Diversität in der Sozialen Arbeit. Beate Aschenbrenner-Wellmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Beate Aschenbrenner-Wellmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783170330702
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Antisemitismus, Homophobie über unterschiedliche gesellschaftliche Schichten verteilt und begründen Sie Ihre Ergebnisse.

      2.2.6 Diversität als Lehr- und Lernherausforderung (didaktische und entwicklungsbeeinflussende Bedeutungsdimension)

      Für die Soziale Arbeit ist die Auseinandersetzung mit einer didaktischen Bedeutungsdimension von Diversität unerlässlich. Denn auf der einen Seite soll Soziale Arbeit Problemlösungen in zwischenmenschlichen Beziehungen fördern und dort eingreifen, wo Menschen mit ihrer Umgebung interagieren (Wendt 2017: 16). Um diese (Lern-)Prozesse zu gestalten braucht es auch immer eine Nähe zur und eine Auseinandersetzung mit der Didaktik. Zum anderen ist interkulturelle Soziale Arbeit inzwischen eine Querschnittaufgabe jeglicher Sozialer Arbeit geworden, da es durch die gesellschaftliche Globalisierung kein Handlungsfeld mehr gibt, das nicht von einer kulturellen Pluralität gekennzeichnet ist (Freise 2017: 20).

      Innerhalb der vorliegenden Bedeutungsdimension geht es zunächst einmal um die Frage, welche handlungspraktischen Konsequenzen die Akzeptanz von Diversität für Organisationen und die Gestaltung von Lernprozessen hat (Wischer 2009: 69, in Walgenbach 2014: 43). Hierbei sind Parallelen zu den Chancen von Diversität (image Kap. 2.2.3) zu erkennen, da diese Dimension auch für eine Anerkennung von Diversität plädiert. Wichtig für das pädagogische Handeln mit vielfältigen Gruppen ist immer auch die Auseinandersetzung mit den anderen beschriebenen Bedeutungsdimensionen von Diversität und eine Klärung bestehender Interdependenz-Verhältnisse.

      Praxisbeispiel: Heterogene Schulklasse

      Das Lehrpersonal adaptiert die Lernangebote an die Heterogenität der Schüler_innen, z. B. durch eine Differenzierung anhand verschiedener Methoden oder den vier verschiedenen Lerntypen (visuell, auditiv, haptisch, kommunikativ). Aber auch die bewusste Zusammensetzung von heterogenen Lerngruppen kann eine Möglichkeit sein, Vielfalt in den Lernprozess einzubeziehen (z. B. Kinder mit und ohne Assistenzbedarf oder mit und ohne Migrationshintergrund).

      Im Hinblick auf einen erfolgreichen Umgang mit Diversität, bspw. in Schulen und Hochschulen, bedeutet diese Betrachtungsweise eine langfristige Veränderung der Lehrmethoden durch neue Inhalte und Lernansätze sowie eine Veränderung der Rahmenbedingungen von Bildungseinrichtungen im Sinne einer Interkulturellen Öffnung. Um eine Nachhaltigkeit zu gewährleisten, müssen alle (hoch-)schulischen Bereiche wie Curricula, Materialien sowie Aus- und Weiterbildung von Dozierenden und Lehrkräften in Bezug auf die Vermittlung einer Interkulturellen und Diversitäts- Kompetenz berücksichtigt werden. Dabei soll insbesondere der Umgang mit paradoxen und irritierenden Situationen thematisiert werden. »Ambivalenz ist eine Folge der Komplexität, der Vielschichtigkeit und Multikausalität der Welt« (Jekeli 2002: 8). Gute Lehre muss den Lerner_innen demnach die Möglichkeit geben, diese Komplexität eigenverantwortlich und aktiv zu erfahren, neue Denkmuster kennenzulernen und sich Lösungsräume zu erschließen. Dazu müssen Lehrinhalte und Lernumgebungen anhand dieser Zielsetzungen geplant und Lernprozesse gesteuert werden.

      Von besonderer Bedeutung ist unserer Meinung nach dabei die Ausbildung einer Diversitätskompetenz. Diese setzt sich aus einer Kombination aus Wissen, Einstellungen und Haltungen sowie konkreten Fähigkeiten und Fertigkeiten zusammen, deren konkrete Inhalte häufig in Merkmalslisten (Aschenbrenner-Wellmann 2003: 212) dargestellt werden. Wichtig ist darüberhinausgehend jedoch eine prozesshafte und situationsbezogene Betrachtungsweise, die Diversitätskompetenz als Ergebnis eines Lern- und Veränderungsprozesses sieht, die aber je nach Begegnungssituation und Prozessbeteiligten sowie Rahmenbedingungen (Macht, Strukturen der Organisation, rechtliche Konstellationen etc.) unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Durch diese Diversitätskompetenz soll ein Abbau von Stereotypen und Vorurteilen bewirkt werden. Eine Kombination von methodischen und haltungsmäßigen Bestandteilen wie z. B. von Reflexivität, Partizipation und Empowerment begünstigt die Entwicklung hin zu einer Gesamtkompetenz (Aschenbrenner-Wellmann 2009).

