Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
Скачать книгу
lächelte sein Kind voller Liebe und in tiefem Einverständnis an. »Ganz einfach, weil du da bist, Emilia Rose Seefeld!«, antwortete er schlicht.

      Das Mädchen richtete sich auf und saß sehr aufrecht am Tisch. Wenn ihr Papa sie mit ihrem vollen Namen ansprach, dann war es ihm sehr ernst mit seinen Worten! Emilia fühlte sich auf einmal ziemlich erwachsen und es war ein gutes Gefühl.

      Als hätte er ihre Gedanken lesen können, zwinkerte ihr Vater ihr verschmitzt zu und meinte: »Das heißt aber nicht, dass Erwachsene nicht auch ihren Spaß haben können! Wie wäre es denn jetzt mit einer großen Portion Schokoladeneis und einer Partie Rummikub oder Streitpatience?«

      »Streitpatience!«, rief Emilia mit kindlicher Begeisterung. »Du kannst dich immer so schön ärgern, wenn ich klopfe, weil du etwas übersehen hast, Papa!«

      »Kleine Kröte!«, brummte ihr Vater und gab ihr einen zärtlichen Nasenstüber. »Und darf es vielleicht auch etwas Sahne für die junge Dame sein?«

      »Klar, Papa!« Das Mädchen war schon auf dem Weg zum Kühlschrank. »Schokieis ist doch erst richtig toll mit Sahne.«

      Und so endete dieser Tag im Doktorhaus wie so häufig: Gemeinsam am Küchentisch sitzend, mit Gelächter und hitzigen Debatten um falsch angelegte Karten, mit Spaß und dem wundervollen Gefühl der Zusammengehörigkeit.

      *

      Lisa Ecker föhnte ihrer Kundin die Haare, und in Gedanken rechnete sie. Vor drei Tagen hatte sie einen, scharlachroten Brief in den Kasten geworfen. Das hieß, dass er inzwischen auf dem Ebereschenhof angekommen sein musste und hoffentlich recht viel Staub aufgewirbelt hatte.

      Denn was würde der treue und ehrliche Benjamin tun? Um jeden Verdacht von sich zu weisen wäre er höchstwahrscheinlich zu seiner Frau gegangen, um ihr den Brief zu zeigen. So herrlich ahnungslos und unschuldig und ganz darauf bedacht, bei der lieben Marie nicht in ein schlechtes Licht zu geraten.

      Und das schwangere Mariechen würde ihm natürlich glauben wollen …, aber konnte sie das völlig uneingeschränkt? Denn sagte man nicht: Wo Rauch ist, ist auch Feuer? Könnte nicht vielleicht doch etwas dran sein an dieser mysteriösen Geschichte von Ben und einer anderen Frau? Ehe sie den kleinen Trick mit dem heißen Slip in Angriff nahm, würde sie noch …

      »Hey, Lisa! Wenn du jetzt noch weiter föhnst, steckst du meine Haare in Brand! Sie sind längst knochentrocken!«, beschwerte sich ihre Kundin.

      »Was du nicht sagst! Da war ich wohl mit den Gedanken woanders«, flötete Lisa.

      »Kann man wohl so sagen!«, brummelte die Frau und beschloss, heute kein Trinkgeld zu geben.

      Beim Kassieren guckte Lisa ziemlich schnippisch, verkniff sich aber eine Bemerkung. Sollte die alte Schabracke doch ihren zusätzlichen Euro behalten, sie hatte ihr für das Shampoo sowieso den doppelten Preis berechnet.

      »Tschau, tschau!«, sagte Lisa zerstreut und machte sich auf den Weg in ihre Wohnung. Sie wollte sich für den Besuch auf dem Ebereschenhof umziehen.

      Wenig später stand sie vor ihrem großen Spiegel und musterte sich zufrieden. Ben sollten die Augen aus dem Kopf fallen!

      Lisa trug extrem knappe, weiße Shorts, bei denen schon mal der Ansatz einer Pobacke hervor blitzte. Dazu ein bauchfreies, sehr tief ausgeschnittenes, schwarzes Top, das viel von ihrem üppigen Busen sehen ließ. Schließlich wäre es schade, ihn zu verstecken, er hatte sie bei einem Münchner Schönheitschirurgen ein kleines Vermögen gekostet.

      Sehr zufrieden mit ihrem Aussehen wollte Lisa die Wohnung verlassen, als ihr im letzten Augenblick noch etwas einfiel.

      Wie war das doch mit dieser Krimifrau namens Tonya? Was war so wichtig, damit der Spaß nicht zu schnell vorbei war? Richtig: Sie musste unauffällig sein!

