Ich hatte als ignoranter Teenager einige Schreibversuche unternommen, aber ohne irgendein reales Fundament von Werten außer dem niedrigsten, nämlich mein armes, einsames, sentimentales, grandioses, poetisches Selbst ausdrücken zu wollen. Ich vertraute auf meine Einsichten in Situationen und Menschen und auch auf mein elementares ästhetisches Urteilsvermögen. Aber für eine ganze Weile (was in diesem Alter drei oder vier Jahre waren) war ich nur ein Schriftsteller, weil ich mich selbst für einen solchen hielt. Ich schrieb nicht sehr viel, und was ich schrieb, war nicht gut. Das meiste ahmte Dylan Thomas nach (eines meiner frühesten New Yorker Gedichte begann »Rain me green on stones unseething«). Viele Gedichte handelten von dem Verlangen, sich aufzulösen, und von Sex (artifiziell oder unter der Tarnung von Symbolen und Gleichnissen) und von einer Angst vor irgendeiner grässlichen Schwäche in mir selbst. Als Dichter oder Schriftsteller konnte ich als Beispiel dafür dienen, wie eine Maske, die du lange genug trägst, zu deinem Gesicht wird, oder, um es freundlicher zu sagen, wie eine Berufung als Pose beginnt.
Ich schrieb mich für einen Lyrik-Workshop an der New School ein in der Hoffnung, vielleicht Leute zu treffen, die an einigen der gleichen Themen interessiert waren wie ich. Ich hatte Pech mit der Klasse, traf aber ein trauriges, hysterisches Mädchen mit roten Kapillaren in der Nase und Wangenknochen und großen Brüsten, die aussahen wie Eeyore (der Esel aus Winnie the Pooh). Sie ließ mich Sex mit ihr haben.
Der Typ, der die Klasse unterrichtete, war ein ehemaliger Dichter namens José Garcia Villa. »Ehemalig«, weil es zu seiner Selbstdramatisierung gehörte, Ende der fünfziger Jahre mit dem Schreiben aufgehört zu haben, um sich »nicht zu wiederholen«. Er war ein Filipino, geboren 1908 in Manila, lebte aber, seit er einundzwanzig war, meistens in New York. Er erregte ein wenig literarisches Aufsehen in den vierziger und frühen fünfziger Jahren.
Sein poetisches Vokabular war nicht weit entfernt von Dylan Thomas’, enthielt vielleicht auch ein wenig von Blake und Rilke und favorisierte Worte wie »naked« und »bright« und »rose« und »lion« – aber besonders und höchst verräterisch »I« und »God« (über deren beider Wege er seine Leser gerne instruierte) – in sauberen aphoristischen Zeilen.
Jedenfalls veranstaltete er die Workshops nicht zuletzt deswegen, um über einen Zirkel zu präsidieren. Neben dem wöchentlichen Unterricht an der Schule in der West Twelfth Street gab es samstags ein geselliges Treffen in seinem Apartment und ein weiteres jeden Dienstag in einer Smith’s Bar in der Sixth Avenue, Ecke Fourteenth Street. Jeder der Teilnehmer bemühte sich, so lässig arrogant und sexuell provozierend zu sein und so sarkastisch über Dichter geringerer Sensibilität zu urteilen wie er. Ich war der jüngste Student. Villa verkündete allen, ich sei »der am poetischsten Aussehende« und einer der »Kränksten, was eine Voraussetzung für das Verfassen anständiger Gedichte ist«.
Welche Richtung auch immer ich nehmen würde, ich wollte in Bewegung bleiben, und so begann ich, noch bevor 1967 vorbei war, ein Lyrikmagazin zusammen mit einem anderen Studenten aus der Gruppe namens David Giannini herauszugeben. Giannini war etwa so alt wie ich, war vor kurzem aus New Jersey in die Stadt gekommen und war lyrikbesessen. Er sah mehr skandinavisch als italienisch aus – groß und muskulös, dünnes blondes Haar. Er trug eine Brille mit Drahtgestell, ein Arbeitshemd, Cordjeans und Hush Puppies. Er trieb Sport, um in Form zu bleiben, und hatte einige pummelige, aber durchaus sexy Langzeitfreundinnen, die wir oft sahen und die seit der High School in seine poetische Begabung und seine Sexspäße vernarrt waren. Wie Villa liebte er es auch, aphoristisch zu reden, und glänzte mit fragwürdigen Bemerkungen wie »Picassos Nackte habe ihre blaue Periode«.
Getreu unserer lyrischen Neigung nannten wir das Magazin Genesis : Grasp. Die sechs Ausgaben, die wir über vier Jahre (1968-71) veröffentlichten, präsentierten einen Anfang, der eher einer Totgeburt glich. Die ersten drei Nummern waren selbstgefällig, unkoordiniert und amateurhaft wie das Literaturblatt einer High School. Um dem Magazin Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, es hatte sich bis zur letzten Nummer, einer Doppelausgabe (#5/6), sehr verbessert. Aber inzwischen hatte ich mich schon in Anspruch und Einstellung weit von meinem Mitherausgeber entfernt, und ich gab die letzten drei Nummern größtenteils allein heraus. Ich druckte sie auf einer gebrauchten, kleinen Wachsmatritzendruckmaschine in meinem Apartment und machte den Schriftsatz auf einer gemieteten IBM VariTyper.
