Blank Generation. Richard Hell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Richard Hell
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783862871582
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Sex zu mögen. Und ich liebe Haare. Weil sie tot und doch etwas Persönliches sind und weil ich gerührt bin von ihrem vergeblichen Bemühen, die Stellen, wo sie wachsen, zu wärmen und zu schützen.

       Kapitel Drei

      So linkisch und seltsam ich auch seit dem zwölften Lebensjahr war, immer noch fühlte ich mich als romantischer Held und wollte unbedingt eine Versöhnung zwischen meinem Inneren und Äußeren, selbst wenn das Ergebnis grotesk war. Als Kind phantasierte ich manchmal ein Leben als bettlägeriger fettleibiger Einsiedler, der wie eine Spinne in ihrem Netz mit der ganzen Welt fertig wird, empfindlich für jedes Zittern und sofort darauf reagierend. So jemand wie ein verschwenderischer Orson Welles oder verrückter Howard Hughes, ein ruheloser Superman. Ich hielt mich für faszinierend und charmant, wagte aber klugerweise nicht, es in Gesellschaft zu testen.

      In der neunten Klasse geriet ich häufiger in kleine Konflikte mit den Autoritäten. Einmal benutzte ich Substanzen aus einem alten Chemie-Baukasten, um in meinem Schulbus eine Explosion herbeizuführen. Es war nur Lärm und Rauch, aber ich hatte meinen Spaß. Dafür erhielt ich drei Tage Schulverbot.

      Einige Zeit später legte ich eine Packung Feuerwerkskörper in ein Schließfach auf dem Schulkorridor und brachte sie mit einer brennenden Zigarette zur Explosion. Im Metallschrank gab es ein lautes Krachen. Meine Klassenlehrerin stürzte nach draußen und kam keuchend zurück: »Die Uhr ist explodiert!« Ich konnte nicht aufhören zu lachen, was mich wohl verriet. Diesmal wurde ich für drei Wochen vom Unterricht ausgeschlossen.

      Dann bekam ich völlig überraschend ein Stipendium für Sayre, die einzige Privatschule in der Stadt. Mein Biologielehrer aus der siebten Klasse war dorthin gewechselt, und die Schule hatte mit einem Stipendienprogramm für zwei Schüler begonnen. Meine Mutter erhielt einen Telefonanruf mit dem Angebot, für mich das volle Schulgeld zu bezahlen.

      Larry Flynn, der andere Stipendiat, wurde mein bester Freund. Er hatte Leichtathletik als Schwerpunkt, ich sollte mich auf wissenschaftliche Fächer konzentrieren. Er wurde der Quarterback des bunt zusammengewürfelten Footballteams und der Star im Basketball, während meine Noten schlecht blieben, aber uns beiden gefiel die neue Situation. Die reichen Mädchen waren inspirierend. Diese schlanken süß riechenden blassen sommersprossigen Körper, eingewickelt in Kaschmir und in ägyptischer Baumwolle. Die Girls auf der Privatschule waren rauer und in mancher Hinsicht sexier, aber für jemanden wie mich war es schwer, aus ihnen schlau zu werden. (In der achten Klasse, als sich die erste Chance ergab, Sex mit einem Mädchen zu haben – ein armes Arbeiterkind aus der Schule und eine Jungfrau wie ich –, hörte ich irgendwann auf, weil es sie zu schmerzen schien. Schnell fand sie einen weniger rücksichtsvollen Typ.) Ich war glück­lich an einer so kleinen Schule wie Sayre, wo jeder jeden kannte. Allerdings bekam ich auch dort Ärger.

      In meinem Viertel konnte man damals innerhalb kurzer Zeit ein Auto mit dem Schlüssel im Zündschloss finden. Ich borgte sie mir für Spritztouren mit Freunden und versuchte dabei, das Fahren zu lernen, wobei ich nicht vergaß, den Wagen zurückzubringen, bevor er vermisst wurde. Spät abends schlich ich aus dem Haus, und manchmal nahm ich auch den Wagen meiner Mutter oder der Eltern meiner Freunde. Ich glaube, mit denen ging ich rücksichtsloser um. Zweimal wurde ich dabei erwischt. Das erste Mal, als ich die Wagenschlüssel meiner Mutter klaute.

Bild

      Im Sayre Basketball-Team, 1965 - neben mir: Larry Flynn.

      © mit freundlicher Genehmigung von Richard Meyers

      Nachdem es endlos lange gedauert hatte, von meinem Zimmer auf Zehenspitzen die knarrende Treppe runterzuschleichen, ging es durch die Haustür hinaus in die großartige Nacht. Draußen war es wegen des Vollmondes und der Sterne heller als im Haus, es war kühl, das funkelnde graue Gras und das Auto feucht vom Abendtau. Freunde warteten bereits auf mich. Wir schalteten in den Leerlauf, schoben das Auto aus der Auffahrt und rollten es den Hügel hinunter, bevor wir den Motor kommen ließen und losfuhren.

