Herr Erlings Magd. Karl Friedrich Kurz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Friedrich Kurz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711518441
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richtete, dass sogar ein Zimmer bereit stand. Dieses alles hatte Autun natürlich von Marlene vernommen, denn Marlene zeigte nur geringe Begeisterung für den Einzug Bertinas. Jeder muss mit den Waffen kämpfen, die ihm gegeben sind. Marlene kämpfte mit List und geheimer Diplomatie.

      Obschon er nie ein grosser Menschenkenner gewesen, der alte Autun, so merkte er doch, dass Herrn Erlings Blut mächtig aufwallte. Es bedurfte dann nur Marlenens kleinen Kunstgriffs, und Autun entschloss sich abermals einzugreifen. Um die Gefahr beizeiten abzuwehren, wagte er es und nahm auch diese Angelegenheit in seine Hand. „Ist das wirklich so, dass Marlene gehen soll?“

      „Marlene?“ fragte Herr Erling überrumpelt. „Wer behauptet das?“

      „Soviel ich vernommen habe, soll Bertina von Mykja hier eintreten ...“

      Doch bleibt es stets eine gefährliche Sache, wenn das Blut der Menschen in Brand gerät. Es ist dann nicht so einfach und geradehin, die Fäden in seiner Hand zu halten. Dieses führte zu einer kleinen Konferenz auf dem Privatkontor. An sich war die Lage der Dinge ja einfach genug; Herr Erling brauchte nur daran erinnert zu werden, dass der Luxus mit zwei Mägden gegen die Abmachung verstiess. Man musste ihm klarmachen, dass er ein wenig an Händen und Füssen gefesselt war. Wohl sass er noch immer hinter seinem grossen Tisch, und der Kontorist stand davor. Der Kontorist wandte sein Antlitz zu Boden, und seine Stimme war behutsam; aber er sagte: „Das Schicksal von Kongshaugen steht auf dem Spiel. Entschuldigen Sie.“

      „Was in aller Welt?“

      Autun weicht aus. „Bertina ist zu gut für ein kleines Abenteuer.“

      „Ich denke gar nicht daran“, entfährt es Herrn Erling.

      „Haben Sie denn ernste Absichten?“ fragt Autun verblüfft.

      Wie wird doch Herrn Erlings Gesicht jetzt dunkel, und wie traurig wird sein Blick. „Ich weiss nicht, was ich dir darauf antworten soll“, gesteht er.

      Nun begreift selbst Autun, dass diese Angelegenheit sich nicht mit zwei Worten ordnen lässt.

      Wenn es darauf ankommt, will Herr Erling Marlene opfern, er will Jarl opfern — dies und das und jegliches. Wie schwer ist es doch, Herzen zu lenken und Menschen zu regieren.

      Ein tiefer Graben tut sich auf zwischen diesen zwei Männern, die das Leben so eng zusammengebracht. Das Blut bleibt auch in diesem Falle Sieger; der alte Autun unterliegt. „Ich meinte es gut“, murmelt er verlegen. „Alles für Kongshaugen — das sollen Sie nie vergessen.“

      „Nein, nein ...“

      Aber der Graben ist da und kann nicht übersprungen werden. Jeder steht auf seiner Seite. Damit wird es Ernst.

      Herr Erling besteigt abermals den Schimmelhengst Jarl und reitet über den Berg nach Sudalen zum Hofbauern Leif ...

      Dieser junge und stürmische Freier war indessen noch zweimal in Mykja gewesen, da seine erste Auseinandersetzung mit Bertina nicht zum Ziel führte. Genau wie zu früheren Zeiten schlich er unter das Küchenfenster und pfiff. Er pfiff umsonst. Als er eine Handvoll Kieselsteine hinaufwarf, regte sich etwas. Das war Bertina selber, und sie fragte: „Was treibst du schon wieder für Unfug, Mensch?“

      „Komm sogleich zu mir hinter die Scheune“, befahl Leif. Schwer geladen mit Empörung und siedend von Entschlüssen war er; das bekundete sein fester, bestimmter Ton. Er fühlte sich im Recht. „Pein und Tod — heute wird ein ernstes Wort geredet, du ...“

      „Oh, du Leif, du Leif! Du musst dich eben darein finden.“

      Leif fängt wieder an zu hüpfen: „Sören und Samuel und Satan — komm hinter die Scheune, hab’ ich gesagt — willst du nicht?“

      „Was soll ich hinter der Scheune?“ erkundigte sich Bertina kalt. „Nein, dazu habe ich keine Lust.“ Damit dreht sie sich um und geht wieder ins Haus zurück.

      „Ich sehe, dass du noch ebenso verrückt bist wie das letztemal“, ruft Leif ihr erbittert nach.

      Umsonst alle Mühe, alle Bitten, alle Drohung.