      Ebenso wie Lernsettings können auch Organisationen in sehr unterschiedlicher Weise mit der vorhandenen Diversität umgehen. Ignorieren und negieren ist ebenso möglich wie der bewusste Umgang mit Vielfalt oder die Akzeptanz von Diversität und Differenz als Lernherausforderung. Je nach Diversitätsreife und Organisationskultur ergeben sich sehr unterschiedliche Anforderungen an Managing-Diversity-Prozesse, da Lernorte, Kontexte, individuelle Lernpraxen und organisationale Veränderungsprozesse in jeweils unterschiedlicher Ausprägung angesprochen und involviert sind (image Teil III). Grundsätzlich lassen sich Top-down- und Bottom-up-Ansätze unterscheiden. »Während zu Beginn eine von der Unternehmensführung getragene top-down Einführung unerlässlich ist, um den klaren Willen zur Implementierung herauszustreichen, wird vor allem in der Phase des Mainstreamings eine bottom-up Implementierung und damit eine partizipative, von einer breiten MitarbeiterInnenschaft getragene Unternehmensgestaltung wichtig für den Erfolg« (Gitzi/Köllen 2006: 25). Als praktisches Problem stellt sich dabei heraus, dass in größeren Organisationen nicht alle Mitarbeiter_innen an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden können und damit die Gefahr verbunden ist, dass die Kompetenzen und Interessen der Nicht-Partizipierenden keine Berücksichtigung finden. Unter Kosten-Nutzen-Argumenten wird zudem häufig der hohe Zeitaufwand für Beteiligungsverfahren aufgeführt. Dennoch bleibt ein starkes Argument für die Umsetzung von Partizipation innerhalb der Organisation aus psychologischer Sicht der Bereich der Selbstwirksamkeit, Motivation, Wertschätzung; Aspekte, die mit einer unmittelbaren Einflussnahme verbunden sind und im Hinblick auf den Erfolg von Diversitätslernen nicht vernachlässigt werden dürfen.

      Neben der Akzeptanz der Vielfalt innerhalb einer Gruppe oder Organisation als Lernherausforderung hat sich innerhalb dieser Bedeutungsdimension das Diversitätslernen sowie das Interkulturelle Lernen als eigene Disziplin entwickelt. Auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Konzepten wird ausführend in Teil II eingegangen (image Teil II).

      Praxisbeispiel: Interkulturelles Lernen

      Sie bieten als Sozialarbeiter_in ein offenes Treffen für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund an.

      → Innerhalb dieser Treffen können alle Beteiligten miteinander in Kontakt kommen, die verschiedenen Kulturen, deren Praktiken und Werte kennen und verstehen lernen und hierdurch mit- und voneinander lernen.

      Praxisbeispiel: Diversitätslernen

      Sie besuchen oder leiten als Sozialarbeiter_in einen »Anti-Bias-Workshop«.

      → Ziel dieser Workshops ist es, »sich der eigenen Vorurteile bewusst zu werden und auf dieser Grundlage diskriminierendem Handeln entgegenzuwirken« (Trisch 2015: 5). Dieser Ansatz richtet sich an alle Menschen und soll Raum schaffen, in dem Reflexionsprozesse möglich sind und Handlungsmöglichkeiten hin zu einer diskriminierungsfreien Gesellschaft in den Blick genommen werden (Schmidt 2012: 43).

      Diversitätslernen unterscheidet sich vom Lernen unter homogenen Bedingungen hinsichtlich der Lerninhalte, des Lernkontexts und der Lernanreize (Breitenbach 1975). Die Intention des Diversitätslernens ist es, vorschnelle Kategorienbildungen sowie »Essentialisierungen, festlegende Zuschreibungen, pauschalierende Negativbewertungen, Ausgrenzungen und Diskriminierung« abzubauen (Leiprecht 2008: 108). Im Prozess des Diversitätslernens reflektieren die Beteiligten in einer gestaltungsoffenen und heterogen verlaufenden, Bildungsfortschritte ermöglichenden Lernkultur ihre eigenen Wirklichkeitsvorstellungen und -konstruktionen durch die Begegnung und Auseinandersetzung mit Anderen. Dabei wird vorausgesetzt, dass neuen Lehr- und Lerninhalten durch die Veränderung von bereits gelernten Erfahrungsmustern begegnet werden muss. Diese Bereitschaft, bereits Erlerntes zu ändern oder zu erweitern, ist bei jeder bzw. jedem von uns in unterschiedlichem Maße und in jeweils unterschiedlicher Qualität