      Wir beschlossen, uns nach Cincinnati aufzumachen, etwa 150 Kilometer Richtung Norden. Auf der vierspurigen Autobahn zu fahren, war wie ein Rennen durch den Gang eines leeren riesigen Supermarkts. Große Schilder, die alle möglichen Optionen ankündigten, flitzten an der Windschutzscheibe vorbei. Wir lachten und tranken und rauchten. Das unausgesprochene Risiko, einen Unfall zu bauen, erhöhte noch den Nervenkitzel. Ich hatte ganz sicher nicht alles im Griff. Als wir endlich Cincinnati erreichten, wusste keiner von uns, was wir dort machen sollten, also kehrten wir um.

      Wieder in Lexington, beschlossen wir, das Viertel der Schwarzen unter dem Viadukt zu erkunden. Ich verfuhr mich in den schlecht beleuchteten, halbgepflasterten Straßen und bei dem Versuch, aus einer Sackgasse herauszukommen, rammte ich einen Mast und würgte den Motor ab. Als ich ihn wieder anließ, hatte das Auto eine Fehlzündung und beschleunigte unkontrollierbar. Schon eine Minute später rasten wir durch die Stadtmitte. Ich hatte Angst, die Bremsen zu benutzen, weil ich glaubte, das könnte das Auto völlig ruinieren. Also schaltete ich die Zündung aus. Als das Auto im Leerlauf ein vernünftiges Tempo erreichte, startete ich den Motor erneut, wieder gab es eine Fehlzündung, und mit Vollgas ging es weiter. Ziemlich schnell erregte dieses Stop-and-Start Dragsterrennen die Aufmerksamkeit der Polizei, und zwei oder drei Streifenwagen tauchten hinter uns auf. Nach einer kurzen Verfolgungsfahrt von vielleicht einem Kilometer trat ich auf die Bremse, wir sprangen aus dem Wagen und rannten weg. Sie jagten uns mit Hunden und schnappten uns.

      Bei dem zweiten Vorfall war Leslie Woolfolk beteiligt. Sie war ein blasses, spindeldürres Mädchen, das sich mit einer Gruppe freiwilliger Außenseiterinnen von Sayre herumtrieb. Sie verhöhnten alles und waren wie eine wilde Herde kleinwüchsiger Giraffen mit hübschen, flachen Kätzchengesichtern. Ich mochte sie alle.

      Sie war einverstanden, sich mit mir um Mitternacht mit den Autoschlüsseln ihrer Eltern zu treffen. Wir wollten aufs Land nahe der Stadt Versailles fahren, wo ein weiteres Giraffenmädchen auf einer Pferdefarm lebte. Das Auto ihrer Eltern hatte allerdings eine Handschaltung, und das war neu für mich. Wir schafften es bis zur Farm, aber als ich in der Dunkelheit rückwärts aus einer falschen Einfahrt fuhr, vergaloppierte ich mich und blieb hoffnungslos in einem Graben stecken.

      Wir verbrachten die kalte Nacht in einer Heuhütte und wärmten uns gegenseitig; leider zog sie die Grenze für Berührungen frustrierend eng. Wir malten uns aus, dass wir den Wagen am nächsten Morgen von einem Traktor herausziehen lassen und dann nach Florida flüchten würden. Im Morgengrauen, als wir wieder im Wagen saßen, klopfte ein Polizist an die Scheibe.

      Die Schule drohte mit Ausschluss. Das verstand ich nicht, denn die Sache hatte ja nichts mit der Schule zu tun. Unsere freundlichen Mitschüler jedenfalls protestierten mit einer Petition und der Direktor lenkte ein. Wir wurden beide für zwei Wochen suspendiert.

      Als Strafe für das erneute Schulverbot befahl mir meine Mutter, die Holzfassade unseres Hauses zu streichen – die Fenster- und Türrahmen und die Paneelen unter den Dachrinnen. Immerhin erlaubte sie mir, Musik zu hören. Ich hatte einen kleinen tragbaren Plattenspieler mit einem Verlängerungskabel. Ich besaß nur drei LPs: The Rolling Stones, Now!; Bringing It All Back Home von Bob Dylan und Kinks-Size (mit »All Day and All of the Night« und »Tired of Waiting for You«) von den Kinks. Ich spielte sie wieder und wieder, während ich in der Sonne auf der Leiter stand und das Holz anstrich. Die Stones-Platte begann, sich zu wellen. Ich legte sie zwischen zwei Bratpfannen in den heißen Ofen, und am nächsten Tag klang sie sogar noch besser.

      Man mag es kaum glauben, doch sieben oder acht Jahre später, als ich selbst eine Band gründete, traf auf diese drei Platten, die ersten, die mir gehörten und die eine Zeitlang meine einzigen waren, immer noch zu, was mich an Musik begeisterte – die Stücke waren schnell, aggressiv und höhnisch, aber komplex und voller Gefühle. Im Jahr 1965 waren sie nur der beiläufige Soundtrack zum Zeit totschlagen; sie bedeuteten mir nicht viel mehr als die Frage, was für ein Hemd jemand trug oder was für ein Fremder neben mir im Bus saß. Klar, wenn ich damals darüber nachgedacht hätte, was ich da hörte, hätte ich gesagt, ich wollte das Leben dieser Jungs haben, die solche Platten machten, bzw. das Leben, das diese Jungs meiner Vorstellung