      Bertina schloss die Tür hinter sich. Auf dem Tun von Mykja stand also Leif, starrte die verschlossene Tür an und dachte sich einiges dabei. An diesem Abend wollte er sich nicht abweisen lassen; sondern es sollte endlich etwas Entscheidendes geschehen.

      Leif bewies grosse Ausdauer und bewachte die Tür, trieb sich auf dem Tun herum, bis alle Lichter erloschen, pfiff zuweilen, warf zuweilen Sand und Kiesel — bis nicht die geringste Hoffnung übrigblieb. Zuweilen redete er laut. Erst nach Mitternacht ging er fort.

      Viel Unbegreifliches findet sich stets zwischen Himmel und Erde. Leif gab die Hoffnung noch immer nicht auf, sondern stand am folgenden Abend wieder auf dem Tun von Mykja, denn er wollte nicht kampflos auf Bertina verzichten.

      Diesen Gang hätte er sich ebensogut ersparen können wie die früheren, obgleich er es nun mit einem gröberen Stein durch den Rauchfang versuchte. Nein, die Welt war verhext. Der Vater trat unter die Tür, der Pächter Asbjörn, mit erschreckten Augen und gesträubtem Bart: „Mir scheint, du wirfst Steine, verfluchter Schlingel ... kommst zu uns herauf und benimmst dich wie ein Räuber ... Warte, du junger Hund, gleich zieh ich meine Hosen an, und dann will ich dich verhauen.“

      Zu dieser Stunde war Leif zu einer Rauferei hervorragend aufgelegt; er spuckte in die Hände, ballte sie zu Fäusten und trommelte sich auf den Brustkasten, dass es unheimlich dröhnte. Er stampfte mit beiden Füssen und fragte: „Wie? Soll es vielleicht hier Hiebe absetzen? Wohlan — komm nur herunter, du haariger Pavian.“

      Kein Zweifel, der rabiate Freier war jetzt zu allem fähig. Aber diese Sprache reizte den Pächter Asbjörn über alle Massen; so schwer beweglich er auch zumeist im täglichen Leben war, bei dieser Gelegenheit fand er die passenden Worte und verkündete sie laut von seiner hohen Steintreppe herunter. Um seinen Worten mehr Gewicht zu geben, bückte er sich nach seinem Holzschuh.

      Sie trieben sich gegenseitig in eine vielversprechende Wut hinein. „Warum ziehst du denn deine Hosen nicht an?“ erkundigte sich Leif. „Komm, holder Engel, ich will dich küssen ...“

      Aber der Pächter Asbjörn beeilte sich nicht, bückte sich höchstens nach dem zweiten Holzschuh und rief: „Wenn du es wagst, einen Schritt die Treppe hinauf zu machen, werde ich dir meine Holzschuhe in dein freches Maul pflanzen.“

      „Ob ich es wage, du bärtige Schweineblase“, höhnte Leif, äusserst unternehmungslustig. „Ja, dieses sollst du alsbald erfahren. Und deine Lederhosen brauchst du dazu nicht ...“

      Nun trat Bertina dazwischen. Bertina zögerte keinen Augenblick auf der Treppe und hielt auch keine Kampfreden, sondern trat an Leif heran. Und als Leif wieder auf seiner Brust trommelte, schaute sie ihm mit unsäglicher Verachtung zu und wartete ruhig, bis er aufhörte. Dann sagte sie: „Wenn du nur selber sehen könntest, wie lächerlich und widerwärtig du dich benimmst, Leif. Jetzt musst du nach Hause gehn. Zwischen uns ist alles aus.“

      Mit einem Schlage wird Leif nüchtern; fast weinerlich fragt er: „Sollte das dein letztes Wort sein?“

      „Du brauchst nicht wieder nach Mykja zu kommen“, sagt Bertina laut, klar und abschliessend.

      Leif starrt ihr auf den Mund, als erwarte er noch etwas. Doch sie wendet ihm nur den Rücken und kehrt ins Haus zurück ...

      Aber Leif gab es trotzdem nicht auf. Er lauerte einen ganzen Tag hinter dem Steinwall, und so erwischte er Bertina noch einmal. Er zeigte sich da keineswegs weicher im Gemüt, im Gegenteil, er hatte einen guten Trumpf in der Hand. „Wie steht das Befinden?“ fragte er hinterhältig.

      Bertina blieb stehen und runzelte die Stirn. „Kann ich denn keine Ruhe vor dir finden?“ fragte sie bitter.

      „Soviel ich höre, hat dich der junge Herr schon wieder aufgegeben ...“

      „Oh, du einfältiger Leif — geh heim und leg dich“, erklärte darauf Bertina.

      Leif wölbte mächtig seine Brust: „Du bildest dir schon gar zu viel ein. Du sollst aber