Ich hatte in jenen Jahren eine weitere bescheidene öffentliche Existenz als Dichter. Als wir mit dem Magazin begannen und ich eine Reihe von Gedichten geschrieben hatte, schickte ich einige an James Laughlin, Verleger von New Directions Books, und fragte, ob sie für das nächste Annual des Verlags in Frage kämen. Meiner Meinung nach war Laughlins Verlag damals der angesehenste in Amerika. Nicht nur war er Dylan Thomas’ amerikanischer Verleger, sondern er veröffentlichte auch Céline, Nabokov, Wilfried Owen und Rimbaud (ganz zu schweigen von Henry Miller, William Carlos Williams und Ezra Pound) und viele andere der literarisch ehrgeizigsten und kühnsten internationalen Schriftsteller. Das Annual war eine Hardcover-Anthologie neuer Arbeiten, die seit Mitte der dreißiger Jahre erschien. In der Ausgabe von 1970 veröffentlichte Laughlin acht meiner Gedichte, die ich in den Vorjahren geschrieben hatte, als ich achtzehn und neunzehn war. Sie waren schrecklich – gestelzt, bombastisch und sentimental. Vier weitere Gedichte erschienen in dem folgenden Jahrbuch, einige waren geringfügig besser. Aber je besser ich wurde, desto weniger schien ihm zu gefallen, was ich tat. Doch noch hielt ich New Directions für meinen Verlag. Laughlin bestärkte mich in dem Glauben, dass er eines Tages ein Buch von mir herausbringen würde, aber zu dem Zeitpunkt, da ich mit einundzwanzig eins fertiggestellt hatte, das mir gefiel, betitelt Baby Hermaphrodite Rabbits, meinte er, es sei nicht gut genug. Einige Jahre später, als ich bereits eine Weile Rock’n’Roll gespielt hatte, kontaktierte ich ihn wieder in der Hoffnung, dass er an der kommerziellen Publikation eines Buches interessiert sein mochte, für das ich zusammen mit Tom verantwortlich war und in das ich vollstes Vertrauen hatte – Wanna Go Out! von Theresa Stern (mehr darüber später) –, aber er äußerte sich nur verächtlich darüber, und das war das Ende unserer Beziehung.
Kapitel Sieben
Es war ein sonniger, warmer Spätnachmittag im April 2013. Ich unternahm einen Spaziergang. Zwei Blocks von meinem Apartment, an der Eleventh Street zwischen First und Second Avenue, sah ich ein Paar Sportsschuhe im Schaufenster von Tokyo Joe, ein kleines, von Japanern geführtes Unternehmen für gebrauchte Kleidung, das sich auf Haute Couture spezialisiert hat. Ich brauchte neue Schuhe, und diese sahen toll und ungetragen aus. Sie waren knöchelfrei und fußbetont, auf das cremefarbene Wildleder war ein komplexes Netzmuster aus schwarzem und tomatenrotem Leder aufgenäht, und sie kamen aus Italien. Sie passten mir perfekt und kosteten nur achtundfünfzig Dollar, während man sonst das Fünffache dafür blechen muss. Ich bezahlte und sagte, ich würde sie in ein bis zwei Stunden auf dem Nachhauseweg abholen.
Ich hatte vor, Richtung West Village zu schlendern. Viele Leute waren draußen und genossen das Wetter. Im Washington Square Park waren die hohen, rauen, aber behutsam knospenden Bäume auf eine transvestitenhafte Weise schön, ansonsten war der Park vor allem Beton und festgetretener Dreck. Der große Brunnen auf dem Hauptplatz war ohne Wasser. Wie so oft in den letzten Jahren, hatten ihn langweilige, angestrengt lustige Straßenmusikanten in Beschlag genommen, die von vielen Touristen mit selbstgefälligem Gelächter und Applaus angespornt wurden.
Als ich mit siebzehn nach New York kam, war der Park bekannt als Ort, wo Drogen zu bekommen waren. Vagabundierende Jugendliche mit Akustikgitarren hingen herum und hofften, dass etwas passiert. Es ist immer noch so, nur sind es heute Skateboardkids oder Gagtänzer statt Folksänger. Filmregisseur Harmony Korine und seine Skatepunks aus Privatschulen, einschließlich Chloë Sevigny, begannen ihre Filmkarriere, nachdem sie in den neunziger Jahren dort entdeckt worden waren.
Ich zog weiter zu der Straße, wo meine Großmutter gewohnt hatte. Sie starb vor ein paar Jahrzehnten, aber als ich ein Kind war und während meiner ersten Jahre in