Der Gambler hatte sich umgedreht.
Seine Augen flogen noch einmal zu dem Spielsaloon hinüber, und jetzt sah er, daß Laura Higgins aufgestanden war. Sie sah ihn aus großen fragenden Augen an.
Da kam er noch einmal langsam zurück und blieb einen Schritt vor ihr stehen.
Jetzt, als sie seine eisblauen, so seltsam eindringlich wirkenden Augen auf sich gerichtet sah, spürte sie einen Glutstrom zu ihrem Herzen schießen.
»Ich danke Ihnen für Ihre Gesellschaft«, sagte Holliday leise.
Obgleich er gar nichts Spöttisches hatte sagen wollen, trafen diese Worte Laura Higgins doch hart. Sie drehte sich auf dem Absatz um, machte zwei Schritte vorwärts, blieb dann aber doch stehen und wandte sich wieder um.
Haß und Liebe kämpften in ihrem Gesicht miteinander.
Sie tat dem Georgier leid; aber er durfte ihr keine Hoffnung machen. Seine Lebenserwartungen waren gleich Null. Seit Jahren nagte in seiner Brust eine tödliche Krankheit.
Das Gesicht des Spielers war wie zur Maske erstarrt, als er jetzt auf den Eingang zuging.
Jake Lead hatte sein Pferd von der Halfterstange genommen, sich in den Sattel gezogen und ritt hinauf in die Fremontstreet.
Aus den Fenstern von Millers Bar fielen Lichtfinger weit in die Straße hinaus, und Musikfetzen drangen durch die halboffenstehende Tür.
Jake Lead stieg vom Pferd und betrat den Vorbau. So gerne er die Stadt verlassen hätte – es war ausgeschlossen. Er hatte keinen Cent mehr in der Tasche. Alles hatte er an Doc Holliday verloren.
Wie hatte er auch so irrsinnig sein können, sich ausgerechnet mit diesem Mann an den grünen Tisch zu setzen! Jetzt noch sträubten sich ihm die Haare bei dem Gedanken, in welcher Gefahr er sich befunden hatte, als er den Revolver gegen den Georgier hatte ziehen wollen.
Er trat nahe an eines der Fenster heran und blickte in den engen Schankraum.
Der Besitzer der Schenke, Jonny Miller, war vor einigen Wochen festgenommen worden und saß oben in Prescott im Jail. Eigentlich hätte die Schenke geschlossen werden müssen, aber im allerletzten Augenblick war sein Neffe Rodney Miller eingesprungen und führte die Geschäfte des Onkels weiter.
Dieser Rodney war ein schlaksiger Bursche von etwa dreißig Jahren mit müden Augen und schlaffen Gesichtszügen. Er saß den ganzen Tag auf einem hohen Barhocker hinter der Theke und hatte Flaschen und Gläser um sich herum stehen, so daß er nie genötigt war, aufzustehen.
Die Gäste, die glaubten, an den Tischen bedient zu werden, hatten sich geirrt. Miller dachte nicht daran, Getränke anzuschleppen. Wer was haben wollte, mußte zu ihm kommen.
Das alte Orchestrion hämmerte in wildem Gestampfe den unmelodiösen Baumwollpflücker-Song.
Rod Miller und die Männer, die vor der Theke standen, sangen mit, ohne die Zigarren aus den Mundwinkeln zu nehmen oder sich im Trinken behindern zu lassen.
Lead rieb sich übers Kinn und blickte zu den Männern hinüber, die rechts neben der Tür an einem Tisch saßen und pokerten. Sie hatten drei Tische besetzt.
Die anderen, die nicht spielten und auch an Tischen saßen, schleppten immer wieder Getränke von der Theke heran und leere Flaschen zurück.
Der Bandit entschloß sich, einzutreten. Es hatte keinen Sinn, die Stadt ohne jeden Cent zu verlassen. Er mußte um jeden Preis zu Geld kommen.
Er öffnete die Tür rasch und trat ein.
Rod Miller schoß ihm einen kurzen Blick entgegen und verzog dann das Gesicht, als er sah, daß der neue Gast auf einen der Tische zusteuerte.
»Nehmen Sie sich den Whisky mit«, rief er Lead zu.
Der nickte, trat an die Theke und ließ sich ein Glas halbvoll schenken.
