»Wir hatten sie gebeten, selbst dafür Sorge zu tragen«, sagte Glastonbury, »und uns dann mitzuteilen, wie sie es gelöst haben. Nun haben sie tatsächlich aber überhaupt nichts getan, also wurde ich hergeschickt, um ihnen ein bisschen auf die Pelle zu rücken. Die lassen Sie immer noch Urdu lernen, wie ich höre?«
»Ja«, sagte Alister, »und den Stockdrill. Das ist im Grunde alles, was sie uns bisher beigebracht haben.«
»Also, Urdu wird sicherlich abgeschafft«, sagte Glastonbury, »aber das Stocktraining bleibt Ihnen wohl erhalten.«
»Warum, Sir?«, sagte Alister missmutig.
Glastonbury blickte Alister einfach nur mit ein wenig größeren Augen an, als sollte die Antwort jeder geistig gesunden Person eigentlich offenkundig sein, und wechselte das Thema.
»Hauptmann Detterling ist als Ausbilder angereist«, sagte Glastonbury und nickte zu seinem Gefährten hinüber.
»Für unseren Zug? Wir haben noch keinen.«
Aus unersichtlichen Gründen tauschten Detterling und Glastonbury schuldbewusste Blicke aus.
»Ich fürchte, nein«, sagte Detterling. »Ich soll Militärstrafrecht unterrichten, und wie sich die Zusammenarbeit der Infanterie mit Panzern gestaltet, in der gesamten OS. Ich bin Kavallerist, verstehen Sie? Aus demselben Regiment wie Giles hier.«
Es kam Peter in den Sinn, dass, wo die beiden doch ganz offenbar Freunde und nahezu Altersgenossen waren, ein auffälliger Unterschied zwischen ihnen bestand, was ihren Rang betraf; zweifelsohne war Glastonburys Stellung als Oberstleutnant nur vorübergehend, doch gab es keinen Grund, warum Detterling nach beinahe sechs Jahren Krieg nicht ebenfalls durch ein Brevet auf einen vergleichbaren Posten hätte gehoben werden sollen. Es dämmerte Peter zudem, dass Detterling, als er ihn vor kaum drei Monaten zuletzt in England gesehen hatte, an ihrer beider alten Schule, gerade frisch dazu berufen worden war, Rekruten in den verschiedenen Ausbildungslagern zu sichten, um geeignete Kandidaten für die Kavallerie zu finden. Da ein solcher Posten langjährige Erfahrung voraussetzte, behielt man ihn normalerweise lange; und da dem so war, musste Detterlings Auftauchen in Bangalore noch erhellt werden.
»Ich nehme an«, sagte Detterling, die Frage vorwegnehmend, die Peter sich in seiner Wohlerzogenheit nicht zu stellen getraut hätte, »dass Sie sich fragen, was wohl aus dieser Arbeit von mir in England geworden ist. Kavallerieauswahloffizier der Panzertruppen. Die Sache war die, mein lieber Freund, dass ich keine Rekruten dafür finden konnte. Vielmehr das Gegenteil: Ich habe einfach alle abgeschreckt.«
»Wie denn das?«
»Für Panzer habe ich mich noch nie begeistern können. Ich habe denen stets gesagt, wie nett es doch wäre, wenn wir weiterhin Pferde hätten, und wie schrecklich es ist, dass es jetzt Panzer sind.«
»Werden Sie uns das auch erzählen? Wenn Sie uns zur Zusammenarbeit der Infanterie mit Panzern instruieren?«
»Ich gehe nicht davon aus, dass wir damit weit kommen werden, wenn es so weit ist – oder, Giles?«
»Es wird weiterhin im Ausbildungsplan sein«, sagte Glastonbury mit leicht mahnendem Ton.
»Aber da es nur wenige Panzer in Indien gibt«, sagte Detterling freudig, »werden uns keine zur Verfügung stehen, um damit Übungen abzuhalten.«
»Die Theorie kann man trotzdem lernen.«
»Mit der Theorie habe ich kein Problem«, sagte Detterling, »es sind bloß die Panzer an sich, die ich nicht ausstehen kann. Hässliche Brocken aus Metall, die so einen furchtbar widerlichen Geruch verbreiten … Ich glaube, ich werde Indien mögen«, sagte er, als er übers Cricketfeld hinweg zwei alte Damen erblickte, die, von turbantragenden Pferdeknechten unterstützt, einen Landauer mit geöffnetem Verdeck bestiegen. »Hier herrscht eine ähnliche Atmosphäre wie damals in Malta, als ich ’37 ins Regiment eingetreten bin. Du weißt schon, Lanzenreiter als Leibwache für den Kommandierenden General und die ganzen liebestollen Ehefrauen in ihren langen, weißen Kleidern.«
»Bleibt vielleicht nicht mehr lange so«, sagte Giles Glastonbury.
