sie sei aus dem Norden mitgebracht worden, dort gebe es viele davon, erwiderten die Eingeborenen, die Kupfer als sehr wertvoll ansehen. Wo immer es auch herkommen mochte, es musste dort eine Schmelze geben, in der man Kupfer in Hohlformen goss.

      Sie brachten mir einen Mann, der, wie sie sagten, vor längerer Zeit in die Schulter getroffen worden war und dem noch eine Pfeilspitze im Herzen steckte. Er sagte, er habe große Schmerzen. Ich sah mir die Wunde an und stellte fest, dass der Pfeil den Knorpel durchschlagen hatte. Mit einem Steinmesser öffnete ich den Brustkasten des Mannes und stellte fest, dass die Spitze seitwärts steckte und schwer zu entfernen war. Aber ich schnitt weiter, und schließlich gelang es mir tatsächlich mit dem Messer, die Pfeilspitze zu entfernen. Sie war sehr groß. Mit einem Rehknochen, den ich als Nadel benutzte, bewies ich weiterhin mein chirurgisches Geschick. Ich nähte mit zwei Stichen, während mir das Blut entgegenspritzte, und dämpfte den Blutfluss mit Haaren eines Fells. Die Eingeborenen erbaten sich die Pfeilspitze. Ich gab sie ihnen. Die ganze Bevölkerung lief zusammen, um den Gegenstand anzustarren, und sie schickten ins Hinterland, damit auch die Leute von dort kämen.

      Die Indianer feierten die Operation mit den üblichen Tänzen und Zeremonien.

      Am nächsten Tag zog ich die Fäden. Dem Patienten ging es gut. Mein Schnitt erschien nur wie eine Linie in seiner Handfläche. Er sagte, er spüre keine Schmerzen.

      Nun hatte diese Heilung so zu unserem Ruhm in der Gegend beigetragen, dass wir von den Leuten alles hätten haben können. Wir zeigten ihnen die Kupferrassel, die wir vor kurzem bekommen hatten, und sie erzählten, dass ganze Schichten dieses Materials an jenem Platz vergraben lägen, von dem auch dieser Gegenstand herkomme, und dass das Material sehr geschätzt sei. Die Leute, die es verarbeiteten, wohnten angeblich in festen Häusern.

      Wir stellten uns vor, dass das Land, von dem sie sprachen, am südlichen Meer liegen müsse, wo es viel reichere Mineralvorkommen zu geben schien als im Norden ...

      Die Leute gaben uns unzählige Rehfelle und Baumwolldecken, die letzteren von weit besserer Qualität als jene aus Neu-Spanien; Perlen, Ketten, hergestellt aus Korallen der südlichen See, schöne Schildkrötenpanzer aus dem Norden. Tatsächlich schenkten sie uns fast alles, was sie besaßen, einschließlich eines ganz besonderen Geschenks, nämlich fünf diamantenen Pfeilspitzen, wie sie sie bei ihren Zeremonien verwenden.

      Ich fragte sie, wo diese herkämen. Sie erwiderten, aus einem hohen Gebirge im Norden, wo es Städte mit vielen Menschen gebe und große Häuser, und dass sie die Pfeilspitzen gegen Federbüschel und Papageienfedern eingetauscht hätten.

       Rettung mit Schwierigkeiten

      Wir dankten Gott, unserem Herrn. Wir hatten schon fast die Hoffnung aufgegeben, noch auf Christenmenschen zu stoßen, und konnten kaum unsere Erregung verbergen. Doch wir hatten zunächst die Befürchtung, dass diese Männer, von denen uns erzählt worden war, Entdecker sein könnten, die nur einen kurzen Besuch gemacht hatten. Aber wir liefen rascher und unterwegs hörten wir mehr und mehr von den Christen. Wir sagten den Eingeborenen, wir seien hinter diesen Männern her, um sie davon abzuhalten, zu töten, Sklaven zu rauben und den Indianern alles fortzunehmen. Darüber wurden unsere Freunde sehr froh. Wir durcheilten ein riesiges Gebiet, das wir völlig menschenleer fanden. Die Einwohner waren aus Furcht vor den Christenmenschen in die Gebirge geflohen.

      Mit schwerem Herzen sahen wir hin über das bewässerte, fruchtbare und schöne Land, das nun verlassen war, verbrannt, die Leute dünn und schwach, zerstreut oder eingeschüchtert in Verstecken lebend.