      Also pellte Lisa sich wieder aus ihren engen Klamotten heraus und suchte nach etwas weniger Auffälligem in ihrem Schrank. Das war gar nicht so einfach, aber schließlich stand sie in einem neuen Outfit vor dem Spiegel, das für ihre Rolle als gute Freundin wohl angemessener war. Jetzt trug sie nicht zu enge Shorts aus hellem Leinen, die zwar auch ihre langen, gebräunten Beine sehen ließen, aber ansonsten nichts. Dazu eine weiße, ärmellose Bluse, die leicht und luftig ihre Figur umspielte. Mit einem Seufzer entfernte Lisa auch die künstlichen Wimpern und ersetzte den tiefroten Lippenstift durch einen Hauch farbiges Lipgloss. Sie fand sich durch und durch langweilig, aber wenn es wirkte, bitte schön!

      Sie hatte ihr Autoradio voll aufgedreht und kam ausgesprochen guter Dinge auf dem Hof an. Als sie ausstieg, fiel ihr als erstes die Stille auf, nirgendwo hörte man das sonst allgegenwärtige Hämmern, Sägen oder Klopfen. Die Küchentür stand offen, und Lisa trat vorsichtig ein.

      »Hallo? Marie? Ben? Seid ihr hier irgendwo?« rief sie.

      »Hier oben!«, antwortete Maries Stimme gedämpft. »Warte, ich komme runter.«

      Lisa blieb in der Diele stehen und beobachtete ihre Freundin, die vorsichtig die Treppe hinunter ging, über deren Stufen sie sonst achtlos gelaufen war. Die Treppe war steil, und die junge Frau hielt sich am Geländer fest. Maries Gestalt hatte sich in den letzten Wochen stark verändert; kein Wunder, es waren zwei kleine Menschen, die in ihr heranwuchsen. Ihr Bauch hatte nun einen beachtlichen Umfang erreicht, und ihr Gang war langsamer und ein wenig schwerfällig geworden.

      Lisa schaute ihrer Freundin aufmerksam ins Gesicht. Marie wirkte blass, und unter den Augen zeichneten sich dunkle Schatten ab. Waren das nun Spuren der Schwangerschaft, von Schlafmangel oder von Sorgen? Vielleicht gar wegen eines gewissen anonymen Briefes?

      »Hallo, Lisa, schön, dass du da bist!«, begrüßte Marie arglos ihre Freundin.

      »Ich habe mir heute Nachmittag frei genommen und dachte, ich schau mal bei euch vorbei«, antwortete Lisa. »Hier, ich habe Kuchen mitgebracht.«

      »Danke, das ist lieb«, freute sich Marie. »Längeres Stehen fällt mir langsam schwer, und backen kann man nun mal schlecht im Sitzen.«

      Lisa fragte sich im Stillen, wieso überhaupt jemand den Wunsch verspüren sollte, seine Zeit in der Küche zu verbringen, es gab doch genügend Bäckereien. Sie hatte Pflaumenkuchen und Nusstörtchen gekauft, warum sich also dafür Hände und Hochglanzküche schmutzig machen?

      Marie wirkte tatsächlich etwas angegriffen, deshalb schlug Lisa vor: »Weshalb setzt du dich nicht draußen in die Laube? Ich koche eben den Kaffee und bringe ihn dann zu uns raus.«

      »Danke!« Marie drückte ihrer Freundin ein Küsschen auf die Wange. »Das ist wirklich nett von dir. Aber koch den Kaffee bitte nur für Ben und dich, ich trinke in der Schwangerschaft lieber etwas anderes.« Sie griff zu dem Krug mit erfrischendem Eistee und trug ihn hinaus zu ihrem Lieblingsplatz im Garten. Dort stand die alte Laube aus verschnörkeltem Eisen, das im Laufe der Jahre eine rostige Patina bekommen hatte. Weinranken überwucherten das Gerüst und wehten wie zarte Vorhänge zwischen den filigranen Eisen­stäben. Hier hielt Marie sich am liebsten auf, manchmal sogar im Winter, wenn sie sich in eine dicke Wolldecke einmummeln musste. Entspannt lehnte sie sich auf den weichen Kissen zurück und ruhte sich vom Einräumen des Kinderzimmers aus. Ben hatte eine alte, unansehnliche Kommode vom Speicher geholt, mit einem angeschraubten Brett zu einer Wickelkommode vergrößert, und Marie hatte alles in einem sanften Salbeigrün gestrichen. Mit den neuen Knäufen und den runden Füßen, die Marie in mattem Gold abgesetzt hatte, sah der Wickeltisch nun wunderschön aus.

      Während die werdende Mutter ihre Gedanken ins Blaue wandern ließ, wartete Lisa in der Küche darauf, dass der Kaffee in der Maschine durchgelaufen war. Sie hörte Schritte draußen auf dem Kiesweg und schaute erwartungsvoll zur Küchentür, denn sie hoffte, Ben zu treffen.

      Der Mann betrat rückwärts die Küche. Er trug zwei übereinander gestapelte, große Kartons vor sich her und hatte die Tür mit dem Ellenbogen geöffnet. »Hallo, Schatz«, sagte er ein wenig atemlos, »hier sind die Sachen vom …«

      »Ich bin zwar nicht dein Schatz, aber helfen kann ich dir doch trotzdem, gell?«, unterbrach ihn eine bekannte Frauenstimme. Lisa war unbemerkt zu