Allzu oft flog der Blick der schönen Frau zu dem Georgier hinüber. Und plötzlich hatte Jake Lead es bemerkt. Seine Stirn war schweißbedeckt, da er dem Partner schon den fünften Schuldschein hatte unterzeichnen müssen. Und immer noch ließ der nicht locker.
Es war dem Georgier keineswegs um den Gewinn zu tun. Er wollte den Mann nur bewachen, wollte herauskriegen, was mit ihm los war. Denn sein Instinkt sagte dem Gambler, daß er diesen Mann ganz einfach festhalten mußte.
»He, Mister«, schnarrte Lead plötzlich, während er sich zum zwanzigsten Male mit dem linken Jackenärmel über die Stirn wischte, »wir haben eine Verehrerin gefunden.«
»Was Sie nicht sagen«, entgegnete der Spieler, ohne aufzublicken.
Er hatte die Augenlider stets halb gesenkt und beobachtete durch die langen, dichten schwarzen Wimpern sein Gegenüber unablässig.
»Ja, es ist eine tolle Frau«, krächzte Lead. »Sie sollten sie einmal ansehen. Wenn ich mich nicht irre, hat sie ein halbes Vermögen vor sich auf dem Tisch liegen. Scheint eine ganz raffinierte Spielerin zu sein.«
»Passen Sie lieber auf, daß Sie nicht noch mehr verlieren«, entgegnete der Georgier kühl.
»Ich weiß nicht, die Frau gefällt mir«, fuhr Lead fort.
In dieser sah er seinen Rettungsanker. Er mußte sich an ihr festbeißen. Wie der Georgier fühlte, daß mit Lead etwas nicht stimmte, so hatte Lead das sichere Gefühl, daß sein elegant gekleideter Spielpartner eine große Gefahr für ihn war.
»Ich wette, Mister, daß sie mit uns spielen würde, wenn Sie sie fragen wollten.«
»Ich will sie aber nicht fragen«, entgegnete der Georgier. »Ich spiele ja mit Ihnen.«
»Es ist ja nicht unbedingt notwendig, daß wir uns am Double-Poker festhalten. Ich hätte absolut nichts dagegen, eine so hübsche Partnerin am Tisch zu haben.«
Doc Holliday spielte ruhig weiter. Er überhörte auch alle weiteren Fragen des Banditen.
Laura Higgins hatte ihr Spiel beendet. Sie raffte ihren Gewinn zusammen und schob ihn in ihre mit Perlen bestickte Tasche, an der ein langer grüner Klunker herunterhing. Dann erhob sie sich und kam ganz langsam auf den Tisch der beiden Männer zu.
Lead flüsterte: »He, Mister, sie kommt!«
»Was Sie nicht sagen«, entgegnete Holliday und spielte weiter.
Die Frau war jetzt an ihrem Tisch angelangt. Stumm blickte sie auf den Gambler.
»Möchten Sie sich vielleicht setzen«, krächzte Lead, während er sich erhob und eine ungelenke einladende Handbewegung machte.
»Worauf soll sie sich denn setzen?« fauchte Holliday ihn an, während er mit dem Fuß einen Stuhl heranangelte und ihn der Frau hinschob.
»Sehr freundlich«, entgegnete die Frau spöttisch und nahm Platz.
»Also wirklich, Mister, ich kann Sie nicht verstehen«, krächzte Lead. »Ich fühle mich sehr geehrt, daß die Lady bei uns Platz nimmt.«
»Ich würde mich sehr geehrt fühlen, Mister, wenn Sie Ihre Schuldscheine einlösen würden«, entgegnete Holliday kalt.
Laura Higgins blickte auf das letzte Papier, das auf dem Tisch lag. Dann nahm sie mehrere Geldscheine aus der Tasche und schob sie dem Banditen zu.
Jake Lead hatte den Mund offen und stierte die Frau fassungslos an.
Damned! Sollte ihr Interesse etwa gar nicht diesem eleganten Stadtfrack da gelten – sondern ihm?