      Da sie nicht hatten säen können, mussten sie von Wurzeln und Rinde leben. Wir teilten ihren Hunger während des ganzen Weges. Jene, die uns aufnahmen, konnten uns kaum etwas geben. Sie sahen aus, als würden sie am liebsten sterben. Sie brachten uns Decken, die sie vor den anderen Christenmenschen versteckt hatten, und erzählten uns, wie diese die Ortschaften dem Erdboden gleichgemacht und die Hälfte aller Männer, Frauen und Kinder davongetrieben hätten. Wer entkommen war, irrte als Flüchtling umher. Die Überlebenden waren zu verschreckt, um irgendwo länger zu bleiben, unfähig oder nicht mehr willens, die

      Äcker zu bestellen, wollten sie lieber sterben als noch einmal so Fürchterliches erleben.

      Während sie sich über unsere Gesellschaft zu freuen schienen, erfuhren wir, dass die Indianer, die näher zur Grenze hin lebten, sich vielleicht an uns rächen würden. Als wir aber dorthin kamen, empfingen diese uns mit derselben Achtung und Zuvorkommenheit wie die anderen auch, ja sie waren sogar noch freundlicher, was uns erstaunte. Es ist klar, wenn man diese Menschen für das Christentum gewinnen und sie dazu bringen will, unsere kaiserliche Majestät anzuerkennen, so kann dies gewiss nur durch Freundlichkeit geschehen ...

      Am Tag darauf holten wir vier von ihnen (den Christen) ein, die zu Pferde waren. Sie waren völlig verblüfft, als sie mich sahen, ohne Kleider und in Gesellschaft von Indianern. Sie starrten mich lange Zeit an und dachten vorerst gar nicht daran, mich zu begrüßen, näher zu kommen oder Fragen zu stellen.

      »Bringt mich zu eurem Kapitän«, sagte ich schließlich, und wir liefen zusammen eine halbe Meile zu einem Platz (nahe Ocoroni), wo wir ihren Kapitän, Diego de Alcarez, trafen. Als wir miteinander sprachen, gestand er mir ein, dass er überhaupt nicht wisse, wo er sei. Er habe keinen einzigen Indianer mehr einfangen können. Er wisse nicht, wohin die Indianer sich verkrochen hätten. Seine Männer seien hungrig und erschöpft.

      Danach hatten wir eine heftige Auseinandersetzung mit ihm, denn er wollte die Indianer unseres Zuges als Sklaven nehmen. Wir wurden so zornig, dass wir uns fortmachten und uns nicht darum scherten, dass dabei viele Bogen türkischer Machart, Beutel und die fünf diamantenen Pfeilspitzen verlorengingen. Und sich dann auch noch vorzustellen, dass wir diesen Glaubensgenossen einen Vorrat an Kuhhäuten und anderen Dingen gegeben hatten, die unsere Träger so weit hatten schleppen müssen!

      Alcarez hatte seinen Dolmetscher angewiesen, den Indianern klarzumachen, dass wir Angehörige einer vor langer Zeit untergegangenen Rasse seien, seine Gruppe aber die Herren des Landes, denen man gehorchen und dienen müsse, während man sich um uns nicht zu kümmern brauche.

      Die Indianer achteten nicht darauf. Sie berieten sich und erwiderten dann, die Christenmenschen seien Lügner. Wir waren von Sonnenaufgang gekommen, die anderen von Sonnenuntergang. Wir hatten Kranke geheilt, sie Gesunde getötet. Wir seien nackt und barfuß gewesen, sie bekleidet, zu Pferde und mit Lanzen bewaffnet. Wir hätten nichts versteckt, sondern das geteilt, was man uns gegeben habe, während die anderen raubten und niemandem etwas schenkten.

      Nur mit größter Überredungskunst gelang es mir, sie zu veranlassen in ihre Dörfer heimzukehren. Ich redete ihnen zu und sagte ihnen, sie sollten ihre Ortschaften wieder aufbauen und keine Furcht haben.

      Obwohl man der Landschaft die Vernachlässigung schon anzumerken beginnt, ist dies ohne Zweifel eine der fruchtbarsten Gegenden in ganz Indien. Hier wachsen drei Ernten im Jahr. Die Bäume tragen viel Früchte. Schöne Flüsse