»Aber nicht hier«, sagte Peter. »Noch nicht.«
»Abwarten! Sie sind die letzte Gruppe britischer Offiziersanwärter, die nach Bangalore gekommen sind, ein für alle Mal. Von jetzt an werden hier nur noch Inder sein. Mit zumeist indischen Ausbildern. Was also die weißen Offiziere angeht – ob sie nun der Indischen oder der Britischen Armee angehören –, so ist dies das letzte Ausbildungssemester an der Schule in der alten Form. Und wenn sich das erst mal herumgesprochen hat«, sagte Glastonbury, »wenn die Leute das Alte zum letzten Mal machen, dann sind sie zu niedergeschlagen, um sich groß darum zu bekümmern, wie gut oder schlecht sie ihre Sache machen. Auch hier: Verantwortungslosigkeit, wie Sie sehen – in etwas ehrbarerer Form als bei den anderen, aber am Ende läuft es auf dasselbe hinaus.«
Die Kellner setzten jedem der Gäste einen letzten Gang vor: ein cremiges Törtchen mit einer leichten Zuckerkruste und (so dachte Peter, als er es probierte) mit Grapefruit oder süßem Zitronat aromatisiert.
»Jedenfalls«, sagte Glastonbury, »wird all das Sie hier ganz sicher in einem betreffen. Möchtest du es ihnen sagen« – an Detterling gewandt – »oder soll ich?«
»Du scheinst grade in Dozierlaune zu sein, Giles,« sagte Detterling matt. »Mach ruhig du es.«
Glastonbury nickte. Er stieß seinen Nachtisch unangetastet von sich und bedeutete einem Diener, ihn abzuräumen. Da aber Ley Wong gerade nicht im Raum war, ließ der Diener sich Zeit, und bevor er das Schälchen vor Glastonbury ergreifen konnte, hatte Muscateer es sich geschnappt.
»Verzeihung und so!«, sagte Muscateer. »Aber spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Schmeckt wirklich faszinierend, das Zeug!«
Detterling, als der Gastgeber, gab dem Diener ein Zeichen, an seinen Platz an der Wand zurückzukehren.
»Ihre Großmutter hat auch so eine Schwäche für Süßes gehabt«, sagte Detterling, um Muscateers Verhalten zu entschuldigen. »Also dann, Giles, erzähl ihnen, wie es abläuft.«
»Es ist folgendermaßen. Wie ich eben schon Morrison hier erklärt habe, wird die OS ab nächsten Monat nur noch indische Offiziersanwärter aufnehmen, mit indischen Ausbildern. Es gibt aber nicht viele indische Offiziere, die Erfahrung als Ausbilder haben, weshalb man sie hier an Ihnen ein bisschen üben lassen wird. Oder zumindest denken sie darüber nach – und Delhi unterstützt das, weil es die indischen Nationalisten beschwichtigen wird, wenn sie sehen, dass indische Offiziere weiße Offiziersanwärter ausbilden. Bevor aber eine endgültige Entscheidung fällt, wollen sie einen Probelauf durchführen, um zu sehen, wie gut es funktioniert. Und für diesen Probelauf wurde Ihr Zug ausgewählt. 2. Zg Kp C, steht im Papierkram.« Glastonbury drehte sich zu Peter. »J. U. O.: OA Morrison, P.«
»Das ist also der Grund, warum uns noch kein Offizier zugeteilt wurde.«
»Morgen um 6.15 Uhr werden Sie einen haben. Hauptmann Gilzai Khan von der 43. Khaipur Light Infantry.«
»Einen Moslem?«
»Ja. Das hat zunächst für Unmut gesorgt. Die Hindus haben erst eingelenkt, als wir sie darauf gebracht haben, dass im Fall des Scheiterns dieses Probelaufs alle die Schuld bei den Moslems sehen würden; sollte es aber ein Erfolg werden, würden beide Seiten davon profitieren. Ich sollte Ihnen vielleicht sagen, dass mit Gilzai Khan ein Offizier ausgewählt wurde, der einen starken Charakter hat und von dem man nur Erfolge erwarten kann.«
»Was ich nicht verstehe«, sagte Muscateer, »mein alter Herr hat gesagt, dass einheimische Offiziere immer Jemadar und Rissaldar heißen – oder so was in der Art.«
»Jemadars und Rissaldars sind Rangbezeichnungen im Offiziersdienst für den Vizekönig. Gilzai Khan hält einen Offiziersbrief direkt vom König.«
»Ihr alter Herr ist der Zeit schon immer ein wenig hinterhergehinkt«, bemerkte Hauptmann Detterling.