»Das macht einen Teil des Charmes aus. Zufälligerweise«, sagte Detterling, »befindet sich eine Art Cousin von mir hier. Muscateer heißt er. Kennt den jemand?«
»Ja, Sir«, beeilte sich Alister zu sagen.
»Na, dann treiben Sie ihn auf, seien Sie so gut, und wir gehen heute Abend alle zusammen essen … also, falls Sie Zeit haben.«
Peter und Alister sagten, sie hätten Zeit, und die Wellesley-Messe wurde als Treffpunkt für den Abend benannt. Einige Minuten später lieferte »Napier« den gewinnbringenden Schlag, woraufhin sie alle vier applaudierten, obschon Detterling sich zutiefst unzufrieden zeigte über die Art, wie der Schlag ausgeführt worden war. Es folgte ein großes Gewühl aus Turbanen und Kummerbunden; die beiden alten Damen in dem Landauer zogen erhaben übers Gras von dannen; Seine Hoheit, weiterhin vor sich hin glucksend, wurde in seinem Lagonda aus dem Jahr 1924, der noch immer in den alten Harrow-Farben lackiert war, weggefahren; und Peter und Alister gondelten in Rikschas durch die süße, diesige indische Dämmerung, um Muscateer zu finden (der den ganzen Tag damit verbracht hatte, das Aufsitzen auf sein Fahrrad zu üben) und sich für das Abendessen mit Detterling umzuziehen.
Weil Glastonbury und Detterling, was das Essen betraf, zu anspruchsvoll waren, um ein Dinner im Offiziersclub von Bagalore zu riskieren (»undefinierbare braune Suppe und hausbackenes Kantinenurry, vermutlich«), wurde beschlossen, dass man in Ley Wongs chinesisches Restaurant gehen würde, wo die Küche, wie Glastonbury ihnen verriet, abwechslungsreich sei und man, wie überall im Orient, über lange Zeit Kredit gewährt bekomme. Nicht dass Detterling bei einem Abendessen wie diesem darauf angewiesen sei, doch könne sich für die drei Offiziersanwärter eine persönliche Einführung bei Ley Wong durch Glastonbury als nützlich erweisen, weil Ley Wong jederzeit Schecks für sie flüssig machen und sie darüber hinaus zum Spezialpreis von seinen ganz besonderen Dienstleistungen als Zuhälter Gebrauch machen lassen würde.
»Mir gibt er immer fünfundzwanzig Prozent Nachlass«, sagte Glastonbury, als sie in dem von Pferden gezogenen Gharri saßen, das sie dort hintransportierte, »und sorgt dafür, dass die Mädchen das dann auch tun.«
»Wie kommt es, dass du ihn so gut kennst?«, fragte Detterling. »Du warst hier doch nie stationiert, soweit ich weiß.«
»Ich habe ihm vor einigen Jahren einen großen Dienst erwiesen. Damals, als ich zum ersten Mal hier unten war – du erinnerst dich« – das war nur für Detterling bestimmt – »nach diesem kleinen Problem, das ich in Tunesien hatte.«
Detterling erinnerte sich und nickte. Alister öffnete den Mund, um zu fragen, was es mit dem »kleinen Problem« auf sich hatte, doch ein Blick von Peter gebot ihm Einhalt.
»Nun, als ich zum ersten Mal nach Bombay kam«, sagte Glastonbury, »wusste keiner so recht, was er mit mir anfangen sollte – ich war vollkommen unerwartet hier aufgetaucht, verstehen Sie –, also haben sie mich zum Leiter des Hygiene- und Versorgungsamtes für Südindien gemacht. Ich musste zusammen mit einem Sanitätsoffizier und einem Kaplan herumfahren und all die Lichtspielhäuser und Restaurants und Bars inspizieren und dann darüber berichten, ob sie für unsere kerngesunden britischen Soldaten geeignet sind oder nicht. Sie können es sich in etwa vorstellen, oder?«
Sie konnten, und Muscateer merkte an, dass sein alter Herr 1944 in Frankreich etwas ganz Ähnliches gemacht habe.
»Und er hat eine kleine Posse daraus gemacht«, sagte Detterling. »Ihr alter Herr hat jedem Bordell zwischen Calvados und den Ardennen eine Armeelizenz beschafft, bloß um Montgomery zu ärgern. Sie mussten jemanden hinter ihm herschicken, um die alle wieder zu schließen.«
»Nun denn, im Lauf der Zeit«, fuhr Glastonbury nach diesem Einwurf fort, »kam das Hygiene- und Versorgungsamt auch nach Bangalore, und der erste Ort, den wir unter die Lupe zu nehmen hatten, war Ley Wongs chinesisches