Lead, der bis zu diesem Augenblick krumm auf seinem Stuhl gehangen hatte, setzte sich unwillkürlich aufrecht hin und zupfte sein verknotetes Halstuch zurecht.
Aber die Augen der Frau hingen an dem Georgier.
Dieser jedoch beachtete sie überhaupt nicht.
Lead starrte jetzt auf das Geld. Plötzlich legte er die Hand darauf und zog es vor sich hin.
Doc Holliday blickte einen Augenblick auf.
»All right«, sagte der Bandit und warf ein paar Geldscheine in die Tischmitte, »wir spielen weiter. Was meinen Sie, Miß?«
Die Frau fand den Fremden ekelhaft, aber sie zeigte es nicht. »Ja, ja, spielen Sie nur, Mister.«
Immer noch stand der Schweiß dem Banditen in großen Perlen auf der Stirn. Aber nun hatte er ja neuen Rückenwind bekommen, der ihm vorwärtshelfen würde.
Aber er hatte kein Glück. Faule Tricks riskierte er nicht mehr, und mit reellem Spiel kam er gegen den Mann aus Georgia nicht an.
Nach der fünften Runde mußte er aufgeben, da das Geld, das die Frau hingelegt hatte, bereits neben Doc Holliday lag.
Lead hatte sein drittes Glas Whisky getrunken. Er hatte es in den leeren Magen geschüttet, und der Alkohol stieg ihm jetzt zu Kopf. Aus stieren Augen blickte er sein Gegenüber an.
»Ich weiß nicht so recht, Mister…«
»Was wissen Sie nicht?« fragte Holliday, während er sich eine Zigarette anzündete.
»Sie haben da verdammt viel Geld vor sich liegen.«
Hollidays Gesicht war unbeweglich wie eine Maske.
»Sprechen Sie nur weiter.«
»Ich überlegte gerade, wie man es macht, an so viel Geld zu kommen.«
Da lehnte sich der Gambler gegen die Stuhllehne zurück.
Laura Higgins beobachtete seine Augen. Dann wandte sie sich mit einem Ruck nach dem Banditen um.
»Ich habe das Gefühl, Mister, daß Sie nicht wissen, mit wem Sie gespielt haben.«
Leads Kopf schwankte leicht hin und her. »Doch, das weiß ich ganz genau. Mit einem ganz raffinierten Burschen.«
»Sein Name ist Holliday«, sagte die Frau halblaut, »Doc Holliday!«
Jake Lead war mit einem Schlage stocknüchtern. Wie von einer Feder hochgeschnellt sprang er auf und blieb hinter seinem Stuhl stehen.
»Das soll der große Doc Holliday sein?«
Laura Higgins zog die linke Augenbraue hoch in die Stirn, während der Spieler den Mann kalt ansah.
»Ja«, entgegnete Laura, »er ist Doc Holliday.«
Lead machte zwei Schritte zur Seite und wischte seine feuchten Hände an der Jacke ab.
»Doc Holliday!« kam es noch einmal brüchig über seine Lippen. »Der Mann aus dem O.K. Corral! Das ist… Well, ich werde gehen.«
Er wandte sich um und ging mit unsicheren Schritten durch den Schankraum dem Eingang zu.
Doc Holliday blickte ihm mit schmalen Augen nach.
»Wer ist das?« fragte die Frau.
»Ich weiß es noch nicht«, entgegnete der Spieler.
»Sie werden mir doch wohl nicht sagen wollen, daß Sie nur um die lumpigen Dollars hier mit ihm gespielt haben?«
Holliday nahm das Dollarnotenbündel, das die Frau dem Fremden geschenkt hatte, und schob es ihr wieder zu.
Laura Higgins wurde dunkelrot vor Ärger. »Das werden Sie mir doch nicht antun, Doc?«
»Was heißt antun. Sie wußten genau, daß er es verliert.«
Er erhob sich, deutete eine Verbeugung an und ging auf die Theke zu. »Einen Brandy.«
Der Keeper stellte ihm ein Glas hin.
Holliday kippte ihn hinunter und legte einen Geldschein auf