»Zahlen!« mahnte der Keeper, als Lead sich mit dem Glas abwenden wollte.
Lead schüttelte den Kopf. »Nein, das ist zu anstrengend, wenn ich hinter jedem Glas zahlen wollte. Das machen wir am Schluß auf einer Rechnung ab.«
Miller hatte nichts dagegen. Dieser Fremde war schließlich nicht der einzige, der das so hielt.
Lead steuerte mit seinem Glas auf einen der Tische zu, an dem gespielt wurde. Es war zwar kein Stuhl mehr frei, aber er zog sich einen heran und setzte sich zwischen zwei Spieler.
Die beiden beachteten ihn zunächst gar nicht. Aber als er plötzlich laut auflachte, weil einer der Männer seiner Ansicht nach eine falsche Karte zog, blickten ihn alle verblüfft an.
Aber es sagte niemand etwas.
Der Mörder von Fairbanks hatte das Kainszeichen auf der Stirn, ohne es zu wissen. Irgend etwas ging von ihm aus, das die anderen abstieß. Das war der Grund, weshalb sie jetzt nichts zu seiner Kiebitzbemerkung sagten.
Das Spiel ging weiter.
Nach einer Weile brach Lead wieder in sein künstliches Gelächter aus.
Da legte der Mann, dem dieses Lachen gegolten hatte, die Karten verkehrt herum auf den Tisch und erhob sich.
»Ich gebe auf.«
Lead griff nach dem Blatt. Er nahm auch den Stuhl des anderen ein.
Als er in die Karten sah, wußte er, daß er einen schlechten Griff getan hatte.
Dennoch gelang es ihm, im allerletzten Augenblick mit einem üblen Trick – der Indischen Volte – das Eisen aus dem Feuer zu reißen.
Er hatte zwar nur wenig gewonnen, aber immerhin genug, um seinen Whisky zu bezahlen.
Bei der nächsten Runde blickten die Männer einander fragend an.
Aber da es niemand riskierte, etwas gegen den Fremden einzuwenden, nahm das Spiel seinen Fortgang.
Zwar wurde nur mit geringem Einsatz gespielt, aber anderthalb Stunden später hatte Jake Lead mehr als sechsundzwanzig Dollar gewonnen. Das war zwar kein Vermögen, aber für einen Mann, der bis vor kurzer Zeit keinen Cent in der Tasche gehabt hatte, war es sehr viel.
In diesem Augenblick betrat ein neuer Gast die Bar.
Er war groß, schlank, hatte eine drahtige Figur und ein dunkelhäutiges Gesicht mit seltsam hellen blaugrauen Augen. Sein Haar war schwarz und kam in Strähnen unter dem breiten Hutrand hervor.
Er trug sich wie ein Cowboy und hatte in den Halftern seines patronengespickten Waffengurts je einen großen Parker Colt.
Eigentlich war nichts Besonderes an diesem Mann. Aber doch schien irgend etwas an ihm zu sein, was die Männer veranlaßte, zu ihm hinüberzublicken.
Obgleich er ihnen allen unbekannt war, erinnerte er sie doch an irgend jemanden. Und niemand wußte genau, an wen.
Der Mann trat mit raschen Schritten an die Theke und schlug mit der flachen Hand auf das Blech.
»Whisky!«
Der Salooner kniff das linke Auge ein. Ihm kam der Mann nicht bekannt vor. Rodney Miller stammte nicht aus Tombstone, sondern kam aus Flaggstaff. Er kannte den Mann nicht, dem dieser Fremde glich.
»Whisky wollen Sie? Natürlich, den haben wir in rauhen Mengen, Mister. Für freundliche, nette Leute schenken wir ihn sogar gerne aus.« Der Salooner schob den erloschenen Zigarrenstummel von einem Mundwinkel in den anderen, machte indes keine Anstalten, ein Glas vor den Fremden hinzustellen.
In dessen Gesicht hatte sich irgend etwas verändert. Und jetzt glich er dem Mann, den alle kannten und auf den sie sich doch nicht besinnen konnten, noch mehr.
»Halten Sie mir keine Vorträge, Mann. Geben Sie mir ein Glas Whisky.«
Der Ton in der Stimme ließ die Männer in der Schenke aufhorchen.
Es war ausgerechnet Jake Lead, der Mörder von Fairbanks, dem als erstem ein Licht