»Ein Kanake«, sagte Alister erbost. »Wir bekommen ’nen Kanaken als Offizier!«
»Es gibt Kanaken und Kanaken«, sagte Detterling bedächtig. »Ich würde mir dieses Wort an Ihrer Stelle abgewöhnen. Gilzai Khan hat möglicherweise nicht so viel dafür übrig.«
»Sie sind auf deren Seite, Sir?«
»Wir sind auf gar keiner Seite«, sagte Glastonbury. »Wir lassen Sie bloß wissen, wie alles vor sich gehen wird. Morrison hier könnte eine heikle Zeit als J. U. O. bevorstehen. Als seine Freunde werden Sie ihm doch sicher beistehen wollen.«
»Warum hat uns Major Baxter das nicht gesagt?«, sagte Alister mit schriller Stimme. »Er ist der Kommandeur der Kompanie. Es wäre seine Aufgabe gewesen, nicht Ihre!«
»Mit Ihrem Einwand haben Sie recht, Mr. Mortleman«, sagte Oberstleutnant Glastonbury, »wenngleich ich die Art, wie Sie ihn vorbringen, nicht billigen kann.« Er ließ mit seinen Fingern einen kleinen Trommelwirbel auf dem Tisch erklingen, warf Muscateer, der ungewöhnlich stark schwitzte, einen Seitenblick zu, saugte kurz seine Lippen ein und fuhr fort. »Major Baxter«, sagte er, »ist ein Offizier, der in Kriegszeiten gute Verdienste erworben hat, er ist aber von seiner Natur her kein guter Diplomat. Dass er da Schwächen hat, weiß er selbst am besten; und als ich ihm erzählte, dass ich einige von Ihnen kenne, hat er mich gebeten, diese Aufgabe für ihn zu übernehmen.«
»Da sind wir Ihnen sehr dankbar, Sir!«, sagte Peter. »Aber in ein oder zwei Tagen werden Sie nach Delhi zurückreisen. Wenn wir hier Ärger bekommen sollten, werden wir einen diplomatischen Fürsprecher brauchen. Da Major Baxter, wie Sie und er selbst sagen, dafür kaum der richtige Mann ist, an den wir uns wenden könnten …«
»Sie dürfen sich«, sagte Detterling, »an mich wenden. Ich kann das mit Major Baxter für Sie regeln.«
Ein Aufwallen, ein ersticktes Würgen und noch ein Aufwallen – und Muscateer erbrach sich ganz fürchterlich.
»Wie kommt es bloß«, sagte Glastonbury verärgert, »dass jedes Mal, wenn ich mit Leuten hier esse, jemandem schlecht wird?«
»Zu viel von diesem Nachtisch …«
»Was war das denn?«
»Ein Orangenbaisertörtchen«, sagte Glastonbury. »Ley Wong ist berühmt dafür.«
»Merkwürdig. Ich fand, es schmeckte nach Grapefruit.«
Muscateer übergab sich gleich noch einmal.
»Wenn Sie mich fragen«, sagte Alister, »kommt das von dem Gedanken, dass uns ein verdammter Kanake herumkommandieren wird.«
Detterling schaute Alister kühl an, sagte aber nichts. Unzählige Kellner erschienen mit Eimern und Wischlappen. Kurz darauf, nachdem Detterling die Rechnung beglichen hatte, brachten Sie alle zusammen Muscateer heim in sein Basha. Unterwegs würgte er ganz erbärmlich, schaffte es aber gerade so, eine Sache zu sagen, und zwar zu Detterling: »Das erzählen Sie aber bitte nicht meinem alten Herrn, oder, Sir? Er wäre ungeheuer enttäuscht von mir.«
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами