Völlig eingeschneit
11. Februar 1844
Wir sind jetzt völlig eingeschneit. Der Schneesturm ist über uns hergefallen. Der Wind hat alle Spuren ausgelöscht, die wir mit unglaublichem Aufwand für unsere Pferde getreten hatten. Die Pferde liegen jetzt zwanzig Meilen zurück und sollen heute Abend eintreffen – oder genauer, man erwartet sie jetzt eigentlich nicht mehr. Wie sollten sie durchkommen? Im Augenblick kann niemand sagen, was geschehen wird. Es ist gewiss, dass wir Pferdefleisch essen müssen. Es würde mir nichts ausmachen, hätten wir wenigstens Salz. Der Salzmangel bringt mich noch um. Ich fühle mich schrecklich schwach und habe wenig Appetit.
4. März
Ich habe ein paar Zwiebeln ausgraben können. Es war eine schwere Arbeit, denn ich habe nur ein Taschenmesser, und sie sitzen tief zwischen den Felsen. Die Wetteraussichten sind schrecklich. Oh meine Liebste! Wenn du wüsstest, wie übel ich im Moment dran bin. Gerade eben habe ich mein Abendessen zusammengekratzt. Auf dem Weg hierhin fing ich ein paar Frösche. Ich riss ihnen die Beine aus und kaute die Schenkel.
27. März 1844
Es ist wahr, dieses Tal (San Joaquin in Kalifornien) ist ein Paradies. Gras, Blumen, Bäume, herrlich klare Flüsse, Tausende von Rehen, Elche, wilde Pferde, wunderbarer Lachs. Ich werde mich wahrscheinlich auf dem Grundstück von Captain Sutter ansiedeln.
Hier gibt es Tausende von Enten; Gänse stehen herum, als seien sie zahm. Die Indianer machen schöne Decken aus ihren Federn. Man kann einen fetten Ochsen töten, ohne auch nur um Erlaubnis fragen zu müssen. Es wird nur erwartet, dass man dem Eigentümer die Haut und den Talg überlässt. Und wie hier alles wächst! Die faulen Spanier kratzen, statt zu pflügen, den Boden nur etwas mit einer Hacke auf, und doch gedeiht alles prächtig. Trauben und Feigen in Hülle und Fülle.
Sutter hat mit dem Weinbau nach deutscher Art begonnen. Die Indianer sind so zahm und friedfertig, dass Sutter sie für alle Arten von Arbeiten benutzen kann. Der Lohn für 14 Tage Arbeit an einem Bewässerungsgraben in einem Weizenfeld besteht in einem Hemd. Natürlich gehen sie alle nackt, denn es herrscht ewiger Frühling. Wie kommt es nur, dass man über ein Land, welches solche Vorteile bietet, im Osten so wenig weiß? Vielleicht weil die Walfänger und Matrosen alles geheim halten, damit ihnen ihr vorteilhafter Handel mit Häuten und Talg nicht durch die Konkurrenz von einfallsreicheren Siedlern verdorben wird. Selbst jetzt weigern sie sich, von den wenigen Siedlern, die es hier gibt, Briefe mitzunehmen.
28. März
Wir haben viel Ärger mit den wilden Maultieren. Es ist schon neun Uhr am Vormittag. Dieser Fluss hier heißt Stanislaus, ein Nebenfluss des San Joaquin. Alle Flüsse führen Hochwasser wegen der Schneeschmelze. Wie angenehm, aus diesem herrlichen Frühling zu den weißen Mauern hinauf zu schauen, wo wir so litten. Eines ist gewiss: wenn ich in den Vereinigten Staaten nicht ohne große Anstrengungen meinen Lebensunterhalt verdiene, zieh' ich um. Wenn ich mit diesem Job fertig bin, reise ich über Vera Cruz in Mexico und Acapulco in die Bucht von San Franzisco und siedle mich dort an.
John C. Frémont
Ein Land der Gegensätze
15. April 1844
Wir folgten noch ein Stück dem Lauf des Creeks talwärts, und unser Scout sagte uns, dass das Wasser sehr bald verschwinden werde, also wandten wir uns direkt nach Süden. Der Trail, auf dem wir uns bewegten, schien am östlichen Rand jenes Landstriches zu verlaufen, durch den man reisen konnte. Jenseits davon gab es kein Gras und kein Wasser mehr. Wir überquerten einen niedrigen Ausläufer des Gebirges, der den Creek begrenzte, und kamen in eine Art Ebene unterhalb dieser Vorberge hinunter. Links von uns lag die Wüste, sie war offenbar unbegrenzt. Ein heißer Nebel lag bei Tage über der Landschaft.und verlieh ihr ein weißes, gleißendes Aussehen; hier und da gab es ein paar dürr wirkende Buttes (isolierte Hügel), und einzelne schwarze Bergketten tauchten plötzlich auf. »Dort«, sagte unser Führer und wies mit der Hand darauf, »das sind die großen Llanos (die Mohave-Wüste). No hay agua, no hay zacate – nada – da gibt es weder Gras, noch Wasser – nichts. Jedes Tier, das sich dorthin verirrt, stirbt.«
Es war tatsächlich ein abstoßender Anblick. Kaum zu glauben, dass auf so kurze Entfernung in der Landschaft sich ein Wechsel von solcher Krassheit abzeichnete. Man hätte lange reisen können, bis man ein Tal mit mehr Pflanzen und Wäldern, mehr Vögeln und Tieren und mit mehr Quellen finden würde als das Tal von San Joaquin, das wir verlassen hatten. Aber nur ein paar Meilen Ritt, und nackte Wüste breitete sich vor uns aus, eine Gegend, vor der sich der kühnste Reisende voller Schrecken abwenden würde.
Unmittelbar vor uns, in einiger Entfernung nach Süden und sich in östlicher Richtung von den Gebirgen abspaltend, verlief eine Sierra, die an ihrem östlichen Ende (vielleicht 50 Meilen entfernt) einige schneebedeckte Gipfel aufwies, Berge, auf denen, wie uns unser Führer erklärte, der Schnee das ganze Jahr liegen blieb. Unser Reiterzug hatte ein seltsam-groteskes Aussehen, und es war unmöglich, nicht über unsere Zusammensetzung und unsere Situation in dieser fernen Einsamkeit nachzudenken. Zwei Grad vom Pazifischen Ozean entfernt, schon so weit nach Süden, wie Monterey liegt, immer noch weiter nach Süden abgedrängt auf der einen Seite durch die Wüste, auf der anderen Seite durch eine Gebirgskette, geführt von einem zivilisierten Indianer, begleitet von zwei anderen Indianern, die aus den wilden Stämmen auf der Sierra kamen, ein Chinook vom Columbia und wir Amerikaner, Franzosen, Deutsche – alle bewaffnet; vier oder fünf Sprachen, die man gleichzeitig hört, über hundert Pferde und Maultiere, alle halb wild; amerikanische, spanische und indianische Kleidung und Ausrüstungsgegenstände! Unser Marsch war eine Art Prozession. Scouts vorweg und an den Flanken, eine Vorhut und eine Nachhut, die Packtiere, Gepäck und das gehörnte Vieh in der Mitte, alles in allem zog sich dieser Treck über eine Viertelmeile hin. Auf diese Weise reisten wir, mehr als ob wir nach Asien gehörten als in die Vereinigten Staaten.
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